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[kol_4] Pancho: Buenos Aires
Ein kulinarischer Streifzug im Zeichen des Teiges

Man kennt es nur zu gut: Die Sonne klettert langsam über die Dächer der Stadt, wärmt den Asphalt und seine Bewohner und erinnert diese daran, endlich mal aus dem Bett zu kriechen. Dann schlüpft man frisch geduscht in die Kleider und schon geht es hinaus über die Straße ins nächste Café. Morgens sind es Medialunas, die einen den Tag versüßen können. Quasi die argentinische Antwort auf französische Croissants. Und es gibt sie in zwei verschiedenen Varianten. Einmal die Medialunas de manteca und dann die Medialunas de grasa. Erstere also mit jeder Menge Butter im Teig, letztere haben stattdessen Fett bzw. Margarine an Bord. Das Problem ist: Sie schmecken einfach gut. Und die Schlingel in den Cafés haben immer Promociones und man bekommt zum (manchmal hervorragenden, manchmal auch fast englischen) Kaffee gleich drei von diesen kleinen Teigwundern auf den Tisch. Wunder deshalb, weil die argentinischen Croissants tatsächlich ziemlich schwer im Magen liegen können. Immerhin braucht man dann bis mittags nichts mehr. Eine ungeheure Zeitersparnis. Also liest man ein wenig in der Zeitung, plaudert mit dem Kellner über Fußball oder beobachtet einfach seine Umgebung, die immer spannend zu sein scheint.

Egal, ob man dann die kommenden zwei bis drei Stunden im Büro hockt, spazieren geht oder als Tourist vielleicht die eine oder andere Sehenswürdigkeit abfotografiert, erst pünktlich zur Mittagszeit sendet der Körper wieder eindeutige Hungersignale. Natürlich sind die Möglichkeiten mannigfaltig, sogar Sushi hat sich schon in die Hauptstadt verirrt, aber wir bleiben beim Teiggericht: Empanadas dürfen es diesmal sein.

Auch hier haben wir zwei Varianten im Angebot: Empanadas al horno oder fritas. Ofen oder frittiert. Das Schlimme daran: Beide Zubereitungsarten haben ihren Reiz. Und je nach dem, wo man die Dinger kauft, gibt es einige Füllungen nur in frittierter Form. Persönlich mag ich die Ofenexemplare lieber, aber das ist bekanntlich Geschmacksache. Ebenso übrigens wie die Füllungen. Denn man kauft und isst keine Empanadas wegen des Teigs, sondern wegen der Füllung. Klassisch ist natürlich die Rinderhackfüllung - wir sind schließlich in Argentinien. Aber auch Hühnerfleisch, Schinken und Käse, Thunfisch, Zwiebel und Käse oder Mais fehlen fast nie im Angebot. Hier scheint es keine Grenzen zu geben und die drei größten Ketten überbieten sich ebenfalls gerne mit Lockangeboten. Ab 12 Stück gibt’s dann schon mal drei extra oder ein Maxigetränk dazu - ebenso wie den obligatorischen Erklärzettel, damit man weiß, welche Füllung in welcher Empanada versteckt ist. Denn von außen sehen die Teighalbmonde nahezu identisch aus. Die Schlauen unter den Empanada-Köchen machen schon mal Eselsohren in die Ecken (mal eins, mal zwei, mal eins nach hinten, mal eins nach vorne geklappt) oder färben eine Ecke am Rand dunkel ein. Oder zwei oder drei. Irgendwie müssen die vielen Füllungen für den Kunden ja ersichtlich sein, zumal man Empandas auch gerne als Vorspeise mit mehreren Leuten verzehrt.

Wo es die besten gibt, muss man wohl oder übel selbst herausfinden. Die Ketten sind mal besser, mal schlechter, und die mit Abstand besten Empanadas macht noch immer die argentinische Großmutter. Aber da hat man als Tourist nicht immer die besten Karten: eine kennen zu lernen, die für einen auf Anhieb Empanadas in den Ofen wirft.

In jedem Falle kann man nach dem Verzehr gut gesättigt weiterziehen. Wer rein zufällig am Wochenende in Recoleta unterwegs ist, der sollte über den Markt an der Plaza Francia schlendern. Nicht etwa, weil einem da Kunsthandwerk feilgeboten wird, das man nur in den seltensten Fällen wirklich braucht, sondern weil es da als Zwischenmahlzeit das wunderbare Pan relleno gibt. Gefülltes Brot mit Tomaten-Käse-Füllung oder Fleisch. Manchmal auch mit Schinken und Käse. Und wenn die Männer mit ihren riesigen Bastkörben herumlaufen und die Tücher aufschlagen, dann duftet es so wunderbar, dass man eigentlich schon verloren hat und das warme Brot in eine Serviette gehüllt bereits zum Munde führt ehe man sich versieht. Und das ist wirklich ein Gedicht, zumal alles immer hausgemacht ist. Besser geht’s nicht. Leider sind die Pan-Relleno-Verkäufer nicht in der Stadt, sondern eher auf Märkten oder Freiluftveranstaltungen unterwegs. Sehr schade!

Abends hat man dann die Qual der Wahl. Aber: auch wenn die Argentinier noch zur Hälfte italienisches Blut in sich tragen, die Pizza ist maximal in Restaurants wirklich genießbar. Am Schlimmsten jedoch bei den Ketten, allen voran Zapi. Das einzig gute an dieser Pizza ist noch, dass sie wirklich warm aus dem Ofen kommt. Oder die Literflasche Bier, die man sich aus dem Kühlschrank holt. Egal, was euch irgendjemand raten sollte, weil ihr in der Stadt vielleicht gerade planlos umherirrt oder ihr vor Heißhunger zu krepieren droht: wenn ihr euch für eine Pizza entscheidet, dann nur für eine Margarita unter der üppigen Verwendung des Gewürzstreuers. Alles andere ist wirklich ungenießbar und hat eher schlechten Gummicharakter.

Also doch lieber zum Paty greifen. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als ein Hamburger. Den gibt’s ähnlich wie den Pancho (Februarausgabe 2006) an vielen Ecken in der Stadt. Vor allem natürlich zwischen zwei kleinen (teigigen) Weißbrothälften. Wenn er frisch gemacht ist, schmeckt der richtig gut.

Käse ist optional, ebenso wie die Soßen und Salat und Tomate. Aber wenn man schon mal dabei ist, kann man auch alles draufhauen, was der Laden zu bieten hat. Chimichurri, das feine Fleischgewürz, sollte man nicht vergessen. Wer’s dann noch scharf mag, der greift zum Löffel der salsa picante. Was genau da drin ist, erfährt man erfahrungsgemäß nie. Aber die Soße ist gerade zu vorgerückter Stunde immens wichtig, vertreibt sie doch die bösen Geister, die sich eventuell über den Alkohol in den Körper geschlichen haben könnten. Dann schmeckt sogar ein mittelmäßiger Paty noch annehmbar und man kann guten Gewissens und frisch gestärkt weiter um die Häuser ziehen.

Text + Fotos: Andreas Dauerer

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