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[kol_1] Filmprojekt: Die Session - ein Projekt von Annika Eriksson

In diesem Projekt, das in Säo Paulo, Brasilien, produziert wurde, wollte ich zwei verschiedene Musikarten zusammenführen: Rap und Repente. Die Musiker entstammen ganz unterschiedlichen Kontexten, Traditionen und Generationen, doch gemeinsam ist ihnen das Interesse am gesprochenen Wort und an der Improvisation.

Bei einem früheren Aufenthalt in São Paulo lernte ich die repentistas Pardal da Saudade & Verde Lins kennen und gewann den Eindruck, sie seien eine Art "Folklore Rapper". Ich schug ihnen vor, mit einer Rapband zusammenzuarbeiten. Später hörte ich von Z'Africa Brasil und lud sie ebenfalls ein. Zwischen den Musikern gibt es in thematischer Hinsicht vielerlei Gemeinsamkeiten.

Das Projekt umfasst einen Film, ein Poster und eine CD mit dem Soundtrack des Films. Es wird auch in der Galeria Vermehlo in Säo Paulo präsentiert werden. Derzeit (29. Januar – 27. März) kann man den Film "The Session" in Zürich in der Shedhalle im Rahmen der Ausstellung: Spektakel, Lustprinzip oder das Karnevaleske? sehen.


Pardal da Saudade & Verde Lins
Die Musikrichtung Embolada/Repente geht auf eine alte Tradition von Straßenkünstlern zurück, die mit Rhythmus und Text arbeiten. Ursprünglich stammen sie aus dem Nordosten Brasiliens, doch heute treten sie in nahezu allen großen brasilianischen Städten auf.

Ihre Werkzeuge sind Parodie, Humor und ein Rhythmus, mit dem sie der harten Wirklichkeit entgegen treten. Embolada/Repente gilt als die kritische Stimme des Volkes und das schon seit der Kolonialzeit.


Interview mit Pardal da Saudade & Verde Lins
Wie lange spielen Sie schon in São Paulo?
Verde Lins: Seit 1987.
Pardal da Saudade: Seit einem Jahr, Musik aber mache ich seit 1988.

Improvisieren Sie?
Verde Lins/Pardal da Saudade: Das hängt vom Publikum ab. Wenn man sich auf der Bühne befindet, hat man weniger Möglichkeiten, im Dialog mit dem Publikum zu improvisieren. Auf der Straße ist es einfacher, allerdings beeinflusst das Publikum mit seinen Wünschen, das Ausmaß der Improvisation.

Was ist in ihren Augen das ideale Publikum?
Verde Lins/Pardal da Saudade: Die Zusammensetzung des Publikums ist immer völlig unterschiedlich, aber im Allgemeinen handelt es sich um Leute, die neugierig und aufmerksam sind, weil sie unsere Werke verstehen und mit uns feiern wollen. Am wichtigsten ist es, eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts zu schaffen. Wenn wir das Publikum respektieren, respektiert das Publikum auch uns.

Was ist Ihnen an Ihrer Arbeit wichtig?
Verde Lins/Pardal da Saudade: Am Wichtigsten für uns ist es, unsere Arbeit gut zu machen, Menschen zufrieden zu stellen und mit ihnen zu kommunizieren. Wir müssen die Sprache der Menschen sprechen, damit sie verstehen, wovon wir sprechen. Denn ohne die Öffentlichkeit sind wir nichts. Die Musik bietet uns die Möglichkeit, die Kultur des brasilianischen Nordostens zu verbreiten, vor allem die aus dem Staat Pernambuco, wo wir herkommen.

Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
Verde Lins/Pardal da Saudade: Wir sind sowohl repentistas als auch emboladores. Repente hat mehr mit Rhythmus zu tun und eine größere Bandbreite, während Embolada schneller ist, eine höhere Geschwindigkeit bei den Texten und im Rhythmus besitzt und so in einem gewissen Sinne lebhafter und fröhlicher ist. Sowohl Repente als auch Embolada basieren auf der Improvisation, auch wenn einige der Reime vorbereitetem Material entstammen.

