ed 04/2010 : caiman.de

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[art_4] Venezuela: Bootstrip auf dem Caño Guaritico (Bildergalerie)
 
Auf einem Ast, den Blick aufs Wasser gerichtet, verharrt ein Fischbussard in Lauerstellung. Unserer Bootsführer hat, ohne dass wir etwas mitbekommen hätten, einen Piranha aus dem Wasser gezogen und mit einem Stöckchen aufgespießt, so dass er nicht untergehen kann. Den Piranha schleudert er nun in hohem Bogen durch die Luft. Die Aufmerksamkeit des Bussards ist ihm gewiss. Und kaum dass der Raubfisch im Wasser gelandet ist und auf der glatten Oberfläche Position bezogen hat, startet der Fischbussard, greift zu und entführt den Piranha in die Baumwipfel.

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Der Caño Guaritico fließt durch das Herz der Los Llanos, der flachen Steppe südlich von Barinas. Der Seitenarm des Apure, des zweitgrößten Flusses Venezuelas, schlängelt sich  zunächst durch das 70.000 Hektar große Gebiet des Hato El Frío, eine der schönsten Touristen-Ranch, die gleichzeitig Forschungsstätte u.a. diverser spanischer Universitäten ist.

Leider hat sich zurzeit das Militär im Hato El Frío breitgemacht und der Tourismus ruht. Eine echte Alternative zum Hato El Frío für einen Besuch der Los Llanos und seiner Tierwelt aber ist das Hato El Cedral (Link zu http://www.casa-vieja-merida.com/tour/los_llanos/los-llanos-venezuela.shtml).

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Wir befahren den Fluss in einem motorisierten Einbaum. Die Ufer sind bewaldet, mit den so genannten Galeriewäldern. Diese entstehen dort, wo sich das Wasser auch in der Trockenzeit hält, also vorwiegend entlang der Flüsse. Ansonsten ist das Land der Los Llanos flach und mit Gras bewachsen. Durch das geringe Waldvorkommen tummelt sich ein großer Teil der Tierwelt vom Boot aus gut sichtbar im Geäst. Meist warten Wasservögel wie Kormorane und Silberreiher bis das Boot auf gleicher Höhe ist, starten dann bisweilen recht schwerfällig und gleiten den Fluss entlang. Auf dem in der trockenen Jahreszeit freigelegten Lehmboden liegen vereinzelt Brillenkaimane, auf Baumstämmen, die ins Wasser gekippt sind, sonnen sich Schienen-Schildkröten. Immer wieder steuert der Bootsführer nahe an das Ufer heran und zeigt uns im Dickicht Leguane, Tejus, Schlangen, Eisvögel, Hoatzine, Greifvögel, Keisergeier, rosa Löffler, purpurfarbene Ibize und Fischotter.

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Wir befinden uns nicht in einem der großen luxuriösen Hatos, sondern im Gebiet der Modulos, die den Caño Guaritico weiter abwärts liegen. Hier gibt es eine Reihe kleiner bis zu 500 Hektar großer Fincas. Seit Mitte der 90er Jahre haben es einige Viehtreiber dem Pionier "Bariga", dem ersten Llanero, der seine Matratze an Touristen verlieh, gleich getan und umgerüstet bzw. angebaut. Unterkünfte sind meist Lehmhütten mit Moskitoscreen, die mittig einen Pfahl aufweisen, von dem ab sternförmig Hängematten gespannt sind.

Der Name Modulos meint ein Modularsystem, das zumindest in diesem Teil der Los Llanos in den 70er Jahren unter Carlos Andres Perez entstanden ist. Terraplens, Dreckstraßen mit der Funktion von Dämmen, durchziehen die Steppe im Idealfall gemäß dem Schachbrettmuster. Diese quadratischen Module sind auf allen vier Seiten von Terraplens eingefasst. Durch Öffnen und Schließen von Schleusen kann der Wasserstand in einem Modul kontrolliert werden. Auf diese Weise haben die Llaneros teilweise bis tief in die Trockenzeit hinein noch grüne Weiden für ihr Vieh.

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Der Bootsführer hat den Einbaum ans Ufer gesteuert und verteilt Handangeln, die er mit Hühnerhaut bestückt. Und dann dauert es nur Sekunden bis der erste Piranha angebissen hat. Wer sich von der Faszination des Actionfischens losreißen kann, folgt dem Guide in den Wald hinein und steht plötzlich und unverhofft vor einem Tresen, den man nicht besser hätte tarnen können und stößt an mit eiskaltem Polar-Bier. Über der Waldschänke hat sich ein Potoo – in den Los Llanos auch Pereza (Trägheit) genannt – eingenistet. Der Potoo ist ein eulenähnlicher Riesentagschläfer, dessen Tarnung so perfekt ist – zumindest glaubt er das –, dass man sich ihm bis auf wenige Zentimeter nähern kann, bevor er wegfliegt. Auf dem Rückweg zu unserem Jeep begleiten den Einbaum rosa Fluss-Delfine.

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Die beiden kleinen Jungs, die an den Autos zurück geblieben sind, präsentieren uns zur Begrüßung eine Babyanakonda, die sie unweit unsere Anlegestelle aus dem seichten Wasser gefischt haben. Und über unseren Köpfen thront der Fischbussard und lässt uns keine Sekunde aus den Augen.

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Text + Fotos: Dirk Klaiber

Tipp:
Detaillierte Informationen zu Reisen in Venezuela:
Posada Casa Vieja Mérida



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