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[kol_2] Ausstellung: Inka - Gold. Macht. Gott.
3.000 Jahre Hochkultur
 
Für die Inka waren es „Perlen der Sonne“, die Spanier sahen nur den materiellen Wert. Während Gold für die Inka und ihre Vorgängerkulturen ausschließlich rituellen Charakter besaß und nur höchsten Herrschern und Priestern vorbehalten war, strebten die spanischen Conquistadores nach schnellem Reichtum. Erzählungen von einem sagenhaften „El Dorado“ hatten sie an das andere Ende der Welt gebracht. Der Mythos des Inka-Goldes hat in dieser Unversöhnlichkeit zweier Wertesysteme ihren Ursprung.

Nach „InkaGold“ (2004/2005) nimmt das Weltkulturerbe Völklinger Hütte erneut und mit neuen Exponaten die faszinierenden Hochkulturen der Inka- und Vor-Inka-Zeit in den Blick.


Foto 1
Goldener Kopfschmuck mit Raubkatze, Schnabel und Vogelfedern

Chimú-Kultur, 1.100 bis 1.470 n. Chr.
Höhe 25 cm
Larco Museum Peru

Copyright: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel


Die Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“ zeigt in 220 einzigartigen Exponaten die Faszination der alten peruanischen Hochkulturen und ihr Aufeinandertreffen mit der europäischen Kultur des 16. Jahrhunderts. Der Kern-Bestand der Exponate stammt aus dem Larco Museum, Lima und Cusco, das die größte Privatsammlung altperuanischer Kunst weltweit besitzt.

„Inka – Gold. Macht. Gott.“ ist eine Ausstellung mit herausragenden Exponaten zur Kultur der Inka und ihrer Vorgänger-Kulturen, die in dieser Form und Zusammensetzung zum ersten Mal zu erleben ist. Sie zeigt die Kultur der Inka und ihrer eroberten Reiche und Vorfahren. Die Inka sahen ihre Vorgänger-Kulturen als ihre Lehrmeister an. Zu sehen sind die berühmten Goldexponate der Moche, die meisterhaften Metallarbeiten der Chimú, aber auch herausragende Textilien und Keramik. Das Gebiet der Inka umfasste das Territorium aller dieser Vor-Inka-Kulturen wie Nasca, Moche oder Chimú und baute darauf auf. Die berühmten Goldschmiede der Chimú beispielsweise blieben auch in der Inka-Kultur führend. Die Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte wird so zu einer 3.000 Jahre umfassenden Kunst- und Kulturgeschichte, die in der Hochkultur der Inka mündet.


Foto 2
Totenmaske der Gottheit Ai Apaec

Moche-Kultur, 100 bis 800 n. Chr.
Höhe 17,5 cm
Larco Museum Peru

Copyright: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel


Die Inka waren das größte Weltreich ihrer Zeit. Ihre Knotenschrift, die Quipu, ist trotz moderner Hochleistungscomputer bis heute nicht entziffert. Daher sind die Objekte der Inka-Ausstellung nicht nur beeindruckende Kunstwerke, sondern sie erzählen uns, wie die Inka und ihre Vorgänger-Kulturen lebten und wie sie ihre Welt sahen. Und nicht selten sind die Objekte sogar die primäre Quelle, um etwas über diese Welt zu erfahren.

Die Exponate erzählen von rituellen Zweikämpfen, die mit der Opferung des Besiegten endeten, von Fruchtbarkeitsritualen und der zentralen Bedeutung des Wassers. Themen sind die duale Weltsicht von Oberwelt und Unterwelt, die Welt der Krieger, die Darstellung von Sexualität, Rauschmittel und der sagenhafte Schmuck der Könige. Die Objekte erzählen von einem riesigen Reich, das Küste, Wüste, Bergwelt und Dschungel umfasste. Und natürlich handelt die Ausstellung auch von dem Gold der Inka, wegen dem die Spanier sich auf den Weg gemacht hatten.


Foto 3
Weihefiguren in Gestalt eines nackten Paares

Inka-Kultur, 1.300 bis 1.532 n. Chr.
Höhe: 6,5 und 5,9 cm
Musée des Jacobins d'Auch

Copyright: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Hans-Georg Merkel


Die spanische Eroberung Südamerikas durch Francisco Pizarro ist ein wichtiges Thema der Ausstellung. Sie zeigt den Punkt, an dem zwei Welten aufeinandertrafen, die unterschiedlicher nicht sein konnten.

Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist weltweit das einzige Eisenwerk aus der Blütezeit der Industrialisierung, das vollständig erhalten ist, und bewahrt so das Erbe der Industrialisierung für kommende Generationen. Regelmäßig bietet das Weltkulturerbe Völklinger Hütte auch anderen Welt-Kulturen ein Forum und schafft so einen Raum für einen Dialog zwischen den Kulturen.

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Ministerpräsidentin des Saarlandes, der Botschaft von Peru in Deutschland, der Österreichischen Botschaft in Deutschland und der Französischen Botschaft in Deutschland.

Gold – Konflikt zweier Sichtweisen

Ausgangspunkt der Ausstellung ist der Konflikt zweier völlig unterschiedlicher Sichtweisen auf das Gold. Die spanischen Konquistadoren waren Abenteurer aber oft auch Zweitgeborene des niederen und mittleren Adels, für die das Gold Reichtum und Anerkennung in der Heimat bedeutete. Die Eroberung des Inka-Reiches war der Höhepunkt der Gier nach den Goldschätzen des Alten Amerika. Für die Inka hatte Gold neben seiner Funktion als Herrschaftssymbol, das ausschließlich hohen Würdenträgern vorbehalten war, auch eine sehr konkrete symbolische Bedeutung.

Gold stand in der Andenregion für die Oberwelt der Götter und für die Macht der Herrschenden, die als legitime Vertreter der Götter auf Erden walteten. Silber verkörperte das weibliche Prinzip sowie die Unterwelt mit den Verstorbenen. Kupfer stand für die irdische Welt der Lebenden und für den Opferkult, mit dem das irdische Gleichgewicht und die landwirtschaftliche Ernte gesichert wurde. Die Kunsthandwerker galten als privilegierte ‚Zauberer‘, die zwischen Göttern und Menschen vermitteln und symbolhafte Metalle in unvergängliche, kostbare Objekte verwandeln konnten. Als die Spanier das Gold und Silber der Inka einschmolzen, zerstörten sie auch diesen Glauben und damit die Kultur der Inka.

Eine Mischung aus Zufällen, Epidemien, Kriegstechnologie und äußerste Entschlossenheit gaben den Ausschlag für den Erfolg der Konquistadoren um Francisco Pizarro. Mit einer winzigen Schar von weniger als 200 bewaffneten Spaniern gelang es ihm, das riesige Inka-Reich zur erobern. Ein Faktor waren Waffen und Rüstung aus Eisen. Die Inka kannten weder Pferde noch Stahl und Schießpulver und konnten dem nichts entgegensetzen.  Die Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“ zeigt diese Rüstungen, Feuerwaffen, Armbrüste und Schwerter, die für die Inka Erzeugnisse einer unbekannten Welt waren.

Francisco Pizarro erpresste von dem gefangenen Inka-Herrscher Atahualpa ein sagenhaftes Lösegeld. Die wenigen noch erhaltenen Schmuckstücke und Kultobjekte zeugen noch heute von der Lebendigkeit des altperuanischen Kunsthandwerks. Als diese göttlichen und herrschaftlichen Symbole durch Plünderung, Zerstörung und Einschmelzen verloren gingen, glaubten die präkolumbischen  Völker, dass damit auch ihre Verbindung zu den Vorfahren abgerissen sei. Insgesamt gelangten  zwischen 1532 und 1540 mindestens 181 Tonnen Gold und 16.800 Tonnen Silber über den Atlantik nach Europa. Die Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“ zeigt die Kultur und Weltsicht, die damit zerstört wurde.

Eine herausragende Exponaten-Gruppe der Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte sind die kaiserlichen Grabbeigaben aus der Chimú-Kultur. Die Krone, das Pektoral, die Kette, Epauletten und Ohrscheiben zeugen von der Macht des Herrschers und symbolisieren dessen göttliche Kraft. Bis heute ist dieses Ensemble aus goldenen Grabbeigaben das einzige, das in einer offiziellen Sammlung verzeichnet ist.

Von der hohen Symbolmacht, die die Inka Gold- und Silberfiguren zumaßen, zeugen heute nur noch wenige Objekte in peruanischen und internationalen Museen. Meist zeigen diese Figuren Paare von hohem gesellschaftlichem Status, die für die duale Weltsicht (Oberwelt/Unterwelt, Mann/Frau, Gold/Silber) der präkolumbischen Andenvölker steht. Die Figuren eines nackten Mannes und einer nackten Frau, die in der Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“ zu sehen sind, zählen zu den wenigen erhalten Inka-Objekten dieser Art. Bisweilen legte man solche Figuren dem obersten Inka ins Grab, damit sie ihn auf seiner Reise in die Unterwelt der Ahnen begleiteten.

