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[kol_3] Macht Laune: O sole mio

Die erste offizielle Anschaffung, noch vor dem Beantragen der DIN (Documento de la Identidad), ist ein Ventilator. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn die Stadt der Guten Lüfte (Buenos Aires) unter der schlechten leidet und die Sonne unaufhörlich das Schwitzen einfach, und somit das Leben außerhalb der kühlen vier Wände unerträglich macht. Aber ich mag diese verrückte Stadt!

santiago de chile

Also muss der Ventilator her, sofern man eine Klimaanlage nicht sein eigen nennen kann. In meinem kleinen Departamento inmitten der Stadt, wo ich mich für ein paar Monate eingemietet habe, wurde gerade daran allerdings gespart, so dass eine mobile Lösung vonnöten ist, um während des Schlafes nicht dem Hitzetod zu erliegen.


An sich ist mir das Design des Ventilators egal. Einer an der Decke wäre sehr schön, aber der ist wohl schwer bezahlbar und wohin damit, wenn ich wieder nach Europa fahre. Dann doch lieber einen kleinen. Nur: die bekommt man in der Hochsaison nicht so einfach. Es scheint, als decke sich die Stadt jährlich auf ein Neues mit den Dingern ein. Oder sie werden nicht nachbestellt. Eins von beiden muss wohl zutreffen. Zwei lange Tage ziehe ich von einem Electrodomesticos Geschäft zum nächsten. Mal gibt es Ventilatoren, mal gibt es keine. Mal sind sie groß und bunt und laut und teuer, mal sind sie eher für das Auto geeignet. Ich bin frustriert. Kein Ventilator ist hier unter einhundert Peso zu bekommen. Das ist nicht in Ordnung. Ich mag zwar Ausländer sein, aber das heißt nicht, dass ich mich per se von den Argentiniern ausnehmen lasse, nur weil ich vermeintlich mehr Geld zum Ausgeben habe.

Mein letzter Ausweg scheint schließlich das Internet zu sein. Ebay gibt es hier zwar nicht als eingetragene Marke, aber den lateinamerikansichen MercadoLibre den gibt’s sehr wohl. Ich logge mich ein. Na, das Angebot hier ist doch schon viel besser. Ein paar dieser gebrauchten Drehscheiben liegen tatsächlich deutlich unter der einhundert Peso Marke. Sogar noch unterhalb der fünfzig. Da muss ich eigentlich zuschlagen. Der Haken dabei: die als nächste auslaufende Auktion ist erst in fünf Tagen. Und in Cordoba. Ich nehme gleich wieder Abstand von meinem Vorhaben, weil ich keine Woche auf einen beschissenen Ventilator warten will.

Egal, was ich in meinen vier Wänden mache, ich brauche so ein Ding. Ich kann nicht richtig schlafen, die Mücken quälen mich obendrein und nur die Wäscherei freut sich, weil ich dort jeden dritten Tag einen Sack voll durchgeschwitzter Kleidung hinbringe.

"Na ja, ich werde es überleben", sag ich mir dann immer. Und abnehmen tust Du dabei auch noch. Immer positiv denken. Sofern man noch denken kann, sofern die Sonne die Birne noch nicht so weich gemacht hat, dass man nur noch siechend vor sich hinvegetiert. Ich übertreibe! Natürlich!

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Aber auch wenn ich die Hitze durchaus mag, als so unangenehm empfinde ich sie in der Stadtnacht, die voller Mücken ist. Dass da ein Ventilator Abhilfe verspricht, habe ich wohl schon erwähnt.


Nachdem ich mich am nächsten Tag so etwa eine Stunde hinter das Telefon geklemmt und sämtliche Freunde um Rat oder alte Ventilatoren gebeten habe, bekomme ich neben etwas unglücklichen Antworten ("Hey, Du musst nur mal Deinen Gringo-Akzent ablegen, dann bekommst Du den Ventilator auch billiger") doch noch einen, im wahrsten Sinne des Wortes, heißen Tipp: geh doch mal in einen der großen  Supermercados, die haben da immer mal wieder Angebote. Gesagt getan. Ich springe also die Treppenstufen meiner Wohnung hinab, raus auf die Straße und rein in die klimatisierten Supermärkte, die Abhilfe versprechen. Und siehe da, schon im zweiten gibt es ihn, meinen Ventilator! Dezent in weiß gehalten, mit Schwenkkopf und großem Durchmesser, mir schon beim Anblick eine Gänsehaut versprechend. Da kann ich nicht nein sagen. Wirklich nicht. Und billiger als die anderen ist er auch. Nicht ganz so billig wie jener im Internet, aber ich brauche das Teil heute noch. Umgehend! Sofort!

Beinahe stolz mache ich mich auf den Weg zurück zu meiner Wohnung. Es sind genau elf Quadras. Ich weiß es deshalb so genau, weil sich auf der Avenida 9 de Julio in meinem Viertel an jeder fünften ein Pancho-Laden befindet, der vierundzwanzig Stunden lang geöffnet ist. Hier kann man ununterbrochen rund um die Uhr Panchos zu zweifünfzig essen. Nicht schlecht, wenn man wieder einmal den Tag zur Nacht gemacht hat und der Kühlschrank nichts mehr hergeben will. Ich wanke also, den Ventilator, oder besser gesagt, den Karton des noch zu montierenden Ventilators, in Händen in Richtung Appartement.

Mein Hemd ist nass, allerdings nicht vornehmlich, weil ich schwitze wie ein Schwein, sondern weil es regnet. Und das bei blaustem Himmel. Das Wasser tropft von den unzähligen Klimaanlagen und ich weiß nicht, wie mir geschieht. Richtig ausweichen kann man den Dingern nicht wirklich, wenn ein bisschen was los ist auf den Straßen. Was als willkommene und vor allem kühle Abwechslung herhalten könnte, wird zum wahren Spießrutenlauf. Nein, ich bin nicht wasserscheu, im Gegenteil, ich mag das Wasser, sehr, sehr, sehr gerne, aber ich habe das falsche Schuhwerk an: Hojotas (argentinisch für: Flip Flops, Thongs, Havaianas). Nein, irgendwie auch das richtige, aber für Hindernisläufe ist es definitiv nicht das Passendste.

Oder sagen wir: bei Regen, ganz unabhängig davon, woher der kommen mag, sollte man auf die zum Modeaccessoire hochstilisierten "Arme-Leute-Latschen" verzichten.

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Ich hab es schon ausprobiert. Wenn man mit meinen gelben Hojotas auf dem Bürgersteig in eine dieser Wasserlachen tritt, dann ist höchste Vorsicht geboten, weil durch das minderwertige Profil und die armselige Gummimischung eine Rutschpartie vorhersehbar ist. Und wenn man nicht aufpasst, dann liegt man schneller auf der Nase als einem lieb ist. Ich denke, das liegt zum großen Teil an der Schmutzschicht, die hier alles bedeckt, auch wenn man sie einem nicht direkt auffallen mag. Sie ist da. Und dann macht es rumms und der Hintern macht Bekanntschaft mit dem dreckigen und sehr harten Boden. Nicht schön und schmerzhaft obendrein.

Den Ventilator habe ich übrigens heil nach Hause bekommen. Er unter meinem rechten und die Hojotas unter meinem linken Arm.

Text + Fotos: Andreas Dauerer