caiman.de 12/2004



adventskalender
(nur online)
[ad. 1]
spanien: Ein letztes Bollwerk des Barocks: Die Kirche El Salvador in Sevilla
BERTHOLD VOLBERG
[art. 1]
brasilien: Die Pousada „Pé da Mata” in Maresias
THOMAS MILZ
[art. 2]
spanien: Romantische Bunker (Bildergalerie)
DIRK KLAIBER
[art. 3]
Brasil: Rauschende Ballopern
THOMAS MILZ
[art. 4]
lauschrausch: Women vs. Né Ladeiras
TORSTEN EßER
[kol. 1]
hopfiges: Schöpfungsgeschichte DAMM: Estrella, Bock, Voll (Spanien)
DIRK KLAIBER
[kol. 2]
grenzfall: Tupi or not Tupi (3)
THOMAS MILZ
[kol. 3]
pancho: Mango Twist
CAMILA UZQUIANO
[kol. 4]
verlag.caiman: [brasil subtil]

[kussbeschuss]

[ad. 2]





[art_1] Spanien: Ein letztes Bollwerk des Barocks: Die Kirche El Salvador in Sevilla

Nur wenige Meter von den Touristenströmen entfernt, die sich durch die lebhafte und von Souvenirläden geprägte Calle Sierpes schieben, von der Kathedrale kommend oder zu ihr hin strebend, liegt eine Kirche, an der viele Besucher Sevillas achtlos vorbeilaufen, sei es aufgrund eines zu gedrängten Besichtigungsprogramms oder der Fülle an Monumenten, die Sevilla zu bieten hat.

Dabei entgeht ihnen die Plaza del Salvador, einer der schönsten Plätze der Stadt. Hier schlägt das heimliche Herz Sevillas und hier erhebt sich die majestätische Erlöserkirche (Iglesia del Salvador). Es ist nun gleichgültig, ob man noch von der repräsentativen Monumentalität der Kathedrale oder des soeben durchschrittenen Rathausplatzes beeindruckt ist, oder ob man aus einer der während der Sommerhitze mit weißen Segeltüchern („toldos“) überspannten engen Nebengassen, durch die man wie durch eine Zeltstadt wandelt, den Weg zum Salvador-Platz gefunden hat. Man wird sich dem urtümlichen Zauber dieser barocken und von Orangenbäumen gesäumten Plaza kaum entziehen können. Eingerahmt wird sie von zwei Barockkirchen: vom Sakralbau des Hospital de San Juan de Dios mit plateresker Fassade und später angefügten Doppeltürmen und von der schlichten, aber ungleich mächtigeren Vorderfront von El Salvador.

Die Treppe, die zum Kirchenportal emporführt, wird passenderweise flankiert von der Statue des „spanischen Michelangelo“, Juan Martínez Montañés (1568 – 1649). In der Kirche befindet sich eines seiner berühmtesten Werke, die Figur des „Jesús de la Pasión“ (1615).


Von außen wirkt der gewaltige Kirchenbau beinahe schmucklos mit seiner einfachen, ziegeldominierten Fassade. Man sucht zunächst vergeblich einen Glockenturm oder eine espadaña. Später wird man den abseits stehenden Turm – wie so oft in Sevilla ein ehemaliges Minarett – entdecken.

Die Erlöserkirche bildet einen der in der andalusischen Metropole so häufig anzutreffenden heterogenen Gebäudekomplexe, die Architekturelemente verschiedener Epochen und Religionen harmonisch in sich vereinigen. Die ältesten Bauteile sind der Innenhof der ehemaligen Ibn Adabbas – Moschee aus dem 9. Jahrhundert (wo teilweise noch westgotische Arkaden erhalten sind) und das Minarett dieser ältesten Hauptmoschee Sevillas. Dieses steht abseits, an einem der Eingänge zum Innenhof und wird in der engen Calle Córdoba leicht übersehen. Wie alle in der Stadt erhaltenen Moscheetürme erhielt es in der Renaissance einen Glockenturmaufsatz.

Auf der linken Seite des Innenhofs steht die Capilla del Cristo de los Desamparados, ein winziges Kirchlein, das im Stil des portugiesischen Rokoko ganz mit Azulejos verkleidet ist und im Schatten der größten Kirche Sevillas fast verschwindet. Man nennt El Salvador wegen seiner Größe auch „segunda catedral“. In der Tat handelte es sich wohl um das ambitionierteste sakrale Gebäude, das nach der Kathedrale in Sevilla errichtet wurde, noch dazu an der Stelle, wo sich schon die römische Kurie von Hispalis und die erste Hauptmoschee von Ischbilia befunden hatte. Wenn man die Kirche besichtigt und sich dabei die Daten ihrer Entstehungszeit vor Augen führt, möchte man zunächst glauben, daß der Architekt Leonardo de Figueroa, der 1699 die schon begonnenen Bauarbeiten übernahm und 1712 vollendete, sich „im Jahrhundert geirrt“ hätte.

Denn obwohl diese große Basilika eart_1/1.htmlgen Anfang des 18. Jh. begonnen wurde und die Ausgestaltung des Innenraums sich noch bis 1779 hinzog, präsentiert sie sich in einem wuchtigen Frühbarock mit archaisierenden Renaissance-Merkmalen. Dies wirkt auf den ersten Blick überraschend.

Christus der Demut (17. Jahrhundert)

Denn gegen Ende des 17. Jh. war Sevilla nach dem Wirtschaftsboom des 16. Jh., in dem der Edelmetallstrom aus den amerikanischen Vizekönigreichen nie zu versiegen schien, und nach einer Kulturblüte, deren Höhepunkt nun (nach dem Tod von Murillo, Roldán und Valdés Leal) eindeutig überschritten war, wie in einen Abgrund gestürzt. Die große Pestepidemie von 1649, durch welche die Bevölkerung der Stadt halbiert worden war, hatte die glanzvollen Kulissen Sevillas mit geradezu apokalyptischen Szenarien erfüllt. Sie gehörte längst nicht mehr zu den reichsten Handelsmetropolen Europas, zuviel Silber und Gold waren leichtfertig nach Flandern und Norditalien geflossen. In Sevilla hatte man die gewaltigen Mengen von Edelmetall nicht so gewinnbringend investiert, wie es an den Börsen von Antwerpen und Genua geschah, sondern man hatte es vorgezogen, damit riesige Hochaltäre großzügig zu vergolden und Madonnen mit Goldkronen zu schmücken...