Eine große Rolle in Zeremonien des Andenraums hatten Masken. Bei Bestattungen setzte man den Verstorbenen Totenmasken auf, um deren Verwandlung in die dargestellte Mythenfigur zu symbolisieren. Denn nur so konnte ein Herrscher aus der Unterwelt wieder in die ‚Oberwelt‘ der Götter aufsteigen und von dort aus für das Wohl seines Volkes sorgen. Totenmasken, die die vergöttlichte Identität des Ahnen darstellten, sollten dem Verstorbenen bei seiner Reise in die Totenwelt zur Seite stehen. In der Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott“ ist eine Totenmaske der Gottheit Ai Apaec aus der Moche-Kultur zu sehen.

Eine zentrale Rolle in den altperuanischen Kulturen spielten Opferzeremonien, die vor allem der Sicherung der Fruchtbarkeit dienten. Opfermesser, Schalen und Becher für zeremonielle Flüssigkeiten sowie Darstellungen von rituellen Zweikämpfen, gefangenen Kriegern oder eines mythischen „Enthaupters“ in der Ausstellung „Inka – Gold. Macht. Gott.“ zeugen von der zentralen Bedeutung dieser Opferrituale. Bei diesen Tier- und Menschenopfern beteiligten sich die politisch-religiösen Würdenträger. Den Geopferten wurde die Kehle durchgeschnitten, bevor das Opferblut in aufwändigen Zeremonien aufgefangen und den Göttern dargeboten wurde, um sie milde zu stimmen. Die Götter sorgten im Glauben der altperuanischen Kulturen im Gegenzug für den nötigen Regen und bewahrten die Menschen vor Naturkatastrophen.  

Aus der Moche-Kultur sind in der Ausstellung Ohrpflöcke zu sehen, die den mythischen Kriegervogel zeigen. Es gab rituelle Kämpfe, bei denen ähnlich gekleidete Krieger gegeneinander kämpften. Der Besiegte wurde entkleidet und als Opfer in Zeremonien getötet. In Schmuckarbeiten wie diesen Ohrpflöcken entfaltete sich der Prunk der altperuanischen Herrscher besonders eindrucksvoll. In enger Zusammenarbeit fertigten Goldschmiede und Edelsteinschleifer schillernde Mosaike mit Darstellungen der Hauptgottheiten – wie dem mit rituellen Kämpfen assoziierten Moche-Vogel in Menschengestalt.

Zum Erfassen der statistischen Daten, die man für die zentralistische Verwaltung des riesigen Inka-Reiches benötigte, verwendeten die Inka ihre geheimnisvolle ‚Knoten-Schrift‘ Quipu. Statt einer Schrift im engeren Sinne, benutzten sie ein System von Knotenschnüren. Ein Quipu besteht aus einer horizontal gehaltenen Schnur, an der viele Seitenschnüre befestigt sind. Für Kundige beinhalteten diese Knoten eine Vielzahl von Informationen. So regelten die Inka beispielsweise ihre Steuern über Knotenschnüre. Es gab aber auch Qipus, die Geschichten und historische Ereignisse erzählten. Die Quipus sind immer noch ein Rätsel - bis heute konnten sie nicht entziffert werden.  Zwar wurden sie bis 1583 vor Gericht als Beweismittel akzeptiert und es gibt Dokumente der Kolonialzeit, die diese Quipus in Schriftsprache übersetzen. Allerdings sind die dazugehörigen Knotenschnüre nicht mehr erhalten. Und so warten die Quipus bis heute auf ihren ‚Stein von Rosetta‘ – auf einen Vergleichstext, der die Knotenschrift entziffern könnte. 1583 wurden die Knotenschnüre der Inka von den Spaniern zerstört. Einer der wenigen Quipus, die trotzdem erhalten blieben, ist in der Ausstellung zu sehen.

Die Inka waren eine Weltmacht ihrer Zeit. Und doch wurden sie von 172 spanischen Conquistadores besiegt, die Pferde, Kanonen und Krankheiten in das Land brachten. Mit dem Tod des Inka Atahualpa 1533 war das sagenhafte Inka-Reich Vergangenheit. Der Mythos der Inka aber lebt – bis heute.

Weitere Informationen
voelklinger-huette.org/inka/inka-gold-macht-gott/

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