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caiman.de 10. ausgabe - köln, oktober 2000
guatemala

"Botschafterin der Kultur"

Natürlich kenne ich diese Bilder von Lateinamerika, festgefahrene Stereotypen, von denen zwei besonders ausgeprägt sind.

Das erste das der kritischen "Neokolonialisten": die eine Mischung aus Unterentwicklung, Indios, Umweltverschmutzung, Ausrottung der Regenwälder, Urwald, Pyramiden, Wilden, Chaos, die dritte Welt schimpfen.

Und auf der anderen Seite das der Lustliebhaber: wilde Nächte, rassige Frauen, feuriger Tequila, traumhafte Strände, exotische Cocktails, erobernswerte Tropen.

Ich als einheimischer "Tropenbewohner", der was auf sich hält, und beide Bilder in seiner Lebensweise vertritt, aber auch einen gewissen Ruf seiner Vorfahren wahren muß, "man ist ja schließlich stolz auf sie" (gemeint sind die Mayas, Nahuats, Azteken, Quechuas, Pipiles: Indigenas alle, und nicht die gelbbärtigen Eroberer) muß also vorsichtig sein, wenn ich unsere Kultur weitervermitteln will.

Hat man also Gäste aus dem Abendland, muß man einen Plan haben, um etwas anbieten zu können, was nicht unbedingt die existierenden Stereotypen bestätigt.

Denn der Weitgereiste soll ja nicht den irrigen Eindruck vermittelt bekommen, es mangele an Sehenswürdigkeiten.

Zum Thema "Umweltverschmutzung" gibt es in Guatemala eine sehr originelle Fabrik.

Wir machen uns also auf den Weg in ein bekanntes indigena Dorf, genannt Quetzaltenango oder auch Xela, circa 4-5 Stunden von Guatemala City, oder je nach Standort 1.5 Stunden von Panajachel entfernt.

Der Weg führt uns durch vereinzelte, abgelegene Dörfer und eine Menge Schlaglöcher.

In Quetzaltenango angekommen, werden wir uns der Tatsache bewußt, dass große Städte auch im guatemaltekischen Hochland keine Seltenheit sind (wir hatten irrtümlicherweisse gedacht, dass es ein kleines Dorf sei und deshalb unsere Suche nach dem Objekt unserer Begierde kurz sein würde) und wir uns wohl oder übel nach dem Weg erkundigen müssen.

Es wird angehalten und nach dem Weg gefragt.

Jetzt kommt der eher schwierige Teil der Reise; denn, wenn man versucht, "die Kultur" zu verstehen, stellt man fest, dass dies sehr komplex ist.


Für die meisten Touristen (in Guatemala beziehe ich mich mit ein) fängt es schon bei der Sprache an.

"Fahren sie einfach zwei "Cuadras"geradeaus, dann rechts und nach ein paar Häuserblöcken können Sie es sofort sehen; ansonsten fragen Sie noch jemanden".

Kann in El Salvador, wörtlich genau das bedeuten, was gesagt worden ist oder auch "Ich habe keine Ahnung", "Ich habe jetzt keine Zeit", "Ich bin mir zwar sicher, aber wenn Sie sich verfahren, fragen Sie doch einfach noch einmal".

Ein weitgefächertes Angebot zur Auswahl entscheiden wir uns für die letztere Interpretationsmöglichkeit (denn der Gesichtausdruck war freundlich, jedoch ernst).

Spanisch ist sehr vielschichtig und kann Ausländern aus Ländern, in denen Worte mit übertriebener Gewissenhaftigkeit angewendet werden, manch einen nervlichen Zusammenbruch erzeugen.

Denn nicht überall bedeutet "morgen mach ich das " auch wirklich "morgen mach ich das".

Wir finden ziemlich schnell zu unsererm Ziel. Die Glasfabrik "Vitra" im Herzen Xelas, in ganz Mittelamerika für Ihre mundgeblasenen Gläser bekannt.

Ein Familienunternehmen, so erzählt man uns, das seit über 30 Jahren Gläser aus Altglas erstellt. Die Idee des Glasrecyclings gibt es also auch hier und anscheinend schon ein paar Jährchen länger.

Der Verwalter zeigt uns die Öfen der Fabrik und erklärt, welche Produkte auf welche Weise hier erstellt werden.


Wir machen Fotos und sehen uns beeindruckt um, Glasrecycling kann sehr interessant sein.

Die Gläser, die hier verkauft werden, sind alles andere als herkömlich:
Gläser inspiriert durch die wildesten Farben des Urwaldes und der blühenden Phantasie der Hochlandindios.

Dann noch die Preise, unfassbar: eine DM für ein mundgeblasenes, opales, tropisch wirkendes Weinglas... wo gibt’s den so was?!

pa`rriba

Übrigens auch in Europa sehr im Trend aber bedeutend teurer, versteht sich.

Neben Gläsern aller Art werden hier auch Lampen, Krüge, Kerzenhalter, Aschenbecher und vieles mehr produziert.

Nach der Besichtigung gönnen wir uns ein "Perro Cliente", Hot Dog vom Straßenverkäufer, was nicht gerade als Vehikel kultureller Annäherung dient (er ist nicht ganz so gut wie erwartet), aber dies ist eher ein unbedeutender Fehlschlag verglichen mit dem immensen Erfolg der Reiseleitung durch nicht typisch lateinamerikanische Gefilde.

Zum Schluß schleicht sich die Ironie des Lebens in unsere Köpfe, wurden nicht die Indios mit Glasperlen und Spiegeln gelockt, und ist es jetzt nicht tatsächlich andersherum?


Text und Fotos: Camila Uzquiano

Für weitere Infos kontaktiert: camila@caiman.de
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