Es stellt sich aber nun die Frage, wieso man die Kirche El Salvador, die ja an so exponierter Stelle auf den Fundamenten der ehemaligen Hauptmoschee entstand, in diesem so „altmodischen“ Barock erbaute, der sich – bei aller Sevillaner Eigenart – am basilikalen Modell der ersten Barockkirche, Il Gesu in Rom orientierte (und nicht an modischen kuppeldominierten Zentralbauten). Nun, ein Prinzip dieser Bauweise war der Trotz.


Minarett mit christlichem Glockenturm
Denn diese Kirche sollte mit ihren retardierenden Formen eine demonstrative Rückkehr zur Epoche der größten Blüte, der spektakulärsten Triumphe Sevillas sein. Diese sollten gleichsam festgehalten, ein Stillstand der Zeit suggeriert werden. Die Absicht der Erbauer äußert sich deutlich in den gewaltigen vergoldeten Hochaltären von El Salvador. Während der Kirchenbau selbst 1712 weitgehend abgeschlossen war, wurden zwei der drei höchsten Retabel (insgesamt hat El Salvador 11 Hochaltäre) erst 1779 von Cayetano de Acosta vollendet: der Retablo Mayor und der Retablo del Sagrario.


Ein Jahr nach der Vollendung dieses monumentalen Werks stirbt der definitiv letzte Meister des Sevillaner Barocks. Aber auch heute zieht der zentrale Hochaltar mit seiner Höhe von 18 Metern (nicht nur durch seine Größe) jeden, der die Kirche betritt, in seinen Bann. Er wirkt auch unmittelbarer auf den Betrachter als der Retabel der Kathedrale von Sevilla, der stets fern, abgetrennt hinter dem hohen Gitter leuchtet. Wenn jedoch in El Salvador der riesige Hauptaltar angestrahlt wird, scheint er sein Licht bis in den dunkelsten Winkel zu schleudern und es fällt schwer, das Auge wieder abzuwenden.

Man kann hier anmerken, dass wohl nur ein gläubiger Mensch, der noch dazu ein Liebhaber hochbarocker Kunst ist, für seine geheimnisvolle Wirkung zugänglich ist. Dieser Zauber liegt jedoch nicht in seiner Größe oder im Gold verborgen, sondern in seinem Programm.

Während nur eine Dekade vor der Französischen Revolution im übrigen Europa entweder aufklärerischer Atheismus und dekorlos-kalter Neoklassizismus oder aber sinnentleert dekadente Rokokokunst zu den herrschenden Modeströmungen wurden, wurde hier in Sevilla, im Retablo Mayor von El Salvador zum letzten Mal versucht, eine harmonische (und trotz reicher Dekoration wohlgeordnete) Ganzheits-Sicht der Welt (Gottes) zu vermitteln.

Natürlich gibt es in der christlichen Ikonographie viele Darstellungen der Trinität, aber kaum eine derart dramatische Vision wie man sie hier vorfindet: auf einem Sockel aus rotem Marmor ruhend und flankiert von zwei anderen Hochaltären im churrigeresken Stil, ragt dieses Glaubensbekenntnis aus vergoldetem Zedernholz empor, wie mit einem Diadem gekrönt durch einen Kranz tiefblauer Mosaikfenster. Sie durchbrechen den düsteren Stein der Kuppel wie eine ferne, aber nicht anzuzweifelnde Verheißung des Himmels, der je nach Tageszeit sein Licht auf den Altar wirft.

Und inmitten dieser goldstrahlenden Steilwand, flankiert von kannelierten korinthischen Säulen, posiert der Erlöser eingerahmt von einer riesigen Muschel – Symbol des Lebens und der ewigen Wiedergeburt – und hebt segnend, aber auch triumphierend den rechten Arm zum Zeichen des Sieges. Über ihm schwebt eine riesige Krone und weiter oben thront Gottvater im Strahlenkranz, bekrönt wiederum von der Taube des Heiligen Geistes.

Wir stehen hier also nicht nur vor dem letzten großen Barockretabel Sevillas, sondern ebenso vor einem fast beschwörenden künstlerischen Kraftakt der Gegenreformation, die durch ein trotziges Aufbäumen gegen die damaligen Zeitströmungen in den machtvollen Säulen und Figurengruppen dieses Altars noch einmal ihr barockes Welttheater nach göttlicher Ordnung vorzuführen scheint. Gleichzeitig manifestiert sich in der Erlöserkirche jedoch auch der stolze Willensakt ihrer Stifter, der Patrizierfamilien Sevillas, in jener Zeit tiefer Krisen und wirtschaftlichen und kulturellen Niedergangs durch die Altarwand von Cayetano Acosta nicht nur Christus, sondern auch die glanzvollste Epoche ihrer Stadt auferstehen zu lassen. Mit dem goldenen Licht, das von diesem Retabel herabschimmert, sollten die dunklen Schreckgespenster der Angst und des Zweifels, welche die goldene Stadt heimsuchten, verdrängt werden: ausländisches „Ketzertum“, Naturkatastrophen wie das Allerheiligen-Erdbeben von Lissabon 1755, der wirtschaftliche Zusammenbruch nach dem Verlust des Überseehandels-Monopols an Cádiz (1717). Es handelte sich aber auch um einen finanziellen Kraftakt des Sevillaner Bürgertums. Allein für den zentralen Hochaltar gab man die immense (in heutigem Euro-Kurs mindestens mal zehn zu rechnende) Geldsumme von 1.277.390 Reales aus. Die Zeit, als Sevilla die Drehscheibe des „Indienhandels“ und das „spanische Rom“, die schillernde Kulturmetropole des Westens war, sollte beschworen werden und in Bildern und Skulpturen wieder auferstehen – wie noch heute jedes Jahr zur Semana Santa.

Deshalb wurde El Salvador in diesem feierlich frühbarocken Stil erbaut. Die Erbauer sind in ihrer Absicht, die Zeit zurückzudrehen, gescheitert. Die Zyniker mögen nun behaupten, dass dieser Kirchenbau ein „Monument der Vergeblichkeit“ darstellt. Doch ist dieser barocke Tempel nicht eher der architektonische Schwanengesang einer in Stolz dahinscheidenden Epoche? Jedenfalls steht man heute staunend vor diesem zerklüfteten Goldgebirge.

