stammen könnte, eröffnen ein Album, das für Matias Aguayo eher untypisch ist. Der in Santiago geborene und bei Köln aufgewachsene Chilene war auch zuvor schon ein Grenzgänger zwischen den Stilen, vor allem aber in der elektronischen Musik unterwegs, nicht zuletzt als DJ und Labelchef. Was er nun mit seiner Begleitband
als Sänger und Perkussionist eingespielt hat, hat zwar manchmal auch starke elektronische Einflüsse, dann aber aus der düsteren EBM der 1980er Jahre.
Wenn man sich in der Indie-, Dark- und Gothic-Szene der 80er auskennt, kommt einem dieses Album, das sich um Ereignisse in der fiktiven Stadt "Sofarnopolis" dreht, wie eine gelungene Kollektion von Gruppen aus jener Zeit vor. Es treten u.a. auf: Peter Murphy (
Bauhaus), der seinen Sprechgesang mit den onomatopoetischen Spielereien eines George Kranz kombiniert, dazu Drum-Machine und Percussion ("I was a star"); computertechnische Spielereien à la
Kraftwerk (Computerwelt) mit gespenstischer, gefilterter Stimme zu 80er-Wave-Synthie-Musik ("Nervous"); der schwere Bass von
The Neon Judgement aus der 80er Indie-Disco ("Cold fever"); die Stimme von Marc Almond (
Soft Cell) zur Musik der frühen
New Order ("Supreme"); EBM-Bands wie
Front 242 oder
Cassandra Complex ("Vocal Arranger"); ein wenig "Masimbabele" von
The Unknown Cases, gepaart mit
Love & Rockets ("Boogie Drums");
Joy Division gemixt mit psychedelischem Gesang von
Pink Floyd oder
The Charlatans ("Amiga"); schließlich der düstere Minimalismus von
Bohren & der Club of Gore mit Sprechgesang ("Antidoto").
In "After love" schleichen sich Bläsersätze in den Cure-Bass (das gab es in den 80ern selten), die dann sehr schräg werden. Die Begriffe auf dem Waschzettel "vielschichtiges Konzeptalbum", "diffuse Postpunkerinnerungen", "Twin Peaks-haft" gehen in Ordnung, "komplexe Hörerfahrung", "Improvisation", "Leichtigkeit" finde ich hingegen hier selten oder gar nicht. Aber es ist ein ganz hervorragendes Düster-Pop-Elektro-Album, das aus Matias Aguayos Teenagerzeit resultiert, während der er wohl auch häufig in einer Indiedisco im Großraum Köln war! Bleibt nur die Frage: In welcher?
Text: Torsten Eßer
Cover: amazon
[druckversion ed 09/2017] / [druckversion artikel] / [archiv: lauschrausch]