suche



 


[art_1] Mexiko: Salud! Auf das Leben: Lila Downs
Liebe, Leid und Tequila - Musik wie das Leben Frida Kahlos

"Lila, divina de mi alma y corazón. Con tu poderosa y cósmica voz haces vibrar el alma de quien tiene la suerte de poderte escuchar.” – "Lila, Göttliche meiner Seele und meines Herzens. Mit deiner gewaltigen und kosmischen Stimme lässt du die Seelen der Menschen erbeben, die das Glück haben, dich zu erleben." So bewundernd und blumig äußert sich eine Anhängerin der mexikanischen Sängerin Lila Downs in einem Internet-Fanchat. Die Verehrerin selbst stammt aus Tijuana, einer der Großstädte Mexikos direkt an der Grenze zu den USA gelegen. Die Millionen-Stadt ist nicht nur berühmt-berüchtigt für ihre Maquiladoras genannten Niedriglohnbetriebe, Prostitution in allen Ecken und dem ausufernden Drogenhandel. Vor allem versuchen von hier aus tagtäglich hunderte Latinos, illegal über die Grenze in die USA zu gelangen – in der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben.



Vor diesem Hintergrund könnte die Verfasserin dieser Zeilen auch selbst zu den Menschen gehören, wie sie Lila Downs in ihren Liedern besingt. Darin geht es um die Identität der mexikanischen Indios, die menschliche Würde und um Menschen im Abseits. Lila Downs hat einen scharfen Blick für Leid, Ungerechtigkeit und politische Missstände. Dabei fühlt sie aus ganzem Herzen mit den Personen, die sie mit ihrer kräftigen, vollen Stimme würdigt. "Wir alle haben eine Verantwortung für unsere Mitmenschen", sagt sie im Gespräch mit Caiman.de. "Alle verdienen unseren Respekt, egal was sie sind und woher sie kommen."

Ihre neue CD heißt "La Cantina – Entre Copa y Copa …", was soviel bedeutet wie "Das Wirtshaus – Ein Glas nach dem anderen …". Darin besingt sie Frauen, die vor der Zwangsheirat fliehen und beim Table Dance enden, wie "La Teibolera". Oder einsame Mafiosi, die zwar Geld und Macht aber keine Freunde haben ("El Centenario"). Es geht also um Liebe, Leid und Tequila. Dabei ist ihre Musik alles andere als traurig. Es ist Tanzmusik, meist fest in dem Erbe lateinamerikanischer Rhythmen verankert. Aber immer wieder mit Anlehnungen an Rock, Jazz oder Reggae, wie die englische Version des Albumopeners "La cumbia del mole" zeigt. Die "canciones rancheras", die sie in "La Cantina" vor allem interpretiert, sind Volkslieder, die man gewöhnlich in mexikanischen Tanzbars hört. Die Ranchera ist mit dem portugiesischen Fado oder dem Blues vergleichbar: gefühlvoll, oft wehklagend und immer mit emotionalem Tiefgang. "Mein Leben war nie einfach", sagt Lila Downs. "Aber meine Mutter ist eine sehr demütige Frau. Von ihr habe ich gelernt, den Schmerz als das zu akzeptieren, was er ist: ein Teil unseres Lebens."

Lila Downs kennt das Leben auf beiden Seiten der mexikanisch-amerikanischen Grenze: Geboren 1968 als Ana Lila Downs Sanchez, Tochter eines Amerikaners mit schottischen Wurzeln, Allen Downs, und einer Mixteken-Indianerin namens Anita Sanchez wächst sie vornehmlich in der Provinz Oaxaca, aber auch in Minnesota und Südkalifornien auf. Sie studiert eine zeitlang Musik und Anthropologie an der Universität von Minnesota, macht eine Ausbildung zur Opernsängerin, die sie abbricht. Sie tingelt lieber durch die Gegend. Zeitweise wendet sie sich ganz vom Singen ab, um dann die Musik als Schlüssel zu ihrer indigenen Herkunft wieder zu entdecken. Anfang der 90er Jahre lernt sie den amerikanischen Musiker, Jongleur und Clown Paul Cohen kennen, mit dem sie auf der Straße, in Clubs und Hotels in Oaxaca und Philadelphia auftritt. Die beiden, auch privat ein Paar, entwickeln eine ganz neue Mischung aus indigenen Musikformen, mexikanischen Volksliedern, westlicher Musik und klassischem Gesang. Tourneen führen sie durch viele Länder Amerikas und Europas. Ihren internationalen Durchbruch hat Lila Downs durch die Mitwirkung in dem Oskar-gekrönten Film "Frida" über das Leben der Malerin Frida Kahlo. Für dessen Soundtrack steuerte sie einige Lieder bei. Dabei erinnert sie mit ihrem Äußeren selbst sehr an die berühmte Malerin: lange, dichte schwarze Haare, ausdrucksstarke, dunkle Augen sowie farbenfrohe, indianisch anmutende Kleidung.

