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[kol_2] Amor: Bürgermeister gegen Bordellbesitzer
Auf der Suche nach dem Sündenbock

São Paulo stand unter Schock. Am 17. Juli schlitterte ein Airbus der Airline TAM über die regennasse Piste des Flughafens Congonhas hinaus und krachte in ein Logistikcenter. 199 Menschen starben.

Hektisch begann von allen Seiten die Suche nach einem Sündenbock. Als dann wenige Tage nach dem Unglück ein Pilot im Fernsehen berichtete, dass der Anflugwinkel auf Congonhas durch einen Hotelneubau rund 600 Meter vor dem Pistenkopf entscheidend verändert würde, da man den Flughafen wegen des Hotels steiler anfliegen müsse und sich somit die Landebahn um 130 Meter verkürze, hatte man ihn gefunden.



Das Hotel müsse abgerissen werde, erklärte São Paulos Bürgermeister Gilberto Kassab umgehend. Dabei blieb unerwähnt, dass die Unglücksmaschine der TAM den Flughafen vom anderen Ende der Piste angeflogen war, das Hotel also gar keinen Einfluss auf das Unglück haben konnte.

Doch das spielt jetzt keine Rolle mehr. Für die Politik ist der Abriss von "Oscars Hotel" beschlossene Sache. Ist der Hotelbesitzer doch seit eh und je ein Dorn im Auge der politischen Klasse São Paulos: Oscar Maroni, Betreiber des Edelpuffs Bahamas, ewige Reizfigur mit provokanten Gesten und verrückten Ideen. Mit 1.500 Frauen prahlt der Veranstalter des ersten und einzigen "Miss Nutte Brasilien" Wettbewerbs angeblich bereits Sex gehabt zu haben, und gerne gibt der glatzköpfige Unruhestifter Sätze wie "ich bin zwar unmoralisch, zahle aber meine Steuern" von sich. - Letzteres zweifelt die Staatsanwaltschaft allerdings schon lange an.

Nach eigenen Angaben hat Maroni seit 1999 gut 27 Millionen Dollar in den 11-stöckigen Hotelbau gesteckt, der direkt neben dem Bahamas errichtet wurde und nahezu bezugsfertig ist. Beide Gebäude sind durch einen Gang miteinander verbunden, so dass die männlichen Gäste des Klubs direkt mit ihren Kurzzeitbräuten hinauf in die Luxussuiten verschwinden können.


Maroni verfügt über Baugenehmigungen, die er gerne in die Fernsehkameras hält, ebenso wie die Unbedenklichkeitserklärung der Luftwaffe. Die maximale Höhe für Gebäude in der Region liegt bei 47,50 Metern. Das Hotel misst genau 47,39 Meter, gemessen von Experten der Luftwaffe, so der Anwalt von Maroni.

Doch der Bürgermeister bezweifelt, dass Maroni Baugenehmigungen und Unbedenklichkeitserklärung auf rechtmäßigen Wegen erlangt habe. Bestochen haben soll er Beamte und ihnen freie Nutzung des Bahamas und dessen Dienstleistungen zugesichert haben.

Was nun folgte, war ein Streit über die Gültigkeit der Genehmigungen zwischen Bürgermeister, Baubehörde und Justiz auf der einen und Maroni und seinen Anwälten auf der anderen Seite. "Es ist schon nicht mehr der Kampf des Unternehmers Maroni gegen den Bürgermeister Kassab. Jetzt heißt es Herr Oscar Maroni gegen Herrn Gilberto Kassab", beschreibt Maronis Anwalt den mit harten Bandagen geführten Zweikampf.


Dann beging Maroni einen dummen Fehler, auf den seine Gegner nur gewartet haben. Er gab ein langes Interview in einem brasilianischen Sender und erzählte freimütig, dass das Bahamas ein Ort der Luxus-Prostituition sei. Zwar ist das Bahamas stadtbekannt als einer der teuersten Puffs, doch offiziell hat der Klub nur eine Genehmigung als "Bar, Restaurant und Bad".

Kurzerhand schloss man das Bahamas und das angrenzende Hotel, versperrte den Zugang durch dicke Betonklötze und verhängte einen Haftbefehl gegen Maroni. Eine Woche lang versteckte der sich vor dem Zugriff der Polizei, doch schließlich fasste ein Sonderkommando ihn auf der Feuertreppe seiner Luxussuite in São Paulo. Im Pyjama.

Nun sitzt Maroni in U-Haft ohne Sex. Was aus seinem Hotel wird, ist unklar. Derweil beschweren sich die Prostituierten anderer Klubs über die unhaltbare Situation. Die arbeitslosen Mädels des Bahamas würden in ihre Reviere drängen und den Markt mit Dumping-Preisen kaputt machen.



Die Situation wirklich genießen kann momentan nur ein einsamer Angestellter, der auf Oscars Hotel aufpasst. Gerne stelle er sich ganz oben auf die Wassertanks des Hotels und schaue über die Stadt. Hier oben, so meint er, herrsche absoluter Frieden. Daneben flattert die brasilianische Flagge zu dem Dröhnen der Düsenjets.

Text + Fotos: Thomas Milz