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[art_2] Brasilien: Gastspiel beim Noch-Weltmeister
Matthäus wird Trainer bei Atlético Paranaense

Kyocera Arena, Curitiba, Südbrasilien: Eine Putzkolonne fegt das Stadion von Atlético Paranaense noch einmal richtig durch. Der Rasen wird gewässert, und noch sind die funkelnagelneuen Sitzschalen der Trainerbank in Plastikfolie verschweißt. Alle warten auf Lothar Matthäus. Er wird hier am 01. Februar Platz nehmen. Der ehemalige Kapitän der deutschen Weltmeisterelf von 1990 und Weltfußballer des Jahres 1991 ist auf der Suche nach einer neuen Herausforderung als Trainer in Südamerika auf Atlético Paranaense gestoßen.


Spieler, Funktionäre und Fans von Atlético Paranaense sind stolz darauf, Loddar für sich gewonnen zu haben. Er soll dem Klub Titel bringen. Bisher schmücken erst zwei Sterne die rot-schwarzen Vereinstrikots. Ein silberner für den Gewinn der 2. Liga im Jahre 1995, der den erstmaligen Aufstieg des 1924 gegründeten Vereins in die erste Liga bedeutete. Und ein goldener für die 2001 errungene brasilianische Meisterschaft. Viel zu wenig für den aufstrebenden Klub.


Matthäus Name steht in Curitiba für Effizienz und teutonische Disziplin - klassisch deutsche Tugenden sollen dem Team im Wettbewerb mit anderen brasilianischen und südamerikanischen Mannschaften Vorteile bringen. "Trotz all der neuen Strukturen, die wir geschaffen haben, wie das neue Stadion und Brasiliens modernstes Trainingscenter, haben wir nicht so viele Titel gewonnen, wie wir vorhatten. Oder wie wir sie eigentlich verdient hätten", sagt Antonio Carlos Gomes, als technischer Leiter zuständig für die Trainingsplanung bei Atlético.


2004 wurde der Klub nur Vizemeister des Campeonato Brasileiro, der brasilianischen Meisterschaft, und letztes Jahr unterlag man im Finale der Südamerika Champions League, der Copa Libertadores, dem späteren Weltpokalsieger FC São Paulo. Das soll nicht wieder passieren.


Doch Atlético erwartet noch mehr von Matthäus als viele Titel: er soll auch helfen, den Export eigener junger Spieler ins Ausland, vor allem nach Europa, anzukurbeln. Man will seine weltweit guten Kontakte innerhalb der Fußballszene nutzen, um Atlético und seine Spieler bekannt zu machen. Atlético hat in den letzten Jahren konsequent auf Jugendarbeit und Talentförderung gesetzt. Ein Netz von vereinseigenen Fußballschulen überzieht das ganze Land. So sind Brasiliens Jugendnationalmannschaften seit den 90er Jahren mit Spielern Atléticos gespickt.


Wie Stürmerstar Dagoberto Pelentier, der bereits als neuer Ronaldinho gefeiert wird. Klubs wie der Hamburger SV haben sich schon um ihn bemüht. Doch noch gibt man ihn nicht frei. Zuerst braucht man ihn noch, um Titel zu sammeln. Zudem will Dagoberto noch in letzter Minute auf den WM-Zug aufspringen. Dass würde seinen Marktwert noch mal nach oben schießen lassen. Aber dafür muss er in den nächsten Monaten in Brasilien brillieren - und nicht in der deutschen Provinz.

Der Verein ist auf die Spielerverkäufe angewiesen. Der vereinseigenen Kyocera Arena, 1999 eingeweiht, fehlt noch die Tribüne der Gegengeraden. Bis Ende 2007 soll die Lücke geschlossen werden, was das Fassungsvermögen der Arena von 25.000 auf 40.000 Besucher ansteigen lassen wird.


Außerdem wird das vereinseigene Trainingscenter vor den Toren der Stadt noch einmal kräftig ausgebaut. Schon jetzt stehen acht Rasenplätze, ein Platz für spezielles Torwart- und Schusstraining, Krafträume und feinste sportmedizinische Einrichtungen zur Verfügung. 2002 bereitete sich hier Brasiliens Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft in Japan und Korea vor.


Matthäus wird wohl lediglich auf Samba und Carnaval verzichten müssen. "Curitiba ist die Stadt in Brasilien, die Samba am meisten hasst. Es gibt starke kulturelle Bewegungen in der Stadt, die versuchen, den Carnaval und damit auch den Samba abzuschaffen", erzählt Toni Casagrande, Pressesprecher des Vereins. "Sie wollen Curitiba während der fünften Jahreszeit in eine carnavalsfreie Stadt verwandeln. Dann können all die Brasilianer, die den Carnaval nicht mögen, hierhin flüchten, und in aller Ruhe Jazz hören."

Ob Matthäus wohl Jazz mag?

Text + Fotos: Thomas Milz