Text + Fotos: Berthold Volberg






[art_2] Brasil: Die Pousada „Pé da Mata” in Maresias

Wir sind mitten in den Bergen. Noch hängt der Morgennebel in den Baumkronen und überzieht das sonst so kräftige Grün der Blätter mit einem trüben Grauschleier. Der trilha, der lehmig-rutschige Trampelpfad, führt steil den Berg hinauf, wo ein kleiner, höchstens drei Meter hoher Wasserfall Kühlung bringt. Über Nacht ist es warm geworden. Gestern noch peitschte der Regen über das kleine Städtchen am Fuße der mächtigen Serra do Mar, dem bis zu 1.000 Meter hohen Küstengebirge. Doch jetzt, da die Sonne immer höher steigt, durchzieht eine brütende Schwüle die Mata Atlântica, den dichten Urwald, der einst Brasiliens Küste auf einem bis zu 50 Kilometer ins Landesinnere hinein reichenden Streifen dominierte. Nur noch 10% des einstigen Bestandes hat sich ins 21. Jahrhundert hinüberretten können.

Gegen Mittag sind wir zurück in unserer Wochenend-Heimat am Fuße der Berge, wo uns der Verwalter Dori mit einer Warnung empfängt: „Achtet ein wenig darauf, wo ihr hintretet. Es ist heute so warm geworden, dass die Schlangen den Wald verlassen und sich ein kühles Plätzchen suchen.


Manchmal sieht man sie auf dem Beton vor den Chalets im Schatten liegen. Zwar sind nicht alle Arten giftig, aber wirklich unterscheiden kann man sie auf den ersten Blick nicht.“ Die Pousada besteht aus 10 Chalets, kleinen dreistöckigen Appartements, einem Haupthaus mit Spiel- und Speisezimmer, in dem wir morgens ein opulentes Frühstück zu uns genommen haben, einer kleinen Bar und zwei Swimmingpools, um die herum sich die meisten Häuser gruppieren. Das Areal ist riesig, und einige Chalets sind weiter in den Urwald hinein gebaut.


Es ist still. Außer den Geräuschen des Waldes, dem Rauschen des Windes in den Blättern, leisem Gezirpe und einigen wenigen Vogelstimmen ist nichts zu hören. Der Strand mit den vielen Hotels und der Diskothek, wo sich an Wochenenden und in den Ferien Tausende von Jugendlichen tummeln und der Maresias den Ruf einer Partymeile für São Paulos Mittelschicht eingebracht hat, liegt etwa zwei Kilometer entfernt von uns. Hier, in der Pousada Pé da Mata, „Am Fuße des Waldes“, herrscht wohltuende Ruhe. Sie ist am Ende einer sich von der Hauptstraße aus über die etwa zwei Kilometer breite, dem Gebirge vorgelagerte Küstenebene, erstreckenden Straße gelegen, die nur in Strandnähe dicht bebaut und gepflastert ist, hier im Hinterland aber immer ursprünglicher wird. Wilde Bananen mit ihren elefantenohrengroßen Blättern säumen den Wegesrand, während kleine Bäche durch improvisierte Brücken überwunden werden.

Mit von der Pousada geliehenen Fahrrädern geht es zum Strand, einem drei Kilometer langen Streifen feinsten weißen Sandes. Das Wasser ist wunderbar klar und wohl temperiert, schlägt jedoch wild gegen den steil abfallenden Boden. Schon nach wenigen Metern kann man nicht mehr stehen. Eine Kette von Surfern liegt weiter draußen und wartet auf die Königinnenwelle, die sie bis ans Land zurück trägt. Der Blick vom Wasser aus auf die Küste bringt die unwiderstehliche Kombination aus blauem, mit kleinen weißen Wölkchen versetztem Himmel, einem saftig-grün leuchtendem Urwald und dem Beige-Gelb des Sandes.

Traurig derjenige, der ihn wieder verlassen muss, diesen Ort grenzenloser Schönheit, um zurück zu fahren in die große Stadt. Nur 170 Kilometer liegt dieses kleine Stück Paradies von dem Großstadtungeheuer São Paulo entfernt.


Über die „linha verde“ genannte Küstenstraße, die Rio de Janeiro mit Santos verbindet, kann man die Strecke innerhalb von zweieinhalb Stunden überwinden.

So sagt es zumindest der Fahrer des kleinen FIAT-Transporters, der seinen Kopf den an der Bushaltestelle von Maresias Wartenden entgegenreckt. „Zwei Stunden schneller in São Paulo, und dabei wesentlich komfortabler als der Autobus. Und der Preis ist der gleiche.“ Schon füllt sich der Zwölfsitzer mit Menschen, die meinen, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Doch schon am ersten steilen Anstieg kommt der Wagen nur im Schritttempo voran. Auf den nächsten Kilometern füllt er sich immer mehr, bis ihn schließlich 20 wie Ölsardinen zusammen gequetschte Personen füllen. Und als er später versucht, bei Bertioga die Berge der Serra do Mar in Richtung São Paulo zu erklimmen, steigt plötzlich Qualm aus der Motorhaube empor. Totenstille bemächtigt sich der Insassen, als der Transporter auf dem Standstreifen ausrollt und dann stehen bleibt. Nur ein quietschendes Geräusch dringt von vorne durch den Wagen, als ob der Fahrer leise heulen würde. Doch er heult nicht, sondern lacht, und sein Lachen wird lauter, als es anfängt zu blitzen und das Gewitter losbricht.

Wir sind wieder mitten in den Bergen. Die Gewitterwolken hängen in den mächtigen Gebirgsgipfeln über uns und überziehen das sonst so kräftige Grün der Blätter mit einem trüben Grauschleier. Die Straße, über die das Regenwasser talwärts schießt, führt in einem grau-weißen Band hinauf, dorthin, wo ein mächtiger Sendemast thront. Die wie unter einem Wasserfall hinab schießenden Regentropfen bringen eine unangenehme Kühle mit sich. Innerhalb von Minuten ist es richtig kalt geworden. Majestätisch schieben sich die Wolken seitwärts an den Bergen entlang, klettern dann weiter nach oben, über den Bergkamm, hinter dem Mogi das Cruzes und, ziehen weiter ins Landesinnere, dort wo São Paulo liegt. Ein orangefarbener Lastwagen hat auf mein Zeichen hin angehalten, und wir laufen schnell auf ihn zu, die anderen Leidensgenossen in dem fahruntüchtigen FIAT zurücklassend. Mit 30 Stundenkilometern quält sich unser Retter die Berge hoch, doch immerhin kommen wir zurück nach São Paulo, wo wir uns noch stundenlang in die endlosen Schlangen des Wochenendrückreiseverkehrs einreihen müssen, die sich über die breiten Betonstreifen ergießen, bevor wir endlich zuhause ankommen.

Text + Fotos: Thomas Milz

Siehe auch: Stadtflucht nach Maresias

Reservierungen für die Pousada „Pé da Mata” können in Deutschland über das Reisebüro Brasilien-Wege gemacht werden: www.brasilien-wege.de oder telefonisch unter 0221 760 25 59 oder Fax 0221 760 65 14 (Harald Schmidt).






