suche



 


[kol_3] Ausstellung: Schwarze Götter im Exil
Fotografien von Pierre Fatumbi Verger


Unter der Schirmherrschaft des brasilianischen Kulturministers Gilberto Gil
Fotoausstellung mit Rahmenprogramm

München: 22. Februar - 14.Mai 2006
Staatliches Museum für Völkerkunde München

Schwarze Götter im Exil ist die erste Tournee-Ausstellung mit Arbeiten des französischen Fotografen Pierre Fatumbi Verger (1902-1996) in Deutschland. Mit bislang sehr erfolgreichen Stationen im Ethnologischen Museum Berlin-Dahlem, im Museum der Weltkulturen in Frankfurt a.M. und im Lindenmuseum Stuttgart ist sie seit gut einem Jahr hierzulande zu sehen. Der vorläufig letzte Ausstellungsort ist das Staatliche Museum für Völkerkunde in München, wo sie am 21. Februar um 19.00 Uhr eröffnet wird.

Der Fotograf Pierre Verger drang tief in die Glaubenswelt der Afrobrasilianer ein und dokumentierte auf faszinierende Weise die kulturellen Praktiken und religiösen Rituale der "Schwarzen Amerikas". Er zählt heute zu den bedeutendsten Fotografen Lateinamerikas, dessen Bilder u.a. auch auf den Internationalen Kunstbiennalen São Paulo, Mercosur und Dak’Art zu sehen waren.


Vor genau 200 Jahren wurde die Sklaverei auf Haiti abgeschafft und die erste "Republik schwarzer Bürger" in der Neuen Welt errichtet. Aus diesem Anlass thematisiert Schwarze Götter im Exil den kulturellen Austausch zwischen Europa, Afrika und den Amerikas von der Sklavenzeit bis in die Gegenwart. Der haitianische Voudou, die kubanische Santería und der brasilianische Candomblé erscheinen hier als kulturelles Bindeglied zwischen beiden Seiten des Atlantiks.

Für die mehr als 12 Millionen verschleppten Sklaven und ihre Nachfahren boten die afrikanischen Religionen in ihrer neuen Heimat Strategien der Identitätsfindung und Konfliktbewältigung. Mit seiner direkten Herangehensweise und gleichzeitig sensiblen fotographischen Handschrift hielt Pierre Verger die Bedeutung dieser alltäglichen Rituale für die modernen kreolisierten Gesellschaften fest. 40 Jahre vor der Formulierung einer Theorie des Postkolonialismus setze er deren Ansätze bereits in seinem persönlichen Lebensentwurf um. Durch seinen interdisziplinären und universellen Ansatz vermittelte er einer Generation von Forschern aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen völlig neue Einsichten in das Funktionieren multiethnischer und religiös vielfältiger Gesellschaften. Während Pierre Verger in Lateinamerika als einer der bedeutendsten Fotografen und visuellen Anthropologen des 20. Jahrhunderts gilt, blieb er in Europa, das er während des Zweiten Weltkriegs verließ, weitgehend unbekannt.


Diese umfangreiche Ausstellung von Pierre Verger versammelt über 200 Aufnahmen aus fünf Jahrzehnten und bietet einen einzigartigen Einblick in die afro-brasilianische Lebens- und Glaubenswelt. Die Aktualität dieser Arbeiten liegt darin, dass sie zu einem neuen Verständnis von Religion und ethnischer Zugehörigkeit in modernen, multikulturell zusammengesetzten Gesellschaften beitragen können.

Ein interdisziplinäres Rahmenprogramm aus Filmen, Vorträgen, Diskussionspodien, sowie einer Performance und einer Lesung thematisiert die kulturellen Transfers im ‚transatlantischen Dreieck’ (Afrika, Amerika, Europa) von der Sklavenzeit bis in die Gegenwart.

Pierre Verger bereiste als international bekannter Fotoreporter für Daily Mirror, Match-Magazine, LIFE, O Cruzeiro, Paris-Soir, La Prensa, Unesco Kurier u.a. alle fünf Kontinente. 1946 trifft er in der Küstenstadt Salvador da Bahia ein, die ihm 50 Jahre lang zur neuen Heimat wird. In seinem Wohnhaus befindet sich heute die Stiftung Pierre Verger mit seiner Bibliothek und einem Nachlass von rund 62.000 Fotografien. In Deutschland wurde Verger über Hubert Fichte und Eleonore Mau bekannt, deren Bücher "Xango" und "Petersilie" mit seiner Hilfe entstanden.


