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[art_1] Brasilien: Padre Marcelo Rossi
Katholische Multimedia-Waffe

Er ist Sänger, Schauspieler, Fernsehprediger und DIE große Hoffnung der katholischen Kirche Brasiliens: Padre Marcelo Rossi, ein 39 Jahre alter und nahezu zwei Meter großer Hüne voller Charisma.

Seine CDs mit aufgepopten Kirchenliedern verkaufen sich wie warme Semmel - niemand hat in den letzten Jahren in Brasilien derart viele Scheiben verkauft. Und sein Film "Maria, die Mutter des Gottessohnes" zog drei Millionen Besucher in die Kinos.

Dreimal pro Woche hält er vor bis zu 20.000 Gläubigen seine Pop-Messe in einer ehemaligen Fabrikhalle im Süden São Paulos, und sonntags ist via TV Globo das ganze Land live zugeschaltet. Bei seinen Auftritten in den Fußballstadien des Landes versammelt er gar bis zu 100.000 Begeisterte.

Singende Gläubige :: CD
Padre Marcelo Rossi

Rossi ist die Allzweckwaffe der darbenden katholischen Kirche Brasiliens. Allein in der 20 Millionen-Metropole São Paulo hat diese in den letzten Jahren gut 30% ihrer Anhänger an die Pfingstkirchen verloren. In ganz Brasilien, so schätzt man, haben diese bereits gut 20% der Bevölkerung für sich gewonnen - und das im "katholischsten Land" der Welt.

"Die katholische Kirche in Lateinamerika wird unterwandert", warnt Rossi, ein ehemaliger Sportlehrer, der durch den Tod zweier Angehöriger Anfang der 90er Jahre sein persönliches "Gotteserlebnis" hatte. Seitdem zieht er rastlos durch das riesige Land und verkündet die Botschaft Gottes.

Verhaltene Gläubige :: keine CD
Padre Marcelo Rossi

Dabei hat er das Erfolgsrezept der evangelischen Fernsehprediger kopiert - mitreißende Musik und die lautstarke Partizipation der Gläubigen. "Ich mache keine Show und ich bin auch kein Popstar", zeigt sich Rossi jedoch bescheiden. Doch nach dem offiziellen Ende der Messe verharren Tausende vor der Bühne , um die improvisierte Rockjam von Rossi und seiner Band mitzuerleben. Wild hüpft dieser mit dem Mikrofon in der Hand über die Bretter und ganze Eimer voll Weihwasser feuert er dabei in die schwitzende Menge.

Vor ein paar Jahren hat er Papst Johannes Paul II. in Rom besucht, und dabei auch Joseph Ratzinger kennen gelernt. Prima unterhalten habe er sich mit dem sympathischen Deutschen, so Rossi. Und beide werden sich wieder sehen, wenn der Papst Anfang Mai auf dem "Marsfeld" in São Paulo seine Messe hält. Dann wird Rossi das Begleitprogramm bestreiten.

Rossis Bischof Dom Fernando
Padre Marcelo Rossi

Angeblich sieht man im Vatikan Rossis Popallüren mit gemischten Gefühlen, doch Rossi bleibt gelassen. Wenn man ihn nicht haben wolle, könne er sich jederzeit zurückziehen, und das ohne jeglichen Groll, sagt er bescheiden. Rossis Vorgesetzter, Dom Fernando, der Bischof von Santo Amaro, bescheinigt dem Bühnenderwisch jedenfalls, dass er pflegeleicht sei. Bisher habe er keine Probleme gehabt, das Temperament seines Schützlings im Zaum zu halten. Ob das jedoch in Zukunft so bleiben werde, wisse er nicht, gibt der Kirchenmann zu.

Ob Rossi auch in Zukunft im Dienste der katholischen Kirche stehen wird, bleibt abzuwarten. Falls man jedoch beschließt, auf seine Dienste zu verzichten, ist er durchaus in der Situation seine Karriere als Popstar voranzutreiben; oder vielleicht sogar seine eigene Kirche zu gründen. Genügend Anhänger hätte er mit Sicherheit.



Interview mit Padre Marcelo Rossi

Padre Rossi, verstehen Sie sich eher als Priester oder als Popstar?
Auf keinen Fall Popstar, nur Priester, und das zu 100%. Aber wir hier in Brasilien müssen die modernen Medien nutzen. Ihr Europäer müsst verstehen, dass wir hier in Südamerika von den evangelischen Sekten unterwandert werden. Diese Sekten bedienen sich Shows, um sich auszubreiten. Ich dagegen mache keine Shows. Ich nutze lediglich die Musik, und die Musik ist sehr stark.

Wir Südamerikaner müssen aufpassen, sonst sind wir in 10 Jahren nicht mehr katholisch und die Zahl der Gläubigen wird dramatisch zurückgehen. Deshalb habe ich diesen Auftrag zu erfüllen, mit der Unterstützung meines Bischofs und der Musik, nicht aber durch Shows - es gibt zwar Padres, die Shows inszenieren, ich jedoch habe dies niemals.

