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[art_1] Spanien: Die Heilige Eulalia und ihre Kirche in Mérida
 
Am 10. Dezember des Jahres 304 tritt ein 12-jähriges Mädchen in der damals größten Stadt der Iberischen Halbinsel und Hauptstadt der römischen Provinz Lusitania, Augusta Emerita (Mérida), vor den mächtigen Statthalter des Römischen Reiches, beschimpft ihn und stößt eine römische Götterstatue zu Boden. Die tapfere Kleine stellte Roms Verwalter wegen der letzten Welle blutiger Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian zur Rede und rief angeblich: "Ihr wollt Christen töten? Da habt Ihr mich!" Und zielstrebig marschierte die kleine Eulalia in ihr Martyrium, von dem sie sich die Erlösung versprach.

Heute ist Santa Eulalia Spaniens populärste Märtyrerin und die Stadtpatronin von Mérida, der Hauptstadt der Extremadura und ebenso von der Hauptstadt Kataloniens. In Barcelona trägt sogar die Kathedrale ihren Namen: Santa Eulalia. Zwar waren es angeblich zwei verschiedene heilige Jungfrauen (in Mérida und in Barcelona), aber aufgrund der sehr großen Ähnlichkeit der Legenden und Lebensdaten (Eulalia von Mérida: 292 - 304; Eulalia von Barcelona: 290 - 303) gehen viele Historiker heute davon aus, dass es sich um ein und dieselbe Heilige handelt.

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Ihr Schicksal ist jedenfalls nicht nachahmenswert, denn die detailreich geschilderten Foltermethoden, die Eulalia gemäß der Legende noch vor ihrem endgültigen Tod ertragen musste, lassen auch die härtesten Helden erschauern. Es gibt verschiedene Versionen ihres Martyriums, besonders detailliert und der christlichen Propaganda dienend wird ihre Leidensgeschichte vom christlichen römischen Dichter Prudentius erzählt. Demnach wurde Eulalia zunächst ausgiebig ausgepeitscht, dann schnitt man ihr die Brustwarzen ab und riss mit glühenden Zangen ganze Fleischstücke aus ihrem kleinen Körper. Danach hielt man brennende Fackeln in die klaffenden Wunden und setzte ihre Haare in Brand. Zum Schluss, da sie immer noch lebte, warf man ihren verstümmelten Leib in einen großen Ofen. Und eine Minute später flog angeblich eine weiße Taube aus dem verschlossenen Ofen und erhob sich in den Himmel. Prudentius behauptet, dass das Mädchen ohne eine Träne zu vergießen, alles erduldete und sich sogar voll Todessehnsucht den Flammen entgegen reckte. Ob so ein monströses Opfer von einem liebenden Gott wirklich gern gesehen wurde, darf zumindest bezweifelt werden. Eigentlich hätte Eulalia schon nach dem ersten Folterdurchgang tot sein müssen (es handelte sich schließlich nicht um einen Gladiator, sondern um ein 12-jähriges Mädchen), aber die Legende wollte sie offenbar in eine dreifache Märtyrerin verwandeln, um die Unbesiegbarkeit des neuen christlichen Glaubens zu demonstrieren.

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Im 4. Jahrhundert, nachdem das Christentum zunächst von Kaiser Konstantin erlaubt und dann später kurz vor dem Untergang des Römischen Reiches sogar Staatsreligion wurde, erbaute man an der Stelle, wo ihr Martyrium stattgefunden hatte, der heiligen Eulalia eine zunächst bescheidene Kirche und erklärte sie zur Stadtpatronin. Im frühen 7. Jahrhundert wurde das Kirchlein von den Westgoten durch eine standesgemäße, für damalige Verhältnisse große Basilika ersetzt. Ein paar Jahrzehnte später, im Jahr 712, wurde Mérida von den muslimischen Arabern erobert und die Kirche Santa Eulalia wurde ab dem 9. Jahrhundert kaum mehr für Gottesdienste genutzt und begann, langsam zu verfallen.

Heute sind die Reste der westgotischen Basilika aus dem 5. bis 7. Jahrhundert in der Unterkirche zu bewundern, wo sich Fragmente von Mauern und Säulen erhalten haben. Im Zentrum erhebt sich eine interessante Säule mit pausbäckigen Kinderköpfen. Die sehenswerten Fresken in der Kripta, die u.a. die Heilige Anna sowie den Heiligen Martin auf einem extrem drolligen Pferdchen zeigen, stammen allerdings nicht aus der vorarabischen Epoche, sondern wurden erst nach der Reconquista gemalt.

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Nachdem Mérida im Jahr 1230 vom kastilischen König Alfons IX. erobert wurde, widmeten sich die christlichen Kastilier der Rekonstruktion der alten Basilica de Santa Eulalia. Der Kirchenbau, in dem wir heute stehen, ist also vor allem eine Mischung aus Spätromanik und Frühgotik. Noch bis ins 15. Jahrhundert ergänzte man den Tempel mit An- und Umbauten.

In der Renaissance hat man zudem an der Stelle, an der man den Ofen vermutete, in dem die Heilige verbrannt wurde, einen antikisierenden Miniatur-Tempel mit römischen Säulen platziert. Am Ende hat das heidnische Römische Reich, das ihren Tod forderte, die Heilige Eulalia also wieder eingeholt. Denn ganz ohne Rom geht in Emerita Augusta, der spanischen Stadt mit den meisten römischen Monumenten, eben nichts.

Text + Fotos: Berthold Volberg

Tipps und Links:
Basilika Santa Eulalia:
Öffnungszeiten für Besichtigung im Sommer (Juni - September): von 9.30 - 13.30 Uhr und von 17.00 bis 19.30; Oktober - Mai von 9.30 – 13.30 Uhr und von 17.00 bis 18.30 Uhr. Eintrittspreis mit Unterkirche: 3 Euro

Unterkunft in Mérida:
Hotel Cervantes, (nur einen Steinwurf von der Kirche Santa Eulalia entfernt), Calle Camilo José Cela 10, 06800 Mérida, Tel. 924-314961 und 924314901. Einfaches, zentrales Zweisterne-Hotel, Übernachtung 35 Euro, verfügt auch über Bar / Restaurant
informacion@hotelcervantes.com
www.hotelcervantes.com

Verpflegung in Mérida:
Tapas-Bar "Diana", direkt hinter dem römischen Diana-Tempel. Besonders zu empfehlen ist das Tapas-Menü, bei dem man sich fünf leckere Tapas zusammen stellen kann (12 - 15 Euro). Absolut köstlich sind die frittierten Auberginen mit Honig, Kabeljau (Bacalao) mit Haselnuss-Soße, Rotwein-Gulasch vom iberischen Schwein.

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