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[kol_2] Grenzfall: Warten auf den Papa
 
Obama war schon da, Paul McCartney auch und die Rolling Stones seit den 60ern immer mal wieder. Jetzt besucht auch Papst Franziskus das hippe Rio de Janeiro, bekanntlich die schönste Stadt der Welt, wie ihre Einwohner bestätigen werden.

Zusammen mit dem heiligen Vater kommen noch zwischen ein und drei Millionen Gläubige, die Ende Juli in Rio den Weltjugendtag feiern wollen. Es wird eng in der Stadt am Zuckerhut, bis zu 50.000 Autobusse (*Angabe des Organisationskomitees des Weltjugendtags) aus ganz Lateinamerika werden erwartet. Derzeit überlegt man noch, wo man die alle parken lässt.

Um dem apokalyptischen Verkehrsgau zu entkommen, hat Rios Bürgermeister seinen Untertanen frei gegeben – das hätte sich auch schon während des ConFed-Cups bewährt, hätten die ewigen Demos nicht den Verkehr komplett zum Erliegen gebracht. Nun also schon wieder frei – dabei hatte sich Rio doch derart bemüht, den Ruf als “Seebad” abzulegen. Rio sei keine Stadt, sondern ein Spa, sagen die arbeitswütigen Paulista, die Einwohner São Paulos. Sicher nichts als purer Neid ob der vielen Feiertage.

So freuen sich die katholischen Cariocas, also die Bewohner Rios, auf den Papst, während alle anderen eine Woche Ferien machen. Sicherlich werden viele aus Rio fliehen, jagt doch ein Event das nächste in der feierlichen Woche vom 23. Bis 28. Juli. Die größten davon an der Copacabana, wo zu zwei zentralen Akten mit dem Papst jeweils bis zu zwei Millionen Menschen erwartet werden.

Noch mal größer soll die Abschlussmesse werden, die im äußersten Westen von Rio im Stadtteil Guaratiba stattfindet. Hier sollen über zwei Millionen Menschen teilnehmen, wobei die letzten 13 Kilometer bis zu dem riesigen Feld zu Fuß zurückgelegt werden müssen. Eine wahre Probe für die Festigkeit des Glaubens und des Schuhwerks.

Unterkommen werden die katholischen Massen in Schul- und Unisporthallen sowie Gemeindesälen. Zudem haben Hunderttausende ihre Wohnungen zur Verfügung gestellt, um die Gäste aus dem In- und Ausland zu beherbergen. Das größte Besucher-Kontingent soll dabei aus dem Nachbarland Argentinien kommen, der Heimat des neuen Papstes. Dass ausgerechnet ein “hermano” statt eines Brasilianers Papst wurde, hatte zuerst geschmerzt. Doch jetzt freuen sich eigentlich alle auf den freundlichen Herren aus dem Vatikan.

Angst hat man eher vor den Kickern aus seiner Heimat. Er werde sich umbringen, sollte Argentinien im Juli 2014 im Maracanã-Stadion von Rio Weltmeister werden, hatte Rios Bürgermeister Eduardo Paes zuletzt von sich gegeben. Daraufhin sollen viele der Cariocas spontan angefangen haben, den Nachbarn die Daumen zu drücken. Doch wirkliche Gefahr besteht wohl eher nicht. Zwar mag der Papst Argentinier sein, Gott aber ist immer noch Brasilianer.

Text + Foto: Thomas Milz

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