caiman.de 02/2005
[kol_2] Grenzfall: Das Schwein von Aloria
Als eine Art Reisekleingruppe oder auch kleine Reisegruppe fuhren wir ins schöne Baskenland in ein beschauliches Dorf Namens Aloria. Dieser Ort umfasst vier Häuser und trägt mit Recht die Bezeichnung Dorf, da das Zentrum eine winzige aus Stein gebaute Kirche ziert.
Ansonsten ist diese kleine Häuseransammlung von Wiesen und Feldern umschlossen und es könnte das Gefühl aufkommen, dass hier die Welt noch in Ordnung ist, wenn es während unseres Besuches nicht konstant genieselt hätte. Ein Regen, der niemals wirklich verwässert, sondern eher eine ständige Feuchtigkeit und ein klammes Gefühl hinterlässt. Wir erreichten den Ort gutgelaunt und fröhlich trotz des schlechten Wetters. Und es folgte die Begrüßung, eine längere Zeremonie, die jeder kennt, der Großfamilie besitzt.
Wir wurden über den Hof in das Speisehaus geführt. Es wurde geredet, getrunken, gegessen und gegessen nur unterbrochen durch den Besuch der Mittagsmesse in der vier Schritte entfernten Kirche - bis zu dem Anruf, dem Anruf, der unser Leben, wenn nicht verändern, so doch prägen sollte. Die Häusergruppe neben unserer Häusergruppe fragte an, ob die Männer kommen könnten und helfen würden ihr Schwein zu schlachten. Man stimmte zu und fragte in die Runde, ob es sich jemand anschauen wolle. Im Nachhinein glaube ich, dass es sich dabei mehr um eine rhetorische Frage, denn um ein ernst gemeintes Angebot handelte. Ich, nicht mutlos, sprang von meinem Stuhl auf, claro que sí, yo quiero. Stille, die Köpfe drehten sich zu mir, lächelten, ich lächelte auch, noch! Mich begleiteten zwei unserer Gruppe und der männliche Teil unserer Gastgeber.
Die Männer packten das Tier, hievten es auf eine Bank, fesselten die Hinter- und Vorderläufe. Das Schwein quiekte, grunzte und wehrte sich vergeblich. Ich stand da und hatte Mitleid, dabei statt mir das Schlimmste noch bevor. In mitten der zehn starken Kerle stand eine kleine alte Frau, einen Eimer in den Händen. Die Haus- und Hofherrin. Als das Schwein endlich gebändigt war - gefesselt konnte es nur noch quieken - stellte sie den Eimer unter die Kehle der Sau. In gebückter Haltung gab sie das Kommando.
Ein letztes Schnauben, Aufbäumen und das Tier war tot. Die Männer beugten und streckten die Beine der Sau, damit auch der letzte Tropfen Blut herausläuft. Dann war alles vorbei. Es nieselte und nieselte, guter Tag zum Sterben.
Aus dem Nebenraum drangen Grunzgeräusche, letztes Trauergrunzen der Kollegen für einen gerade verschiedenen. Das Ganze hatte weniger als zwei Stunden gedauert, bleibt aber ein Leben lang im Gedächtnis haften. Text: Birgit Schönauer Fotos: Camila Uzquiano Hier kommt ihr zum Schlachtfest (Bildergalerie): [druckversion gesamte ausgabe] / [druckversion artikel] / [archiv: grenzfall] |