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[art_2] Brasilien: Viel Rauch um Nichts
8. UN- Artenschutzkonferenz

Kalt war`s in Curitiba. Geregnet hat`s, und alles war irgendwie grau in grau. Passend zu der hier stattfindenden 8. UN-Artenschutzkonferenz. Eine trübe Veranstaltung, auf der eigentlich einiges erreicht werden sollte. Denn man hatte sich ehrgeizige Ziele gesetzt: bis 2010 sollte der Rückgang der Artenvielfalt auf unserer Welt gestoppt werden. Dann wollte man riesige Schutzzonen eingerichtet haben, in denen die noch einigermaßen intakten Naturgebiete dieser Welt geschützt werden sollten. Das Gleiche wollte man bis 2012 auch auf den Weltmeeren erreichen, um den rasenden Rückgang der Fischbestände zu stoppen.

"Vor vier Jahren hat man dieses Ziel beschlossen, und man hat nur noch vier Jahre Zeit. Doch bisher ist nichts geschehen. Zur Halbzeit liegen wir 0:3 zurück", so Martin Kaiser, Delegationschef von Greenpeace International.

Auch beim zweiten heißen Eisen, den genmanipulierten Pflanzen, ist man nicht weiter gekommen. Während auf der Straße vor dem Konferenzgebäude die Landlosen- und Bauernorganisation Via Campesina lautstark gegen die Allmacht der Multinationalen Nahrungsmittel und Saatgut-Konzerne protestiert, können sich die 6.000 Delegierten aus den 188 Unterzeichnerstaaten drinnen auf nichts einigen. Eine Zwischenkonferenz sei dies lediglich, sagt der Leiter der deutschen Delegation, Umwelt-Staatssekretär Matthias Machnig.

"Wir laden alle Delegierten für die nächste Konferenz 2008 nach Berlin ein – dort wird man dann wohl zu Einigungen kommen", lässt der SPD Politiker verlauten. "Das große Problem dieser Konferenzen ist das Konsenzprinzip – das verhindert wirkliche Ergebnisse", meint der Leiter des Greenpeace Amazonas-Programms Dr. Thomas Henningsen.



Und gebremst haben in Curitiba vor allem die Australier. Sie, so meinen viele NGOs, sind im Auftrag der USA unterwegs, die nicht an der Konferenz teilgenommen haben. Sie gehören auch nicht zu den Unterzeichnerstaaten.

Für Brasilien ist besonders der Schutz von Gen-Ressourcen wichtig. So fürchtet man, dass die Multis die Gen-Pools indianischer Heilpflanzen patentieren lassen und damit viel Geld verdienen – ohne die Indianer an den Gewinnen zu beteiligen. Doch auch in diesem Punkt ist man  nicht vorangekommen. „Benefit Sharing“ heißt das Zauberwort, doch davon will man nichts wissen. „Die Natur gehört allen Menschen, und nicht bloß einigen Konzernen“, schreit ein Aktivist der Via Campesina ins Mikro. Delegierte in feinen Anzügen stehen etwas abseits und hören neugierig zu, beäugeln die mit grünen Fahnen bewaffneten Bauern argwöhnisch.

Erbost ist man in der so genannten Dritten Welt auch über die Terminator-Technologie, die Saatgut genetisch verändert, so dass es nur einmal keimen kann. So müssen die Bauern für die nächste Ernte wieder neues Saatgut kaufen, statt einen Teil der Ernte für die nächste Aussaat zurück zu halten. "Das ganze ist ein Teufelskreis. Das genmanipulierte Saatgut erfordert den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, die natürlich auch von den Multis geliefert werden. Nach drei Jahren Bebauung ist der Boden dann kaputt, die Flüsse vergiftet, und der Bauer muss weiter ziehen, ein neues Stück Urwald roden. Und so geht es immer weiter. Jedes Jahr verschwindet 1% des Amazonas-Regenwaldes." Dr. Thomas Henningsen ist wahrlich nicht nach Feiern zumute.

Es regnet schon wieder in Curitiba. So kalt habe man sich Brasilien aber nicht vorgestellt, klagen die Delegierten, die wohl lieber im wärmeren Rio de Janeiro ihre Konferenz abgehalten hätten.


Aber Curitiba wird gerne von der brasilianischen Regierung für internationale Konferenzen ausgewählt. Gilt die Stadt doch als Vorzeigestadt, aufgeräumt-europäisch mit breiten Straßen und einem perfekt funktionierenden öffentlichen Verkehrsnetz. Das hat man sogar in die kolumbianische Hauptstadt Bogotá exportieren können.

Konferenzen in Curitiba beinhalten aber immer auch den Auftritt des Gouverneurs von Paraná, dessen Hauptstadt Curitiba ist. Und Roberto Requião ist nicht auf den Mund gefallen. Mit Lederjacke und rotem Hemd tritt er vor die Delegierten und schwingt seine Eröffnungsrede. "Die neuen Vandalen" nennt er die Multis, die angetreten seien, "um ihres Profites willen die Zivilisation zu zerstören." Die Delegierten schauen leicht pikiert, während man bei den NGOs freudestrahlt. Derartige Töne wird man während der Konferenz nicht mehr hören. Brasiliens Präsident Lula scheint schon vorher kapituliert zu haben. "Statt über die schwierigen Verhandlungen frustriert zu sein, solle man sich über das bisher Erreichte freuen", sagt er in seiner Eröffnungsrede. Kein guter Beginn war das!

Was bleibt ist die Hoffnung auf Berlin 2008. Deutschland habe absichtlich gebremst, um dann in zwei Jahren in Berlin die Abschlüsse präsentieren zu können, unkt man.

Ob es aber tatsächlich in zwei Jahren zu großen Durchbrüchen kommen wird, bleibt abzuwarten. In Sachen Regen und Kälte kann Berlin aber auf jeden Fall mit Curitiba mithalten. Und einen gut funktionierenden Nahverkehr auf breiten europäisch-aufgeräumten Straßen wird man dort auch zu bieten haben. Na dann!

Text + Fotos: Thomas Milz