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[kol_1] Erlesen: Pata negra vs. Schwarzer Mohn
 
Der Juli war erlesenstechnisch ein echter Reinfall. Zunächst kämpfte ich mich durch Pata Negra von Eduard Freundlinger. Außer dem Titel war an dem Krimi so gar nichts prickelnd. Zwei Brüder aus Bayern reisen nacheinander in das selbe *****Hotel in einem südspanischen Küstenort. Der erste wird vergiftet, der zweite klärt auf. Er ist damit Protagonist, entpuppt sich aber leider als furchtbarer Langweiler.

Pata Negra
Autor: Eduard Freundlinger

Taschenbuch: 432 Seiten
Verlag: Piper (November 2012)
ISBN-10: 3492301118 / ISBN-13: 978-3492301114



Seine Gefühle kreisen um sein noch nicht abgeschlossenes Priesterseminar, den bekannten unbekannten Bruder und die von Schicksalsschlägen gezeichnete Rezeptionistin, wobei aber keinerlei interessante, konfliktgeladene Auseinandersetzung mit den christlichen, melancholischen und lüsternen Gedanken entsteht. Vielleicht hätte ihm zusätzlich die Deppenrolle ein wenig Sympathie einbringen können. Doch diese schreibt der Autor der andalusischen Kleinstadt-Polizei zu, die noch weniger als gar nichts von ihrer Arbeit versteht. Witz und Spannung mag dadurch in das dahinplätschernde Drama jedoch keinen Einzug halten.

Fazit: Ich hätte, anstatt auf den Titel, auf das an Hässlichkeit kaum zu überbietende mit Schinken-Stillleben bebilderte Cover achten sollen.


Froh, die Pata Negra endlich zur Seite legen zu können, nahm ich mit riesigen Erwartungen Schwarzer Mohn zur Hand. Das Erstlingswerk Daniel Vázquez Sallés, Sohn des brillanten Manuel Vázquez Montealban. Schöpfer der Kultfigur Pepe Carvalho.

Gleich zu Beginn nährt sich die Hoffnung, dass das Genie aus Katalonien in seinem eigen Fleisch und Blut weiterlebt: In einem kleinen exquisiten Restaurant in Barcelona beschwört ein ungebetener Gast in Windeseile die dunkle Vergangenheit des phänomenalen Kochs herauf.

Schwarzer Mohn
Autor: Daniel Vázquez Sallés

Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe (August 2007)
ISBN-13: 978-3404-92265-9



Doch das war’s schon mit der Herrlichkeit: Nur wenige Seiten später folgt die schmerzliche Einsicht, dass Daniel bei weitem (noch) nicht an seinen Papa in Sachen Idee, Spannung, Melancholie, Sprachwitz und vor allem Genialität seiner Figuren heranreicht.
Er vermittelt platte Lebensweisheiten:

Elena meinte zwar, dass wir jetzt frei von der Vergangenheit wären, aber Elena ist noch sehr jung, und im Laufe der Jahrzehnte wird auch sie begreifen, dass man sich von seiner Vergangenheit niemals frei machen kann.

Und versucht sich an Philosophischem – muss aber, wohl selbst schon ahnend, dass Papa Manuel in anderen Sphären schreibt, zum stilistischen Mittel der gegenseitigen Beweihräucherung seiner Charaktere greifen:

Die Macht ist wie ein Fluss, der sich vor jedem Hindernis verzweigt, um auf vielen Wegen ins Meer zu münden. – Sagt der Böse, während er den Guten und einstigen Weggefährten aus Geheimdienstzeiten der Folter aussetzt.

Curtis’ Philosophische Sentenz gefiel mir. – Denkt im nächsten Satz der Gute mitten im Todeskampf über die Worte des Bösen.

Schon nach drei winzigen Zitaten drängt sich der Gedanke auf, dass der Thriller an der Qualität der Übersetzung leide. Bilder wie das folgende jedoch lassen Gegenteiliges vermuten, zumindest wird offensichtlich, dass die beiden Übersetzer keine alleinige Schuld tragen:

Mit dem Lauf meiner P7 zeichnete ich Curtis Gestalt, die jetzt in einer Lache aus weißen und roten Blutkörperchen schwamm [...] nach.

Zuviel Pommes rot-weiß verdirbt den Schreibstil – und das in Barcelona.

Was sonst noch passiert: Barcelona hat als Schauplatz nach der ersten Kampfhandlung des Kochs ausgedient. Es folgt eine Jagd durch Frankreich und Deutschland mit Abstechern in das Russland zum Ende des Kalten Krieges. In München schließlich killt der Koch den Kopf seiner Widersacherbande, den Kleinphilosophen Curtis. Und rettet damit nicht nur sich, sondern vor allem Tochter Elena das Leben. Was der Koch bis zuletzt nicht wusste: Der ungewollte Gewalttrip in die Vergangenheit war von unsichtbarer Hand inszeniert.

Fazit: Das geht einfach nicht. Hinrichtungen, bei denen lustige Lieder strophenweise zitiert werden wie Those were the days, my friend. Trug und Verrat mit Tod und Folter, der nach den ersten zehn Zeilen von Just like a woman versöhnlich in Vergessenheit gerät. Das ganze Lieder und Gedichte zitieren gepaart mit einem langweiligen und schlechten Stil und einer mäßigen Story. Das geht einfach nicht.

Somit war der Juli 2013 erlesenstechnisch ein echter Reinfall. Und bevor ich jetzt anfange durch das Zitieren von kölschen Karnevalsliedern, den Ernst der durchlebten sommerlichen Kriminal-Roman-Lage aufzuweichen, mach ich’s kurz: Nicht kaufen.

Text: Dirk Klaiber
Foto: amazon

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