Multimedia Padre
Padre Marcelo Rossi

Natürlich habe ich viel Geld mit meinen CDs verdient, habe aber alles für soziale Zwecke verwendet, nichts für mich behalten. Wenn ich ein Popstar wäre, hätte ich mich schon lange zur Ruhe gesetzt. Künstlerkarrieren sind schnelllebig. Ich bin seit 13 Jahren Priester, die Künstlerkarriere wäre schon längst vorüber.

Heute habe ich die Nachricht erhalten - und bitte prüft das nach - dass ich 2006 die meistverkaufte CD herausgebracht habe. Ich habe mehr CDs verkauft als alle anderen Musikstars zusammen. Warum? Weil ich Priester bin. Die Musik führt zum Gebet. Und nicht zur Show. Show-Künstler kommen und gehen, ich bleibe.

Was machen Sie mit dem Erlös aus dem Verkauf ihrer CDs?
Alles Geld geht in den Bau des neuen Santuarios. - Es gibt drei Versuchungen, die den Menschen zerstören können: Sein, Besitz und Macht.

Sein: Ich gehe jetzt ins Krankenhaus, einen Freund besuchen, der gerade an Krebs stirbt.
Besitz: Wenn ich sterbe, kann ich nichts mitnehmen.
Macht: Man kennt einen Menschen erst, wenn er ein Amt übernimmt.

Wer sucht die Lieder für die CDs aus?
Ich lasse die Leute hier in der Messe abstimmen. Wenn die ein Lied mögen und mitsingen, nehme ich es auf CD auf.

Wer komponiert die Lieder?
Ich arrangiere traditionelle Lieder neu, andere Lieder sind mit Absicht evangelische Lieder, die meisten aber natürlich katholisch.

Rossis Vorgesetzter Dom Fernando
Rossi sei pflegeleicht

Akzeptiert die katholische Kirche Ihre Art der Auftritte?
Wäre mein Stil nicht mit der Kirchenlinie zu vereinen, würde ich ja nicht mehr hier sein. Ich bin schließlich schon seit mehr als 10 Jahren in den Medien präsent. Wäre etwas an meiner Arbeit falsch, wäre ich von der Kirche schon längst aus dem Verkehr gezogen worden. Würde der Papst sagen, ich will den Rossi nicht dabei haben, würde ich das sofort akzeptieren.

Ich meine, du hast der Messe eben beigewohnt, da gab es keine Show! Du hast gesehen, wie ich die Liturgie respektiere. Da wird nichts geändert. Das Einzige, was anders ist, sind die nach oben gestreckten Hände der Menschen. Und die Zweige, die aber nun mal zur Zeremonie gehören (Palmsonntag). Ist das etwa gegen die Liturgie? Meine Lieder folgen strikt der katholischen Liturgie. Nur die Medien berichten viel Erdachtes über mich. Mein Bischof (Dom Fernando) jedoch kennt - Gott sei Dank - meine Arbeit und meine positiven Intentionen.

Sind Sie eine Waffe im Kampf gegen die evangelischen Pfingstgemeinden?
Zuerst einmal gehöre ich nicht zur Pro-Elite, die denkt, dass die Evangelicos ausschließlich in der Unterschicht verankert sind und darüber hinaus gibt es solche und solche Evangelen. Ich habe Freunde, die Lutheraner sind, Presbyter, Baptisten. Aber diese neuen Kirchen, die in den letzten 20 oder 30 Jahren gegründet wurden, und die nur merkantile Interessen verfolgen, die nur an Geld denken, Geld verlangen und Exorzismus praktizieren - ich habe dies mit eigenen Augen gesehen - die versuchen, auf illegale Weise an Geld zu kommen, gegen die will ich sein. - Nicht als eine Waffe, sondern als ein Verteidiger der Kirche. So will ich sein.

Mission gegen die Pfingstgemeinden
Rossi: Verteidiger der Kirche

Wieso haben Sie sich für dieses Leben entschieden?
Früher war ich Sportlehrer. Aber Gott sucht nicht die Fähigen aus, sondern befähigt die Auserwählten. (lacht)

Werden Sie den Papst treffen?
Ich bin zu der Messe auf dem Marsfeld eingeladen, wo ich das Rahmenprogramm mitgestalte. Und ein Fernsehkanal hat mich eingeladen, für sie als Kommentator zu arbeiten. Ich wünsche dem Papst, dass er hier bestmöglich aufgenommen wird.

Ich will zeigen, dass ich nicht der Pop-Padre bin, sondern eine seriöse Person. Jesus ist der Edelstein, der Rest ist bloß Schmuck. Oder besser: Gott ist der Edelstein, der Rest ist bloßer Schmuck. Und ich bin von der ganz kostengünstigen Sorte.

Text + Interview + Fotos: Thomas Milz