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[kol_1] Helden Brasiliens: Arnold´s Naschbar - Deutsche Küche in São Paulo

"Arnold`s Naschbar" liegt inmitten der Hügel São Paulos, doch sobald man es betritt, ist man zurück in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Mauerfall. "Vor 25 Jahren haben wir das Restaurant aufgemacht. Unser Haus war einfach zu groß, da mussten wir doch was draus machen," erzählt Herr Valdemar, der 90-jährige Besitzer italienischer Abstammung.

"Als Ingenieur baut man halt gerne, und dann hatten wir plötzlich acht Badezimmer. Und benutzt haben wir nur zwei." Mitgeholfen beim Hausbau habe kein geringerer als die Architektenlegende Oscar Niemeyer höchstpersönlich, erklärt Herr Valdemar stolz.

Wir sind in einer anderen Zeit und Welt gelandet. Ein vergilbtes Neuschwanstein an der Wand, ein Haufen alter deutscher Bücher und Zeitschriften auf einem Wühltisch. Bier- und Weinkrüge aus deutschen Landen, soweit das Auge reicht.

"Die Deutschen meinen, sie müssten immer alles aufheben, als Erinnerung und zu historischen Zwecken. Wir Brasilianer sind da ganz anders - wir schmeißen einfach immer alles direkt weg." Da mag die deutschlanderfahrene Brasilianerin mir gegenüber wohl Recht haben.

Valdemars Frau Erika ist die Seele von Arnold`s Naschbar. Ihre Familie kam von Karlsruhe aus nach Brasilien. Im brasilianischen Fernsehen war sie auch schon mit ihren deutschen Würsten. Im Frühprogramm von Ana Maria Braga, der Küchenfee und Plaudertasche von TV Globo. Doch heute hat sie sich schon früh zurückgezogen.

Die Schlachtplatte wird gebracht. Vier große Würste, dazu Sauerkraut und Kartoffelsalat. Und zwei Sorten Senf. Deutsches Bier gibt’s auch, gerne im Ein-Liter-Krug. Dazu Geschichten von Herrn Valdemar. In der kleinen Hafenstadt São Vicente ist er aufgewachsen. Mit João Havelange, dem ehemaligen FIFA-Boss, sei er damals über die Drahtseile der Brücken geklettert. Und dann hinab ins offene Meer gesprungen. Das waren noch Zeiten.

"Moskau im Regen, Tränen im Gesicht" zwitschert der schon so oft totgesagte gute alte deutsche Schlager aus den Lautsprechern. "Apfelkompott" oder lieber den "Strudel" zum Nachtisch? "Apfelstrudel für die Dame, Schokoladenstrudel für mich", ertönt es aus meinem Mund.

Den Schwarzwald kennt Herr Valdemar von früheren Europareisen. Und Spanien, wo er in einem kleinen Restaurant am Ende der Welt mit niemand geringerem als Plácido Domingo gespeist hat. "Drei Lieder hatte er mir versprochen. Doch nach dem zweiten waren schon so viele Neugierige dazugeströmt, dass er nicht weiter singen konnte. Das letzte Lied müsse er ihm schuldig bleiben, sagte er noch." Wir sind pappensatt. Herr Valdemar ist müde. Doch bevor er sich zurückzieht, erzählt er noch eine kleine Anekdote seiner Europareise. Einen heute berühmten Sänger hat er damals in Nizza getroffen.

Freunde sind sie geworden. Kassetten mit seinen ersten Aufnahmen hat er Herrn Valdemar geschenkt. "Die sind leider geklaut worden", sagt er mit Tränen in den Augen. Besucht hat der Sänger die Familie in São Paulo. "Ich komm nicht mehr auf den Namen. Aber ihn kennt alle Welt."

Erinnerungen an vergangene Zeiten. Vergehende Zeiten. "Aus Köln bist Du also. Damals nach dem Krieg war der Dom noch voller Schusslöcher." Wir verabschieden uns. Die Schlachtplatte hat müde gemacht. "Júlio Iglesias heißt der Sänger", fällt Herrn Valdemar dann doch noch der Name des Sängers ein.

Draußen fällt der für São Paulo typische Nieselregen. "Moskau im Regen, Tränen im Gesicht."

Text + Fotos: Thomas Milz