[art_3] Spanien: Romantische Bunker (Bildergalerie)

Spaniens Regierung unter José Maria Aznar zeigte sich 100% loyal zu George W. Bushs kriegerischen Unternehmungen. Aznar liebte es, sich an der Seite des Texaners zu zeigen und mit diesem im Angesicht der Presse möglichst auf einer Stufe zu stehen. Insgeheim träumte er davon, gemeinsam mit dem starken Bruder dessen Kreuzzug gegen ... gegen ... ja, gegen was eigentlich? zu bestreiten und Spanien wieder mit dem längst überholten, neuzeitlichen Flair der Weltmacht zu schmücken. Doch der Visionär konnte sein Volk, das zu 99% aus Kriegsgegnern bestand, nicht für die große Sache gewinnen.

José Marias zweite Vision, an die er womöglich noch fester glaubte, war der wirtschaftliche Boom im Rahmen des Wiederaufbaus der im Nu befriedeten Gebiete. Abgesehen davon, dass der Krieg auch ein dreiviertel Jahr nach Aznars Ausscheiden aus der Regierung anhält und der - von jeder Teilnehmerin einer Misswahl in den USA beschworene - Weltfrieden immer mehr ins Wanken gerät, hatte ihn Partner Bush, der beim Staatsbesuch in Spanien nicht einmal seinen Namen kannte, gar nicht erst auf die Liste der Kuchenverteilung der potentiellen Kriegsgewinnlern gesetzt. Somit reduzierten sich die möglichen Ankurbler der spanischen Wirtschaft auf die heimische Rüstungs- und die internationale Privatbunkerindustrie. Jedoch scheiterte der Versuch, das friedfertige Volk für die Bereitstellung von Steuergeldern für eine Aufrüstung der Streitkräfte mit offensiven Waffen zu gewinnen. Anders hätte es für den Absatzmarkt von privaten Bunkeranlagen laufen können. Doch es fehlte den Herstellern der nüchternen Bauten das nötige Fingerspitzengefühl. Ein Volk, dem der Sinn steht nach Geselligkeit und Poesie, das voller Leidenschaft und Liebe ist, die Bürgersteige belebt und die Bars füllt, wird niemals Interesse an einem grauen und kalten, Bewegung einschränkenden Bunker zeigen, der in den USA zum Verkaufsschlager mit erheblichen Wartezeiten avancierte.


Überbleibsel der jungen spanischen Geschichte zeugen von einem poetischen Verständnis der Integration von Bunkern in die schönsten Landschaften. Folgende Fotos sind auf der Halbinsel Cap Creus am katalanischen Mittelmeer unweit des Ferienortes Rosas entstanden und zeigen neben Bunkern auch Militärgebäude, die Landschaft in der sie erbaut wurden und wie sie heute genutzt werden.

Text + Fotos: Dirk Klaiber





[art_4] Brasil: Rauschende Ballopern

Wenn die Sonne hinter den Bergen der Serra do Mar verschwindet, den Strand in dämmriges Grau und Gelb gehüllt zurücklässt, der vom Meer kommende Wind die Schwüle des Tages hinwegfegt und die letzten Sonnenanbeter den Strand verlassen haben, treten sie in Aktion, laufen ein in die zuschauerfreie Naturarena aus Sand, um ein abendliches Ritual zu vollziehen: der letzte Kick des Tages, eine Partie Strandfußball in der Dämmerung, ohne Schuhe und Hemd, ein paar Holzstäbe zu Toren zusammenimprovisiert. Weit weg von dem organisierten Wahnsinn des „Big Business Futebol“, das auch hier in Brasilien seine Kapriolen schlägt.

Im Land des fünfmaligen Weltmeisters gibt es zurzeit in Sachen Fußball mehr verwirrendes als sonst was zu berichten.

Vor einigen Wochen schockte der plötzliche Tod des Verteidigers Serginho, der während des Spiels seiner Mannschaft São Caetano gegen São Paulo einfach zusammenbrach und starb, die fußballverrückte Nation.

Gegen den Präsidenten des Clubs und den Mannschaftsarzt soll jetzt Anzeige erhoben werden, da sie angeblich von den Herzproblemen des 30-jährigen wussten und ihn trotzdem spielen ließen. Außerdem sollen dem Club, der aktuell den vierten Platz belegt und noch Aussichten hat, Meister zu werden oder sich zumindest für die Copa Libertadores zu qualifizieren, all die Punkte abgezogen werden, die er mit Hilfe des eigentlich nicht spieltauglichen Serginho gewonnen hat. Die 24 Punkte Abzug würden den Club auf den 14. Platz abrutschen lassen, in die Abstieg gefährdete Tabellenzone. Freuen tun sich die hinter São Caetano platzierten Clubs wie Palmeiras und Goiás, die plötzlich wieder eine Chance wittern, doch noch den dritten Platz und damit die Qualifikation für die Libertadores zu erreichen.

Gerade war dieser Schock ein wenig abgeklungen, als die Mutter von Santos Superstar Robinho während eines Churrascos aus einem Restaurant der Baixada Santista entführt wurde. Noch während man um sie bangte und auf ihre Freilassung hoffte, meldeten die Agenturen plötzlich, dass Robinho für 12 Millionen Euro einen 5-Jahres-Vertrag mit Real Madrid abgeschlossen haben soll. Mit der offiziellen Verkündung des Wechsels wollte er jedoch warten, bis seine Mutter wieder auf freiem Fuß sei, verkündete die Nachrichtensprecherin ganz inoffiziell im brasilianischen Fernsehen. Ob die Entführer aufgrund dieser Entwicklung ihre Lösegeldforderungen nach oben korrigiert haben, wurde nicht gemeldet. Robinho beeilte sich, den angeblichen Wechsel als Falschmeldung eines spanischen Sportmagazins darzustellen.



Sportlich verlief das Jahr für die brasilianischen Teams eher bescheiden. In der Copa Libertadores kam man nicht allzu weit, und in der Liga sind einige der traditionsreichsten und zuschauerträchtigsten Vereine vom Abstieg in die zweite Division bedroht: Grêmio, Atlético Minas Gerais, Flamengo, Botafogo und sogar Vasco da Gama schweben in höchster Gefahr. Und auch die Nationalmannschaft, gespickt mit den Stars aus Europas Spitzenclubs, musste im letzten Spiel des Jahres eine empfindliche Niederlage in Ekuador hinnehmen. Allerdings ist das Team 18 Monate vor Beginn der Copa 2006 in Deutschland schon so gut wie qualifiziert.