Gilberto Gil, weltbekannter Musiker, Komponist und jetziger Kulturminister Brasiliens hat die Schirmherrschaft für "Schwarze Götter im Exil" übernommen. Gilberto Gil war Pierre Verger Jahre lang freundschaftlich verbunden und dokumentierte dessen Leben und Werk in seinem viel beachteten Film MENSAGEIRO ENTRE 2 MUNDOS (Botschafter zwischen zwei Welten), der im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung gezeigt wird.

Information und Kontakt:
Website: www.schwarze-goetter-im-exil.de

Goethe-Institut München:
Forum Goethe-Institut, Inga Harenborg, Tel:+49 (0)89-15921-396, harenborg@goethe.de

Staatliches Museum für Völkerkunde:
Stefan Eisenhofer, Tel.: +49 (0)89- 210136-138, stefan.eisenhofer@extern.lrzmuenchen.de

Kuratorischer Beirat München:
Dr. Stefan Eisenhofer (Staatliches Museum für Völkerkunde München) und Michael M. Thoss (Allianz Kulturstiftung)

Symposium:
11. März 2006, 10.00 Uhr
Territorium und kulturelle Identität - Schwarze Diaspora in den Amerikas und in Europa
Mit Ausschnitten des Dokumentarfilms "Black Deutschland" von Oliver Hardt

Im Anschluss
Podiumsdiskussion:
Territorium Europa - Schwarze Diaspora in Europa

Teilnehmer: Paul Gilroy, Soziologe und Kulturwissenschaftler
Anthony Giddens Professor of Social Theory an der London School of Economics
Durch sein 1993 erschienenes Buch The Black Atlantic, Modernity and Double Consiousness gilt er als eine der wichtigsten Stimmen eines Paradigmenwechsels im europäischen Denken zwischen Moderne und Transnationalismus. Der von ihm geprägte Begriff Black Atlantik ist inzwischen zu einem festen Bestandteil im heutigen Diskurs über Schwarze Identität geworden. Seine Arbeiten waren mitbestimmend für das Entstehen der Black Art-Szene in Großbritannien und sind wegweisend für eine Reflexion der Bedeutung Schwarzer Kulturen im Kontext europäischer Kultur-Politiken und -Praxen.
Tina Campt, Historikerin
Associate Professor und Interim Director of Womens Studies an der Duke University in Durham, North Carolina.
Gloria Wekker, Anthropologin
Professorin und Direktorin des Center of Expertise on Gender, Ethnicity and Multiculturality an der Universität Utrecht.
Sérgio Costa, Soziologe
Professor für Soziologie an der Universidade Federal de Santa Catarina, Privatdozent für Soziologie an der FU Berlin und zugleich Forscher am CEBRAP in São Paulo.
Jacques Toubon, ehemaliger Minister für Kultur und Frankophonie, Europaabgeordneter und Präsident des Deutsch-Französischen Kulturrates, ist zudem Leiter des zukünftigen "Museums für Immigration". Seine Funktionen gaben ihm einen äußerst vielschichtigen Einblick in die kulturelle Welt.
José António Fernandes Dias, Sozial- und Kulturanthropologe
Professor für Kunstanthropologie und Alltagskultur an der Universität Lissabon.
Im Mittelpunkt seines Interesses stehen die Beziehungen zwischen Kunst und Postkolonialismus; zwischen Alltagskultur und Identität.Für die Calouste Gulbenkian Stiftung in Lissabon übernahm er die Leitung des Projekts artafrica.
Oliver Hardt, Filmemacher
Er ist Regisseur des Dokumentarfilms "Black Deutschland" (www.blackdeutschland.de) und Initiator des arte-Themenabends "Schwarze Haut, weiße Angst" zur Situation der Schwarzen in Frankreich und Deutschland (Erstsendung 24. 1. 2006).

Moderation: Sabine Broeck, Amerikanistin
Professorin für Amerikanistik an der Universität Bremen, Vorstandsmitglied des Collegium of African-American Research (CAAR), Mitglied des Instituts für Postkoloniale und Transkulturelle Studien (INPUTS). Von 2000 bis 2005 amtierte sie als Konrektorin für internationale Angelegenheiten an der Universität Bremen.