Mit "La Cantina" beweist Lila Downs aufs Neue, dass sie neben ihrem unglaublichen Stimmumfang eine extrem wandelbare Stimme hat. Sie singt in mehreren Sprachen und interpretiert die Lieder stets ausgesprochen außergewöhnlich: mit Leidenschaft und Stolz, Witz, Aggression oder Melancholie und dennoch Zuversicht.

Die komplexen Arrangements ihrer Lieder erklärt sie damit, dass sie schon als kleines Mädchen am liebsten Jazz, insbesondere John Coltraine und Billie Holiday, gehört habe. Dabei scheinen Lila Downs Ausdrucksmöglichkeiten unbegrenzt und schließen auch die gehaucht-gesungene Verzweiflung ein, mit der Lhasa bekannt wurde. An anderen Stellen wiederum erinnert ihr Stil an Sade. Seien es neue Interpretationen von Liedern Woody Guthries, Eigenkompositionen oder Volkslieder wie "La Bamba" und "La Cucaracha", in ihren Liedern lässt Lila Downs die Musik Mexikos immer wieder in einem neuen Licht erstrahlen.

Experten für lateinamerikanische Musik erklären ihren Erfolg mit dem Dreiklang aus eingängigen Melodien, die – so komplex sie auch sein mögen – fast schon Ohrwurm-Format haben, den sehr eigenen, sozialkritischen Texten und der internationalen Popularität, die sie mit dem Frida-Film erreicht hat. Ihre Veröffentlichungen haben schon lange die Basis, um erfolgreich zu sein: Weltweite Konzerte, eine überaus professionelle Promotion, der Soundtrack zum Frida-Film, ein Grammy in der Kategorie Folk, all dies haben andere Künstler aus Mexiko nicht. Außerdem sorge auch ihr außergewöhnlicher Lebenslauf für große Aufmerksamkeit in der Weltmusik-Fangemeinde. Natürlich gibt es auch andere Sängerinnen in dieser Region, die ähnliche Crossover-Arrangements mit sozialkritischen Texten singen. Aber denen fehlt die interessante Lebensgeschichte und die äußere Ähnlichkeit mit Frida Kahlo.

Lila Downs ist sich der Wichtigkeit des Frida-Films für ihren internationalen Erfolg durchaus bewusst. "Er war eine Art Sprungbrett für mich", betont sie. Das war im Jahr 2002. Als sie 2000 auf der Expo in Hannover sang, seien nicht einmal hundert Leute zu ihrem Konzert gekommen. Sie habe viel und hart arbeiten müssen, um bekannt zu werden. Um das auszuhalten, habe ihr aber mehr als ein Hollywood-Film vor allem ihre Herkunft geholfen: "Ich bin Mixtekin", sagt sie, "wir geben nicht so schnell auf."

Text: Lars Borchert
Fotos: peregrinamusic.de

Tourdaten
02.07. Mannheim - Feuerwache
05.07. München - Tollwood Festival (mit Omara Portuondo)
06.07. Ludwigsburg - Schlossfestspiele
07.07. Loerrach - Stimmen Festival
08.07. Rudolstadt - TFF
10.07. Düsseldorf - ZAKK
12.07. Bregenz - Seelax
30.07. Bad Wildungen - Folk im Schloss
01.08. Frankfurt - Palmengarten