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[kol_3] Hopfiges: Montseny NEGRA aus Katalonien
Irischmundendes Beisamensein
 
Konfrontiert mit der Frage, wann ich gedenke weitere bezaubernde, eigene Kinder um mich zu scharen, hab ich mir einfach mal so meinen alten müden Samen betrachtet.

Bislang hatte ich immer das Bild des unruhig agilen Gewusels im Sinn, das einmal losgelassen ohne Rücksicht auf Verluste vorprescht, dabei schnell auseinander bricht und sich verliert in zunächst unzählige Einzelkämpfer, von denen letztendlich nur einem einzigen der Akt der Vereinigung mit fruchtbaren Folgen gegönnt ist.

Dieses Bild mag auch durchaus vor langer Zeit Gültigkeit gehabt haben; mit dem Szenario, dass sich mir heute (45) bietet, hat es jedoch rein gar nichts mehr gemein.



Statt wie aus der Pistole geschossen, los zu eilen, mühen sich die Winzlinge wie bei der Tour de France auf den letzten Metern am Mont Ventoux in den provenzalischen Alpen. Das Feld ist weit auseinander gezogen und nur die unentwegt Asthmaspray inhalierenden sehen noch halbwegs spritzig aus. Die erste Verfolgergruppe leidet an Sodbrennen, dann keuchen die kurzatmigen heran. Schlusslicht bilden die an Rücken, Knie und Achillesferse lädierten, Seite an Seite mit den mit Defibrillator und Morphium ausgestatteten Hypochondern.

Schenken wir die Aufmerksamkeit den gedopten Samen. Den Übergang in die weibliche Welt schaffen sie noch reibungslos und streben scheinbar konzentriert dem Ziel entgegen. Aus den Augenwinkeln heraus bemerken sie dann links und rechts der Bahn Hinweisschilder, wie sie sich auf der Strecke zu benehmen haben. Nicht mit den Fingern knacken, nicht schmatzen, zuhören etc. Dann die erste Verpflegungsstation. Der schwarze Stärkungstrunk riecht lecker und schmeckt. Ein zweites Glas kann nicht schaden, denn der Weg ist unbekannt, die Entfernung nicht abschätzbar. Der erste wagt eine Anspielung auf die Gebote am Wegesrand. Man verquatscht sich, labt sich und fühlt sich irgendwie wohl unter Gleichgesinnten, die schon seit Jahren nicht mehr unter dem rastlosen Druck der Fortpflanzungs-Geisel leiden.

Wer verkostet denn da? Plötzlich entdecke ich mich inmitten der Vorhut. Ich lass mir gerade zum Glas die Flasche zeigen. Ah, ein Bier aus dem Hause Montseny in Katalonien namens La Negra. Ich bin gespannt. Gereicht wird das 5,2% vol. starke Schwarze in 0,33 Liter Flaschen. Ein Stout Ale in Anlehnung an die irische Brautradition mit vier Getreidesorten: Gerste, Weizen, Hafer, Roggen. Nahrhaft und belebend entnehme ich dem Etikett. – Das macht Sinn für die Jungs, die noch Großes vor haben.

La Negra erweist sich als eine echte Versuchung vor der Versuchung. So dunkel, dass kein Lichtstrahl hindurchscheint und fest in der Schaumbildung zeigt es im Glas sein beeindruckendes Äußeres. Dabei versprüht das Bier aus Montseny einen dezent süßlich bitteren Geruch. Schon mit dem ersten Schluck bin ich verfallen. Sehr angenehm. Sehr bitter. Dann süffig. Die ausgeprägten Röstaromen rasen die Kehle hinunter, ohne auch nur den Hauch eines unangenehmen malzigen Nachgeschmacks zu hinterlassen. Ein Bier, das ich ab sofort zum ständigen Urlaubs-Begleiter erkläre.

Bewertung Montseny NEGRA

1. Hang over Faktor
(4 = kein Kopfschmerz):
2. Wohlfühlfaktor (Hängematte)
(4 = Sauwohl):
3. Etikett/Layout/Flaschenform
(4 = zum Reinbeißen):
4. Tageszeit Unabhängigkeit
(4 = 26 Stunden am Tag):
5. Völkerverständigung
(4 = Verhandlungssicher):

Text + Foto: Dirk Klaiber

P.S.: Vielleicht hat ja beim irischmundenden Beisamensein doch noch der ein oder andere Samen den Absprung geschafft oder wird gar zu fruchtigen Überraschungen beitragen. Falls nicht, bin ich sicher, dass es beim nächsten Mal mit ein wenig Unterstützung von Cuba Libre klappen sollte.


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