Haben Sie irgendeinen Lieblingsort, wenn Sie in São Paulo spielen?
Verde Lins: Das Stadtzentrum nahe der Praça da Sé, wo wir schon 1987 gespielt habe.

Text: Annika Eriksson


Über Z´Africa Brasil
"Wir würdigen die Elemente des Hip Hop als die einer kulturellen Bewegung. Unser Ziel ist es, uns die gesamte rhythmische, verbale und farbliche Vielfalt anzueignen, um so den Schatz der oralen, rituellen und bewusstseinsmäßigen Traditionen unserer Ahnen zu bewahren. Z steht für Zumbi, den Führer unserer größten Widerstandsbewegung gegen die Zentralmacht. Es wurden quilombos errichtet, um der Unterdrückung durch die Sklaverei entgegen zu treten.

Diese befestigten Dörfer im Landesinneren boten flüchtigen Sklaven Schutz, blieben sie doch von den ständigen Angriffen verschont, die im 17. Jahrhundert von den Bauern und ihrer Armee ausgingen.


Es handelte sich um einen freien Parallel-Staat, der 100.000 Menschen umfasste. Heute leben am Rand großer Städte Millionen halbversklavter Menschen auf engstem Raum. Antigamente Quilombos, Hoje Periferia (Ehemals Dörfer – Heute Favelas)lautet der Name des ersten Albums. Der Reichtum der Favelas besteht in ihren mensch-lichen Beziehungen, ihrer Kreativität und der Improvisationsgabe, mit denen sie ein Leben, das aus enormen Gegensätzen zusammensetzt, meistern."

Z'Africa Brasil wurde 1995 von Gaspar und Fernando Beatbox gegründet. Gaspar, eigentlich Wagner de Oliveira, ist der Sohn eines Nordostbrasilianers, dessen Musikalität er geerbt hat. Seine Vielseitigkeit als Songwriter hat viel mit den Traditionen der spontanen Reimeschmiede auf den Straßen zu tun. Komponist, Dichter und Rapper, der er ist, fungiert er auf der Bühne als MC (Master of Ceremonies). In Zusammenarbeit mit örtlichen Gemeinden engagiert er sich für wichtige Sozialprojekte und veranstaltet Kulturworkshops zum Thema Komposition.

Funk Buia ist afrikanischer Herkunft und steht für die Energie des ragga. Auf der Bühne ist er für die batucadas (Percussionsrhythmen), die Sambaimprovisation, zuständig, weil er durch diese erstmals in Kontakt mit Musik kam. Als MC ist er an den Workshops in den Gemeinden beteiligt: Er fungiert als Komponist und Rap-Texter und kombiniert Freestyle mit populären brasilianischen Songs in Clubs.

Fernandinho Beatbox traf MC Gaspar im Enigma in São Paulo, einem der Clubs, in dem er mit einem Ghettoblaster Michael Jackson imitierte.

Pitchô begann seine DJ-Tätigkeit auf Partys in den Randgebieten der Stadt.


Als Freund Gaspars aus Kindertagen wurde er eingeladen, bei der Formation Z´Africa Brasil zunächst als DJ mitzuwirken. Das macht er nun seit zwei Jahren; außerdem teilt er sich den Gesangspart mit Gaspar.

DJ Tano, der Jüngste in der Gruppe, erfuhr seine musikalische Ausbildung in den Pionierworkshops im Casado Hip Hop von Diadema. Heute arbeitet er dort als Lehrer und beteiligt sich bei ähnlichen Projekten am Rande der Stadt.

Diashow: Auszüge aus The Session

Text: Rodrigo Bueno und Z'Africa Brasil

Projekt: Annika Eriksson
Fotos: Marcelo Soubhia + Amilcar Packer