Der Star der Stunde ist Ronaldinho Gaúcho, der mit Barcelona den wohl zurzeit besten Fußball überhaupt spielt. Seinen Nationalmannschaftskollegen von Real Madrid und dem AC Mailand scheint hingegen im Moment nicht viel zu gelingen. In den Schlagzeilen steht vor allem Ronaldo, der vor drei Monaten seine Hochzeit mit MTV-Moderatorin Daniela Cicarelli für Anfang Januar bekannt gab, den Termin seitdem aber schon zweimal verschoben hat. Gerüchten zufolge hat den Superstar der Mut verlassen und so steht Ronaldos Handy angeblich nicht mehr still. Daniela soll ständig anrufen, um zu wissen, wo sich der zukünftige Gatte gerade aufhält. Ob in der Kabine unmittelbar vor dem Spiel oder noch beim Verlassen des Rasens direkt nach Abpfiff – Ronaldo hat keine Ruhe mehr. So sehr in Manndeckung wurde er wohl noch nie genommen, witzeln die Sportreporter. Mal sehen, so unkt man, wie lange er sich das noch gefallen lässt.

Dabei wurden Daniela und Ronaldo vor ein paar Tagen erst in Rom beim Kauf eines Hochzeitskleides gesehen. Danielas Gesicht wirkte dabei ungewöhnlich verquollen.

Sie habe, so erklärte sie die Deformationen, mit Ronaldo an einer Messe des Papstes teilgenommen und dabei fürchterlich geweint. Böse Zungen sprachen jedoch von einer Schönheitsoperation, bei der sie sich ihr Gesicht mit Botox aufspritzen lassen hatte.

Für eine richtige Seifenoper sorgten die Verantwortlichen der Corinthians São Paulo, dem zweifachen Weltpokalgewinner. Der angeschlagene Club suchte seit geraumer Zeit nach einem finanzkräftigen Partner und hat ihn allem Anschein nach in dem Iraner Kia Joorabchian gefunden, dem Chef der Gruppe MSI - Media Sports Investments. Diese hat sich bereit erklärt, dem Club 35 Millionen US-Dollar als Soforthilfe zur Verfügung zu stellen. Dafür hat MSI in den nächsten zehn Jahren im Club das Sagen und kassiert 80% der Gewinne. In einer vollkommen konfusen Sitzung, in der die Polizei mehrmals einschreiten musste, um furiose Fans aus dem Verkehr zu ziehen, wurde jetzt die Zusammenarbeit beschlossen. Zumindest behaupten dies die Befürworter. Die Gegner des Deals hingegen beharren darauf, dass die angebliche Abstimmung über die Partnerschaft lediglich die Abstimmung darüber war, in welchem Modus man abstimmen solle, und will nun vor Gericht ziehen.

Am Strand ist es fast vollkommen dunkel geworden. Wie man bei dieser Lichtknappheit den Ball überhaupt noch spielen kann, bleibt das Geheimnis der barfüßigen Ballkünstler. Leichtfüßig springen sie der widerspenstigen Lederkugel hinterher, die in hohem Bogen hinaus auf die Wellen fliegt. Dort tanzt sie im zarten Licht des Mondscheins auf und ab. Zur gleichen Zeit versenkt Ronaldo sein Handy im fernen Madrid in der Toilette, betätigt die Spülung und erinnert sich sehnsüchtig an die Zeit zurück, in der Fußball einfach bloß ein Spiel war.

Brandaktuell:
1) Corinthians São Paulo hat zusammen mit MSI bereits zugeschlagen und den argentinischen Angreifer Carlos Tevez fuer 22 Millionen Dollar von Boca Juniors Buenos Aires geholt.
2) São Caetano drohen jetzt schon wegen des Todes von Serginho 180 Punkte Abzug und damit der direkte Abstieg in die zweite Liga. Der brasilianische Sportgerichtshof will jedes der 30 Spiele, die Serginho in dieser Saison im Campeonato Brasileiro bestritten hat, mit 6 Punkten Abzug werten.

Text + Fotos: Thomas Milz





[kol_4] Lauschrausch: Women vs. Né Ladeiras

Putumayo
Women of Latin America
Exil 5460-2

Die Stimmen der Frauen zählen (zu) wenig in der Politik Lateinamerikas, in der Musik sind sie jedoch stark vertreten. Und dort wenden sie sich auch immer mehr politischen Themen zu. Das dokumentiert zum Teil die Compilation „Women of Latin America“ aus dem Hause Putumayo, nach „Latinas“ (2000) die zweite ihrer Art.

Elf Sängerinnen aus sechs Ländern thematisieren nicht mehr nur die Liebe und das aus ihr resultierende Leid, sondern auch die verschwundenen Menschen in vielen Ländern, die Probleme des Alltags oder die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung. Dabei singen sie wie die Mexikanerin Lila Downs auch in Indianersprachen wie Nahuatl oder benutzen, wie Susana Baca, afroperuanische Rhythmen, die jahrhunderte lang geächtet waren.


Die Lebenslust kommt aber nach wie vor nicht zu kurz, dafür sorgen u.a. die drei Brasilianerinnen Belô Velloso, Mônica Salmaso und Adriana Calcanhotto.


Né Ladeiras
Da Minha Voz
Zona Musica/galileo mc

Das sechste Album der Sängerin Né Ladeiras thematisiert die Geschichte und Gefühle der Frauen während der Entdeckung Brasiliens. Der brasilianische Musiker Chico César und der portugiesische Dichter Tiago Torres da Silva haben den Großteil der Musik und Texte auf „Da Minha Voz“ geschrieben.



Traditionelle Instrumente – in „De Ninar“ sogar eine Drehleier - stehen gleich berechtigt neben elektronischen, rockige Stücke („Deusa Mulata“) neben vom Fado beeinflussten Balladen („Memorias Antigas“), und auf ein geradezu tanzbares Stück („Flecha“) folgt ein nur vom Klavier begleiteter, trauriger Gesang („A Mulher de Granito Verde“). In „Sereia“ schließlich werden ein Fadogesang und eine Dajavan-Melodie kombiniert. Das gesamte Werk ist eine spannende Mixtur und hat einen Platz weit oben in der ewigen Weltmusikbestenliste verdient.

