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Macht Laune: Gustavo Cerati
Krönender Abschluss des Zyklus
Verano '07 in Buenos Aires
Es war einer dieser Tage, die einem im Gedächtnis bleiben, dieser 10. März 2007. Zumindest in Buenos Aires. Die Zeitungen werden am Tag darauf von einem Spektakel der Extraklasse berichten, an dem 200.000 Schaulustige und Fans gekommen waren, um dem Abschluss des
Verano '07 beizuwohnen. Ja, es war ein Spektakel!
Und das begann schon im Vorfeld: ganze Straßenzüge waren gesperrt worden und der öffentliche Verkehr hatte Mühe auch nur in die Nähe der Bühne in der Avenida Figueroa Alcorta und La Pampa zu gelangen. So füllten sich die Straßen daher mit Fußgängern, die ihren bis zu fünf Kilometer langen Pilgerzug mit
Choripan oder
Panchos in Händen in Richtung Palermo antraten. Einmal angekommen, kämpfte man sich durch die Massen, um einen einigermaßen guten Blick auf die Bühne und auf einen der einflussreichsten Musiker Lateinamerikas zu erhaschen. Allerdings wird dem nicht Widerstandsfähigen nach kürzester Zeit klar, dass der gute Platz aufgrund hüftgewaltiger Argentinos nicht wirklich zu verteidigen ist und man sich schnell 20 bis 30 Meter weiter hinten wiederfindet. Im Endeffekt aber war es egal, denn der Sound war trotz der vielen Leute und des freien Himmels sehr gut.
„Fünf von zehn möglichen Punkten“, sagt Ana, die zwar ein bisschen zu spät gekommen ist, aber das Wichtigste noch mitbekommen hat, nach dem Konzert zu mir. „Wie kannst du denn da nur fünf geben? Zehn sind es, eindeutig zehn“, entgegnet mein Freund Alberto. Nun ja, ich selbst hätte vielleicht einen vergeben, aber das liegt daran, dass Cerati kein Entertainer ist, sehr sehr lustlos wirkte und für meinen Geschmack die Songliste nicht gut austariert war. Den Argentinos ist das egal. Gerade nach der Ära
Post Cromañon, wo den Bands entweder wenig Auftrittsmöglichkeiten eingeräumt werden oder sie unverschämt hohe Eintrittsgelder nehmen und es so ungleich schwerer geworden ist, die unzähligen nationalen Größen live zu erleben. Cerati gab es gratis, aber wenn schon 200.000
Porteños anrücken, um ihn zu sehen, dann hätte er sich wenigstens Mühe geben können.
Nach durchwachsenem Beginn, wo am ehesten der Hit
Adiós aus der letzten Soloscheibe
Ahí Vamos herausragte, kam es schließlich zum wirklichen Höhepunkt: Als Gastmusiker waren nicht die Ex-Soda-Stereo-Kollegen Alberti und Zeta Bosio geladen - wohl um den Gerüchten einer Wiedervereinigung der erfolgreichen Band vorzubeugen - sondern Luis Alberto Spinetta (Anmerkung: einer der lebenden Legenden des argentinischen Rock Nacional) stieg höchstpersönlich auf die Bühne, um
Te Para Tres und
Bajan unter frenetischem Jubel zum Besten zu geben.
El Flaco war zwar etwas dünn mit seinem Stimmchen, aber wie immer hervorragend an der Gitarre und wurde euphorisch begleitet vom enthusiastischen Publikum. Dem konnte dann auch ein Stromausfall, der fünf Minuten das Geschehen lahm legte, nichts mehr anhaben.
Cerati ließ die kleine Pause nicht ungenutzt und besann sich endlich auf das Wesentliche: nämlich gute Musik zu machen. Eindrucksvoll schallte der Sommerhit
Crimen in die Vollmondnacht, das wohl beste Stück des Abends. Es folgten rockige Versionen von
Prófugos und das wunderschöne
Puente der vorletzten Scheibe
Bocanada, ehe mit dem aktuellen
Jugo de Luna das Konzert beendet wurde. Etwas zu abrupt, wie ich fand, denn Gustavo verschwand ohne ein Wort des Dankes oder der Verabschiedung, geschweige denn einer Zugabe.
Aber der Großteil der Besucher nahm es ihm nicht weiter übel und zog frohen Herzens ab, glücklich bei diesem historischen Ereignis dabei gewesen zu sein. Und in der Hoffnung, dass es im September vielleicht doch zu der (un)erwarteten Wiedervereinigung der alten Soda Stereo kommen könnte.
Text + Fotos: Andreas Dauerer