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[kol_2] Traubiges: Zwei Meisterwerke in einem
Niepoort Fabelhaft ‚Maueredition’ 2012
 
Vielleicht ist es noch ein bisschen früh, um auf das Mauerfall-Jubiläum am 9. November hinzuweisen. Aber da sich dieses einzigartige Erlebnis der deutschen Geschichte dann zum 25. Mal jährt, kann man es eigentlich gar nicht früh genug ankündigen. Denn in diesem Jahr handelt es sich dabei um ein wahrhaft fabelhaftes Jubiläum.

Fabelhaft, weil Dirk van der Niepoort, einer der umtriebigsten und experimentierfreudigsten Winzer Portugals, extra dafür eine Sonderedition aufgelegt hat. Niepoort ist eine so schillernde Figur in der internationalen Weinwelt, dass sich ein kurzer Blick ins Internet lohnt: Da heißt es, dass er Ende der 1980er Jahre in fünfter Generation begann, das bald 200 Jahre alte Traditionshaus (bis dahin eines der kleinsten, aber feinsten Portweinhäuser Portugals) mitzuführen. Die Erfahrungen seiner vorherigen Lehr- und Wanderjahre in vielen Teilen der Welt seien die Basis für den innovativen und unkonventionellen Weinstil, den er dort fortan umgesetzt hat.

Fakt ist, dass er schon bald zu einem der erfolgreichsten Winzer des Landes wurde: „Niepoort räumt nicht nur beim Port auf, er produziert wohl auch Portugals beste Tischweine“, schrieb die Fachpresse schon vor zehn Jahren. Mit seinem Debütjahrgang der ‚Fabelhaft’-Serie trat Dirk van der Niepoort zudem den Beweis an, dass er das komplette Repertoire vom preislich kleinen Einstiegswein bis hin zur raren Spitzen-Cuvée beherrscht. Heute bietet kaum ein anderer Weinmacher Jahr für Jahr eine solch umfassende Produktpalette an. Der „Wine Spectator“ verglich die Rolle von Niepoort einmal mit der des Champagnerhauses Krug: klein, aber fein, von einer Qualität, wie sie nur wenige Produzenten erzeugen.

Aber genug der Lorbeeren – hier geht es um Wein, genauer gesagt um die Niepoort Fabelhaft ‚Maueredition’ 2012: Die Trauben für dieses geschmeidige Gewächs wurden im September 2012 von ihren zehn bis vierzig Jahre alten Reben von Hand gelesen, in Edelstahltanks und in Barrique-Fässern aus französischer Eiche vergoren und 25 Prozent des Weines wurden zur Reifung in gebrauchte Barriques (500 Liter-Fässer und 3000 Liter-Holzfuder) gelegt.

Das Ergebnis ist absolut bemerkenswert: Niepoort ist ein hervorragender Wein gelungen, der die Komplexität, die Mineralik und die Tiefe der klassischen Gewächse aus dem Douro-Tal (gleich drei autochthone Rebsorten) spiegelt. Der Wein lockt mit einem tiefdunklen Purpur im Glas, in der Nase dominieren florale Nuancen und eine schöne Prise Pfeffer. Auch am Gaumen zeigt diese kultige Cuvée ihre Stärken: sanfte, gut integrierte Tannine und spannende Fruchtaromen von dunkler Kirsche über Schokolade bis hin zu Anklängen an Kräutern, das Ganze ausbalanciert mit einer feinen Säure. Die Zeit im Holz gibt dem Wein Struktur und verleiht ihm eine angenehm elegante Note. Der Nachhall ist prägnant, frisch – und macht vor allem Lust auf mehr!

Das ist aber noch nicht alles – denn was diesen Wein außerdem so besonders macht, ist sein Etikett. Niepoort hat einen Grafiker den historischen Moment des Mauerfalls meisterlich inszenieren lassen: Mit berühmten Mauerbildern wie dem „Bruderkuss“ zwischen Honecker und Breschnew oder dem Trabi, der die Berliner Mauer durchbricht, ehrt er dieses einzigartige Ereignis in der deutschen Geschichte.

Ein Wein, der Geschichte schreibt!

Text + Foto: Lars Borchert

Über den Autor: Lars Borchert ist Journalist und schreibt seit einigen Jahren über Weine aus Ländern und Anbauregionen, die in Deutschland weitestgehend unbekannt sind. Diese Nische würdigt er mit seinem Webjournal wein-vagabund.net. Auf caiman.de berichtet er jeden Monat über unbekannte Weine aus der Iberischen Halbinsel und Lateinamerika.

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