Text: Torsten Eßer
Fotos: amazon.de





[kol_2] hopfiges: Schöpfungsgeschichte DAMM: Estrella, Bock, Voll (Spanien)

Die Welt bestand einst aus schwarzem Wasser. Dann erwachte der Eine nach 13 Ewigkeiten des traumlosen Schlafes und formte das Herz des Himmels. Dieses verschlief die nächsten 7 Ewigkeiten, hatte aber in dieser Zeit all die Fähigkeiten, über die der Eine verfügte, in sich aufgesogen. Als es durch einen kraftvollen Samenregen des Einen, der auf es hernieder prasselte, aufwachte, war die Welt fortan zweidimensional, eine Scheibe aus Unterwelt und Himmel bestehend. Das Herz des Himmels strotzte nur so vor Tatendrang und gebar dem Einen Zwillinge, zwei Jungs. Diese Zwillinge galten allerorts als Inbegriff des Guten, unschuldig und frei jedes üblen Gedankens, die die meiste Zeit mit ihrem geliebten Ballspiel verbrachten. Das vom Springen des Balles verursachte dumpfe Pochen missfiel jedoch den Herrschern der Unterwelt. Und so brachte den Zwillingen eine Stippvisite bei den Hütern des schwarzen Wassers den Tod. Die Unterweltregenten zerteilten ihre Körper, vergruben alle Einzelteile bis auf den Kopf eines der beiden, den sie auf einen Pfahl aufspießten und ihn zur Schau stellten.

Die Tochter eines der finsteren Götter, von grenzenloser Neugier getrieben, kam, den Kopf des unschuldigen Jünglings zu begutachten. Kaum aber, dass sie ihn von allen Seiten betrachtet hatte, spuckte ihr dieser auf die Füße, woraufhin sie schwanger wurde. Der Schande wegen vertrieben, begab sie sich auf die Suche nach der Mutter des Vaters ihres ungeborenen Kindes. Diese, das Herz des Himmels, stellte sie aus Mitleid als Muchacha (Haushälterin) ein. Dann, als die Zeit gekommen war, gebar auch das Mädchen prächtige Zwillinge, die wie ihr Vater und Onkel ebenfalls Zeugen des Guten waren, aber auch das dunkle Blut ihrer Mutter aus der Unterwelt in ihren Adern trugen. Als sie zur Erkundung einen Gang zu den Herrschern der schwarzen Wasser unternahmen, begegneten sie diesen, die aus gleichem Grunde wie zuvor ihren Vorfahren des Lebens trachteten, mit einem Trick: Sie zerteilten ihre eigenen Körper in Stücke und setzten sie dann wieder zusammen. Dies beeindruckte die Hüter der Unterwelt und sie baten die Zwillinge darum, dieses Spiel auch mit ihnen zu spielen. Doch einmal in Stücke zerteilt und unfähig aus eigener Anstrengung heraus wieder zusammen zu finden, mussten sie den Zwillingen das Versprechen geben, in Zukunft keinen Groll mehr zu hegen gegen die Himmelsbewohner und den Platz preiszugeben, an dem sie Vater und Onkel vergraben hielten. An diesem Platz ließen die Zwillinge zu Ehren ihrer Ahnen einen Tempel errichten. Doch kaum dass der Tempel fertig gestellt war, sprießte der Lebensbaum und schoss empor, zwang die Unterwelt mit seinen Wurzeln in die Tiefe, hob denn Himmel mit seinem Hopfen gespickten Geäst empor und schuf mit seinem Stamm die dritte Dimension, die Erde.

Das Herz des Himmels war in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen und hatte einen neuen Gott das Licht der Welt erblicken lassen: Die 7-Faltigkeit, eine Gottheit, die sieben Persönlichkeiten in sich trug. Der Gott der Sieben arbeitete hart mit all seinen Charakteren an der Idee, die Zwischenwelt mit Menschen und Pflanzen zu beleben. Es kostete ihn eine Ewigkeit, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, da die Sieben nur bei Eintracht zur Handlung fähig waren.

Am Ende der Ewigkeit, glücklich, den Prozess der geistigen Arbeit beendet zu haben, fehlte ihm etwas; etwas, das die Entspannung nach getaner Arbeit zu beschleunigen vermochte. Da kam ihm die Idee, seine Brut nach einer Abschaltdroge suchen zu lassen. So schuf er Menschen aus dem ersten, was ihm in die Hände kam, aus Stein, gab ihnen Hopfen und Malz und erwartete, dass ihm diese zum Dank einen Sud bereiteten, der ihm und den Göttern im Himmel rauschende Feste bescheren sollte.



Doch die Steinmenschen besaßen als herausragendes Merkmal eine unbeschreibliche Dummheit, die es ihnen zwar ermöglichte, aus den göttlichen Kräutern unter Zugabe von Wasser Bier zu brauen, aber jegliche Fähigkeit zur Reflektion über ihre Herkunft aussparte. Dieser Zustand verstärkte sich dadurch, dass die Steinmenschen es schon bald heraus hatten, das Bier, das sie Voll DAMM nannten, mit 7,2% Alkoholanteil herzustellen und von nun an viel zu dicht waren, dieses den Göttern zu Ehren mit ihnen zu teilen.

Das Treiben auf Erden wurde der Einheit der 7 Götter bald zu bunt und sie ersetzte den Steinmenschen durch den Holzmenschen. Doch auch diese Materialwahl erwies sich als Fehlgriff. Die Holzmenschen besaßen den gleichen Anteil wie die Steinmenschen, jedoch nicht an Dummheit sondern an Schlauheit. Sie verfügten über das dritte Auge, mit dem sie in die Ferne bis in andere Dimensionen sehen konnten. Sie erkannten, dass es die Götter durstete und diese im Falle der Nichtteilung des auf Erden gewonnenen Bieres ohne zuhttp://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/B00009OWJA/caimandeuml;ren.

Zunächst reduzierten die Holzmenschen, die überhaupt nicht an Teilung dachten, den Alkoholgehalt auf 5,4%, denn sie mussten wachsam sein und durften sich nicht wie ihre immer benebelten Vorgänger überrumpeln lassen. Dann verdoppelten sie den Malzanteil und erreichten eine dunkle, ja fast schwarze Färbung des Bieres, welches sie Bock DAMM tauften, weil sie die Götter mit ihrer Intelligenz buchstäblich ins Bockshorn jagten. Denn die Farbe allein reichte aus, die Götter zu täuschen. Diese vermuteten, dass den Holzmenschen das Bierbrauen nicht geläufig sei, da sie sich ausschließlich mit dem schwarzen Wasser der Unterwelt verköstigten.


Abermals traten die sieben Charaktere zusammen und beschlossen einen neuen Versuch zu starten und die Zwischendimension mit Maismenschen anzureichern. Und dieses Mal hatten sie Erfolg. Die Maismenschen erkannten, dass es die Götter waren, denen sie ihr Dasein verdankten.

