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[kol_1] Pancho: Nah am Brötchen
 
Maria Josefa Hausmeister, was ist nur los mit dir? Wieder Unlust, wieder nicht arbeiten? Was? Du würdest ein Freudentänzchen wagen für ein Gläschen Wein? Ne ganze Flasche? – Ich bin so froh, dass ich du bin und bin wie ich bin, dass mir das Leistungslieschen nicht permanent im Nacken sitzt. Mein Leben ist so schön, einfach und friedvoll. Ich kann mich nur immer wieder selber loben. Ich bin mein vorbildlicher Schmetterling, meine inspirierende Gelassenheit, meine Lust auf Leben.

Seit ein paar Tagen höre ich, Maria Josefa Hausmeister geborene Guacamol, in mich hinein, ich lausche meiner internen Kommunikation. Ein Artikel hat mich darauf gebracht. Es war ein Artikel über den Zusammenhang des externen Kommunikationsverhaltens mit dem internen, publiziert in einer Wochenbeigabe einer spanischen Tageszeitung. Da ich für mich die Dinge des Lebens, um sie selber zu verstehen, auf ein Minimum herunter brechen muss, fasse ich den Inhalt wie folgt zusammen:

Besteht ein Problem in der Art und Weise wie ich nach außen kommuniziere, dann kann ich dies langfristig nur ändern, wenn ich meine interne Kommunikation umstelle.

Ich war gerade in Spanien angekommen und hatte mich direkt aufs Rad geschwungen, um nach Figueres zu fahren. Ich wollte ein paar Grundnahrungsmittel erwerben, die ich bei uns im Dorf nicht bekomme. Auf dem Rückweg, fast vor unserer Haustür stoße ich auf eine stattliche, platt gefahrene Schlange.

Hätte ich Angestellte – sagen wir mal ich wäre Köchin und meine zwei Assistentinnen bzw. Assistenten hießen Maria Daimler und Rudi Django Maria – dann würde ich die beiden von morgens bis abends loben: "Ach, das habt ihr aber wieder fein gemacht." Zumindest wäre dies so, wenn ich meine permanente interne Lobhudelei nach außen spiegelte: "Ist nicht wahr. Ihr habt heute zusammen zwei ganze Brote gebacken, dann habt ihr euch aber wirklich einen Tag im Saunaparadies verdient. Nehmt euch gleich morgen frei – und jetzt lad ich euch ein auf ein leckeres Gläschen katalonischen Cava."

Wenn ich eine Schlange wäre und mir aussuchen könnte, wo ich in Europa leben würde... Wärme hab ich gern, Fisch mag ich und vor allem Octopus. Hinterher einen Uzo! Also Griechenland. Oder? Özil spielt doch jetzt in Madrid und der macht doch diese Werbung für die streichzarte Schokoladencreme. Bin ich Fan von, also doch lieber Spanien.

"Maria Josefa Hausmeister!"
"Pancho!"
Maria Josefa stößt einen Freudenschrei aus. "Pancho. Mein Herz, mein Himmelsstürmer, mein Vanillesößchen."
Pancho lächelt, als ob es keinen sonnigeren Tag als diesen wolkenverhangenen geben könnte. "Ich habe deinen Worten gelauscht und du hast Gelüste geweckt, die Ewigkeiten verschollen waren." Pancho schmatzt zutiefst beseelt in die Luft: "Mein Favorit zu jeder Tageszeit als ich noch ein Teenager war und zu Hair - auf VHS - den guatemaltekischen Huipil getragen habe ... war ein geteiltes Brötchen ungleich bestrichen mit eiskalter, salziger Butter. Darüber dann Nutella, wobei die Butter an einigen Stellen, und zwar genau an denen, an denen sie besonders großzügig aufgetragen war - kalte Butter lässt sich ja kaum streichen, daher war sie eher geschnitten - durch die Nutella durchscheinen musste. Und als krönender Abschluss: scharfe, schmackhafte, frische, grüne Chilischoten in Ringe geschnitten - mit Kernen natürlich."



Angestellte habe ich keine, aber eine Reihe Beziehungen. Wenn ich nun meine äußere Kommunikation auf intern übertragen würde, müsste ich mich ununterbrochen mit Wühlmaus, Federstößchen, Krokanttaler, Schneeweißchen, Purpurschneckchen, Zartbitter, Flöckchenpower oder Schöner Himmel ansprechen.

Hey du bekacktes, unreflektiertes Zwillingsmädchen. Schon die Schlange, Maria Daimler, Rudi Django Maria und Pancho vergessen? Multipel durch Geburtstermin im Mai/Juni. Bleib du mal bei deinem innerkommunikativen Höhenflug und scharfen Schokobrötchen. Und lass schlummern, was platt gewalzt da vor der Haustür ruht. – Mein Leben ist so schön, einfach und friedvoll. Ich kann mich nur immer wieder selber loben. Ich bin mein vorbildlicher Schmetterling, meine inspirierende Gelassenheit, meine Lust auf Leben. Mein Kommunikationsverhalten ist verhalten, aber auf ein umgängliches Gerüst gestützt, bald 40 Jahre gewachsen rund um die verschiedenen Seelen meiner gefüllten Brust. Würde ich mir jeden Tag selbst zu hören, meiner inneren Kommunikation Aufmerksamkeit schenken und Kommunikations- und Verhaltensmuster lautstark nach außen kehren, dann wäre Schluss mit der Gesellschaftsfähigkeit.

Pancho, das ist ja köstlich. Kurz beansprucht die Süße der Schokoladen sämtliche Geschmacksknospen, da mischt sich schon die salzige Komponente unter, so dass das empfindsame Verkostungssystem erst gar keine Chance hat, Langeweile zu verspüren. Denn von der Zungenspitze aus dringt unweigerlich die Schärfe vor. Nie aber wird sie zu dominant, sondern ergänzt den spannungsgeladenen Tanz zu einem süß-salzig-scharfen Balsam für die verschiedenen Seelen.


Text + Foto: Dirk Klaiber

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