caiman.de 07/2005
[art_2] Peru: Organisierte Jungunternehmer mit Bauchladen
Angestrengt runzelt David die Stirn und rechnet seine Rate aus. Drei Euro und 75 Cent muss er umgerechnet zurück zahlen. Der elfjährige hat einen Kredit aufgenommen um sein eigenes Geschäft zu gründen. Er ist einer der unzähligen ambulantes, fliegende Händler, die in Lima an jeder Ampel und jeder Straßenecke Softdrinks, Bonbons oder Kekse verkaufen. David will mit selbstgemachtem Eis, marcianos, zu Deutsch Marsmenschen, sein Glück versuchen. Um sein Darlehen von 40 Euro zu bekommen, musste David bei der Hilfsorganisation IFEJANT einen Geschäftsplan vorlegen: Geschäftsidee, Marktstudie, Kostenrechnung. Darüber beriet er sich mit Lady.
Kinderarbeit, das ist eine zweischneidige Sache. Am 12. Juni wird der internationale Tag gegen Kinderarbeit begangen, und im Westen ist man sich darüber einig, dass Kinder nicht arbeiten, sondern zur Schule gehen und spielen sollten. Doch die Realität sieht in den Entwicklungsländern anders aus. Ohne die Mithilfe der Kinder können viele Familien nicht überleben. "Einfach nur gegen Kinderarbeit zu sein, dass ist scheinheilig", sagt Elvira von IFEJANT. "Wer etwas gegen Kinderarbeit tun will, der muss dafür sorgen, dass die Eltern so gut bezahlt werden, dass sie auf das Einkommen ihrer Töchter und Söhne nicht angewiesen sind", sagt Elvira Figueroa. "Und solange das nicht der Fall ist, können wir nur dafür sorgen, dass die Kinder unter möglichst guten Bedingungen arbeiten." Wichtig ist der von der Deutschen Kindernothilfe unterstützten Organisation deshalb vor allem, dass die Kinder ihr Geschäft durchschauen.
Heute schneidet Elvira ein besonders wichtiges Thema an: Wie behauptet man sich gegen die große Konkurrenz? "Preise senken", kommt es wie aus der Pistole geschossen. "Festen Kundenstamm aufbauen", sagt Milena. Sie verschenkt zu jeder Cola, die sie verkauft, ein Bonbon. David führt Strichlisten: Wer zehn marcianos gekauft hat, bekommt ein weiteres geschenkt. Wichtig auch: Lächeln und ein freundliches Auftreten, ordentliche Kleidung, saubere und hygienische Bauchläden. Die Kinder haben sich in der "Bewegung der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Perus", kurz NAT’s, organisiert. Lady leitet die Ortsgruppe "Siempre independientes Immer unabhängig". "Wir treten für unser Recht auf Arbeit ein", erklärt die junge Präsidentin selbstbewusst. "Und wir verlangen, von unseren Eltern nicht ausgebeutet zu werden." Darunter versteht sie, nicht mehr als vier bis sechs Stunden pro Tag arbeiten zu müssen, damit genug Zeit für die Schule bleibt. Lady ist sehr gespannt zu erfahren, was Kinder denn in Deutschland so arbeiten. Das Kinderarbeit in manchen Ländern verboten ist, findet sie ungeheuerlich. "Wie sollte ich denn dann meine Schulhefte bezahlen?", fragt sie. Ihr Geschäft läuft inzwischen gut, Gewinne investiert sie in ein besseres Sortiment und bald will sie anfangen, etwas zurück zu legen. Ob es reichen wird um zu studieren, um ihren Traumberuf Ärztin zu erlernen?
Bis vor einem Jahr wurde den Kindern ihr Startkapital geschenkt. Doch das hat sich nicht bewährt, schon deshalb, weil oft die Eltern das Geld einforderten um es in Bier umzusetzen. Gemeinsam mit den Kindern wurde entschieden, nur noch Darlehen zu vergeben. Die Rückzahlung klappt bislang reibungslos, vielleicht auch, weil die Kinder merken, dass man sie ernst nimmt, ihnen etwas zutraut. David jedenfalls präsentiert stolz das passend abgezählte Geld für seine erste Rückzahlung. Zufrieden betrachtet er Elviras Unterschrift in seinem kleinen Kreditheft. "Wenn das so weiter läuft, dann hab ich irgendwann meinen eigenen Laden." Text: Katharina Nickoleit Fotos: Christian Nusch Tipp: Katharina Nickoleit hat einen Reiseführer über Peru verfasst, den Ihr voraussichtlich ab dem 01.12.2009 im Reise Know-How Verlag erhaltet.
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