Aus diesem Grund waren sie bereit, die Götter zu ehren und ihnen zu opfern. Und, das wichtigste für die Feinschmecker unter den Göttern, die Maismenschen waren mit sensiblen Geschmacksnerven ausgestattet, und erkannten intuitiv, dass Bier nur im ausgewogenen Verhältnis Malz beinhalten darf.


Dieses reduzierten sie bei gleich bleibendem Anteil von Alkohol und so war das erste ESTRELLA gebraut, hell wie der beginnende Tag, vollmundig und abgerundet, dafür süffig. Im Laufe der Evolution vermehrten sich die Maismenschen so sehr, dass die Holzmenschen und mit ihnen die Schwarzbiertrinker bis auf winzige homogene Ortschaften fast völlig von der Erde verschwanden.

Bewertung:
Die in Barcelona ansässige Brauerei DAMM hat in ihrem Sortiment eine Reihe hervorragender Biere, von denen sich keines hinter einem anderen spanischen Bier verstecken müsste. Auch, wenn der gemeine deutsche Urlauber auf San Miguel schwört, sind das leichte und enorm belebende QUIBECA, das im dezenten, runden Abgang weltweit seines gleichen suchende ESTRELLA, das in Schaumbildung und dunklem Farbton überzeugende Bock DAMM sowie das schwere, zum maßvollen Konsum anhaltende Voll DAMM des caimans bedingungslose Favoriten unter den spanischen Bieren.

ESTRELLA (Skala: 1-4 caimanes):

1. Hang over Faktor
(4 = kein Kopfschmerz):
2. Wohlfühlfaktor (Hängematte)
(4 = Sauwohl):
3. Etikett/Layout/Flaschenform
(4 = zum Reinbeißen):
4. Tageszeit Unabhängigkeit
(4 = 26 Stunden am Tag):
5. Völkerverständigung
(4 = Verhandlungssicher):

Voll DAMM:

1. Hang over Faktor
(4 = kein Kopfschmerz):
2. Wohlfühlfaktor (Hängematte)
(4 = Sauwohl):
3. Etikett/Layout/Flaschenform
(4 = zum Reinbeißen):
4. Tageszeit Unabhängigkeit
(4 = 26 Stunden am Tag):
5. Völkerverständigung
(4 = Verhandlungssicher):

Bock DAMM (Schwarzbier):

1. Hang over Faktor
(4 = kein Kopfschmerz):
2. Wohlfühlfaktor (Hängematte)
(4 = Sauwohl):
3. Etikett/Layout/Flaschenform
(4 = zum Reinbeißen):
4. Tageszeit Unabhängigkeit
(4 = 26 Stunden am Tag):
5. Völkerverständigung
(4 = Verhandlungssicher):

Verkostung: Dirk Klaiber





[kol_3] Brasilien: Tupi or not Tupi - Teil 3

Bevor wir zum letzten Teil der Reihe Tupi or not Tupi kommen, hier die Auflösung der Eingangsfrage aus Teil 2: Wieso nannte man den Anhangabaú den Fluss der Schlechtigkeit? In Teil 2. haben wir bereits erfahren, dass sich die ursprünglich positiv besetzte Figur des Anhanga, des Schutzgeistes der Fauna und Flora, unter dem Einfluss der Jesuiten zum Synonym für den Teufel wandelte. Auf einem Hügel am Ufer des Anhangabaú errichteten die Portugiesen einen Schlachthof, und der Fluss färbte sich rot vor lauter Blut der getöteten Tiere. Und so wurde der Anhangabaú zum Fluss der Schlechtigkeit, zum verwunschenen, Tod bringenden Fluss. Bis er im 20. Jahrhundert zubetoniert und in eine Schnellstraße umgewandelt wurde.

Teil 3: Indianismen in der Geografie Brasiliens

Historischer Hintergrund der Verbreitung der Indianismen
In ganz Brasilien trifft man auf Indianismen für geographische Bezeichnungen. Ob diese Orte jedoch in der heute anzutreffenden Gesamtheit originär von den Índios so benannt wurden, ist schwer zu beurteilen. Tupinambá, also die Urform des Tupi, wurde mit den bandeirantes (Sklavenjäger, Gold- und Diamantensucher, "Eroberern des Landesinneren“) und durch die Jesuitenpadres und ihren Missionen in alle Regionen Brasiliens exportiert, also auch in Gegenden, in denen ursprünglich andere Índio-Sprachen gesprochen wurden. Die bandeirantes, in der Mehrzahl mamelucos (Mischlinge), die oftmals jahrelang durch die Weiten Brasiliens zogen und dabei gefangene Indianer mit sich nahmen, sprachen praktisch nur Tupi.

Die Verbreitung von gleich lautenden Ortsbezeichnungen über ganz Brasilien kann allerdings auch Resultat der Nähe der Indianersprachen zueinander gewesen sein, wobei eine Angleichung von Schreibweise bzw. Aussprache dann in späterer Zeit erfolgt sein könnte.

Da sich die bandeirantes entlang der großen schiffbaren Flüsse und passierbarer Gebirgsübergänge bewegten, trifft man dort auf Bezeichnungen in tupi antigo, also Tupinambá. So wurde der Fluss Anhemby (rio das perdizes = Fluss der Rebhühner) in São Paulo von den bandeirantes in Tietê (rio verdadeiro = navegável = schiffbar) umbenannt. Dementsprechend auch die Bezeichnung Paraíba (rio impraticável = ungeeigneter Fluss). Auf diese Weise haben in unzugänglichen Gebieten des Nordostens, die von den bandeirantes nicht durchzogen wurden und den Indianern als Rückzugsorte dienten, Ortsbezeichnungen in anderen Indianersprachen wie z.B. in cariri überlebt.

Regionale Verbreitung
Schon ein erster Blick auf die Karte Brasiliens zeigt, dass die Indianismen sich auf das gesamte brasilianische Staatsgebiet verteilen. Flüsse (Solimões, Tocantins, Ipiranga, Araguaia, Iguaçu, Jaguaribe, Paraguai, Uruguay), Gebirge (Maracaju), Wasserfälle (Iguaçu), Seen, Inseln (Marajó, Paqueta, Bananal, Tinharé, Itaparica), Täler und Berge (Roraima, Tabatinga) tragen indianische Bezeichnungen. Die „Mapa Brasil 1998“ verzeichnet für Gesamtbrasilien 5266 Städte mit mehr als 2000 Einwohnern. Von diesen Städten sind 30,8 % nach Indianismen benannt.