Vortragsreihe:
Mittwochs im Staatlichen Museum für Völkerkunde München
22. Februar, 19 Uhr
Transit-Götterwelten in Bewegung: Religionen der afrikanischen Diaspora in Kuba und Brasilien
Vortrag von Dr. Natale Göltenboth, Ethnologin (Institut für Ethnologie und Afrikanistik - Ludwig-Maximilians-Universität München)

01. März, 19 Uhr
Pierre Verger, Hubert Fichte, Eleonore Mau und die afrobrasilianischen Religionen
Vortrag von Dr. Stefan Eisenhofer, Ethnologe (Leiter der Abt. Afrika am Staatlichen Museum für Völkerkunde München)

08. März, 19 Uhr
Afrikanische Strukturen und Performance in der Musik Brasiliens
Vortrag von Prof. Dr. Tiago de Oliveira Pinto, Musikwissenschaftler (Professor für Sozialanthropologie an der Universidade de São Paulo, Brasilianisches Kulturinstitut Berlin ICBRA)
 
15. März, 19 Uhr
Ikonen der Sklaverei: Afrobrasilien in der Fotografie des 19. Jahrhunderts
Vortrag von Dr. Margrit Prussat, Ethnologin (Institut für Ethnologie und Afrikanistik - Ludwig-Maximilians-Universität München)

22. März, 19 Uhr
Sakrale Landschaft: München als Heimat afroamerikanischer Gottheiten
Vortrag von Joanna Michna, M.A., Ethnologin und Filmemacherin (München)

Performance:
10. März, 19 Uhr, Museum für Völkerkunde München
Candomblé: Tanz und Musik der Gottheiten

Lesung:
29. März 2006, 20 Uhr, Goethe-Forum
Ortszeit "Bahia"
Ein literarisches Stadtporträt

Film-Wochenende:
Samstag, 1. April, Museum für Völkerkunde München
18 Uhr
Dokumentation: PIERRE FATUMBI VERGER - MENSAGEIRO ENTRE 2 MUNDOS
Luiz Buarque de Hollanda, 82 Min., Brasilien, 1998, PortOmenglU
Gilberto Gil setzt Pierre Verger - dem "Botschafter zwischen zwei Welten" - mit diesem Film ein sehr persönliches Denkmal. Er erzählt von Vergers Leben, seiner Leidenschaft für die Menschen und von der Freundschaft der beiden Künstler.

20.30 Uhr
Spielfilm: Orfeu Negro
Marcel Camus, 100 Min., Frankreich/Brasilien, 1959, PortugOmdtschU
Rio de Janeiro in den 50er Jahren. Mitten in den Karnevalsvorbereitungen begegnet Euridice, ein einfaches Mädchen vom Land, dem Strassenbahnfahrer und Frauenheld Orfeu. Obwohl Orfeu mit Mira verlobt ist, verlieben sich die beiden leidenschaftlich ineinander. Die eifersüchtige Mira schwört Rache und möchte Euridice umbringen… Angelehnt an die griechische Tragödie "Orpheus und Euridike" erzählt Marcel Camus die Ballade zweier Liebender als poetischem Rausch von Farbe und Rhythmus.

Sonntag, 2.April, Museum für Völkerkunde München
18 Uhr
Dokumentation: Voodoo - Mounted by the gods
Alberto Venzago, 92min., Schweiz/Deutschland, 2001, OmenglU.
Ouidah, Benin. Die Hafenstadt im ehemaligen Königreich Dahomey war Jahrhunderte lang eine der größten Verlade-Stationen für Menschen, die als Sklaven in die "Neue Welt" verschifft wurden. Monument des Schmerzes - virtueller Heimatort für Millionen Afroamerikaner. Hier hat der afrikanische Voodoo heute eines seiner wichtigsten Zentren. Bildgewaltig inszeniert der Film die Geschichte eines jungen Mannes, der unerwartet schnell vom Novizen zum Priester wird. Viel zu früh liegen in seinen Händen Macht und Mächte, die es zu lenken gilt.

20.30 Uhr
Dokumentation: Fala Tu - Lives of Rhyme
Guilherme Coelho, 74 Min., Brasilien, 2003, PortmenglU
Der Film begleitet drei Rapper aus den Favelas von Rio de Janeiro - unter ihnen eine alleinerziehende Mutter. Aus der "Strassen-Perspektive" gewährt der Film dem Zuschauer einen Einblick in die Kultur des brasilianischen Hip-Hop - abseits von Klischees à la MTV.

Text: Inga Harenborg
Fotos: Pierre Fatumbi Verger