Für die dünn besiedelten Gebiete Brasiliens, die in dieser Quelle im wesentlichen unberücksichtigt blieben, also vor allem der Norden bzw. das Amazonasbecken und Zentralbrasilien, kann bei genauerer Betrachtung der Ortsnamen grob ein ähnliches Verhältnis festgestellt werden.

Ein Blick auf die Namensgebung brasilianischer Bundesstaaten ergibt folgendes Bild:

Norden:

Amapá Árvore da fam. Apocinacias / Bezeichnung eines Baumes des Amazonasgebietes
Pará Mará, y-pá-rá O mar, colecionador das águas, rio volumnoso / Das Meer, Wasseransammlung, voluminöser Fluss
Roraima Roó-aima Sem carne, sem caça, magro / Fleischlos, ohne Jagd, mager
Tocantins Tucan-tim Nariz de tucano / Nase des Tukan

Nordenosten:
Maranhão Mbará-nhã O mar corrente / fließendes Meer bzw. Wasser
Piauí Py-yáu / Py-yáu-y A pele manchada = peixe, O rio dos piaus / Gefleckter Fisch bzw. Fluss des gefleckten Fisches
Ceará Cê-ará Fala ou canta o papagaio / Sprache oder Gesang des Papageien
Paraíba Para-ayba Rio ruim (oder auch árvore) / Schlechter Fluss
Pernambuco Paranã-mbuca
Paranã-puca
A brecha natural do recife por onde o lagamar se comunica com o mar / natürliche Bresche in den Riffen durch das das Binnenmeer mit dem großen Meer kommuniziert
Sergipe Cirigype, Sirigype No / ao rio dos siris / Am oder im Fluss der Siris

Zentral-Westen:

Goiás Goyá, Guayá Indíviduo semelhante, da mesma raça /
Ähnliches Individuum, der selber Rasse

Süden:

Paraná Pará-na O mar, grandes rios, parecido com o mar /
Das Meer, große Flüsse, ähnlich dem Meer

Indianische Ortsnamen in Brasilien: [nur online]

Text + Fotos: Thomas Milz





[kol_4] Pancho: Mango Twist

Für den Mango Twist schält man eine unreife Mango, spannt sie in ein Drehgewinde und führt dann ein Messer, das meist fest installiert ist und zum Mechanismus gehört, sachte ins grüne Fleisch ein, während sich die Mango um die eigene Achse dreht. Im Idealfall emtsteht so aus einer Mano ein langer Mangostreifen, der sich in eine Tüte (Frühstücksbeutel) abspult. Geschmackliche Einbußen entstehen durch einen Abriss aber nicht, er kratzt eher an der Ehre des Mangoschälers. Dann gibt man je nach Gusto Salz, Chilisoße oder -pulver, Alguashte (gemahlene Kürbiskerne), Limettensaft und Salsa Perring (Worchester Sauce) dazu, vermischt die Mango mit den Gewürzen und ißt sie aus der Tüte.


Während der Mango Twist vorallem in El Salvador praktiziert wird, schneidet man die grüne Mango in anderen Ländern Lateinamerikas einfach in Stücke. In Guatemala werden sie als Salat in einer Schüssel serviert. Man kann die kleinen Mangos auch einlegen. Dafür werden sie geschält und in ein großes Gefäß mit Salz und Limettensaft getan und müssen dann mindestens 24 Stunden ziehen. Aber Vorsicht mit dem Kern: Den Kern nicht zerbeissen sondern im ganzen entfernen, da dieser bei grünen Mangos noch weich ist und sehr bitter schmeckt.

Text + Fotos: Camila Uzquiano





caiman.bücher

Titel: Brasil Subtil
32 Kurzgeschichten
34 Hochglanzfotos
Autor: Thomas Milz
Erschienen: Dez/04
Seiten: 112
Preis: 9,90 Euro (inkl. MwSt)

Noch nie hatte jemand den 1 Million Reais Jackpot der „Show do Milhão“ geknackt. Bis Jaír Hermínio da Silva auftauchte, der Alleswisser. Und er erwischte die leichteste aller möglichen 1 Million Fragen: „Wie viele Buchstaben hat das Motto der brasilianischen Nationalflagge?“

Ordnung oder Fortschritt

„Wir haben alles verloren, Jaír!“, schrie seine Freundin Zezé entsetzt aus dem Publikum heraus.

Dabei kam Jaír mit seiner falschen Antwort (d. 16) der Frage, warum Brasilien einfach nicht funktioniert, so nahe wie noch niemand zuvor: Er dachte, dass das Motto nicht „Ordem e Progresso – Ordnung und Fortschritt“, sondern „Ordem ou Progresso – Ordnung oder Fortschritt“ lautet.

[zur Bestellung: www.caiman.de/caiman_buecher/bestellen.shtml]



Titel: Kussbeschuss
Kommissar Shakiro und die Rückkehr des Aztekengottes Quetzalcoatl
Autor: Dirk klaiber
Erschienen: Dez/04
Seiten: 136
Preis: 7,90 Euro (inkl. MwSt)

500 Jahre nach der Eroberung Mexikos durch die Spanier wird die Welt von amazonengleichen Wesen heimgesucht. Ihre Anführerin, Maxima Capitana Fernanda Cortés, landet mit ihrem 500 Frauen starken Gefolge auf Kuba und fordert Gold, die Herrschaft über die Erde und die Zerschlagung aller religiösen Kulte. Die Menschen reagieren sehr unterschiedlich. In Kuba empfängt man sie gelassen und wundert sich über Glasperlen als Geschenke, in den USA entwerfen die Medien apokalyptische Szenarien und versetzen das Volk in Angst und Schrecken.

Kommissar Shakiro verfolgt das Auftreten der Fernanda Cortés am Bildschirm. Als er den Tod einer mexikanischen Studentin aufzuklären hat, die auf ihrer Stirn einen mysteriösen Punkt trägt, wird er zum Spielball der Leidenschaften der fremden Wesen.

Der Roman Kussbeschuss bezieht sich auf das historische Ereignis der Unterwerfung Mexikos. Bis heute gibt es keine schlüssige Erklärung für den Sieg einer Handvoll Spanier über das Millionenheer der Azteken zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Kussbeschuss zeigt die Wiederholung der Ereignisse im Jetzt. Hierbei werden nicht die Stationen der Eroberung nachgestellt. Vielmehr stehen die Reaktionen der einfachen Bürger, der Medien und der politischen Machthaber, sowie deren von Schmerz und Liebe geprägten interkulturell-galaktischen Beziehungen zu den temperamentvollen Eindringlingen im Mittelpunkt.

[zur Bestellung: www.caiman.de/caiman_buecher/bestellen.shtml]





.