Eigentlich wollten sie nur ein paar Fledermäuse fangen. Und so zogen einige Jungen, mit Netzen ausgerüstet, zu der ihrem Dorf nahe gelegenen kleinen Höhle "La mina". Ganz in der Nähe dieser bemerkte einer der Jungen einen schwachen, kühlen Luftstrom, der aus einem ca. 60 Zentimeter breiten Spalt im Fels zu kommen schien. Dieses genauer untersuchend, entdeckten die Jungen zunächst zwei Stalaktiten in einem Spalt verkeilt, die ihnen ein Weiterkommen unmöglich machten. Zu Fünft kehrten sie am nächsten Tag zurück. Nach einigen Anstrengungen gelang es ihnen, die Stalaktiten zu zerbrechen und den Weg frei zu machen. Francisco wagte sich als Erster in das Unbekannte vor. Es war der 12.Januar 1959.
Durch einen engen Kamin gelangte er zu einem Felsvorsprung im Inneren der Höhle. Die anderen folgten auf Knien, konnten sich aber schon nach kurzer Zeit wieder aufrichten. Wenig später erreichten sie mehr rutschend als gehend den Bereich der Höhle, der heute als "Saal der Kaskaden" bezeichnet wird. |
|
Ihre Laternen beleuchteten nur einen kleinen Umkreis, doch ihre Rufe und das Werfen von Steinchen vermittelte ihnen einen Eindruck davon, wie groß die gefundene Höhle wohl sein mochte. Der Schreck, der ihnen in die Glieder fuhr, als sie in einem versteckten Winkel auf zwei Skelette mit danebenliegenden Schüsseln stießen, ließ sie hastig die Rückkehr antreten. Im Dorf angekommen, berichteten sie zuerst ihren Lehrern von der Entdeckung, die dem jedoch keine größere Bedeutung beimaßen. Lediglich der Arzt des Ortes, Sr. Garces, wurde auf die Erzählungen der Jungen aufmerksam und startete in Begleitung des Fotografen Sr. Padial eine erneute Expedition in die Unterwelt. Beiden kam die Idee, die geschossenen Fotos der Tageszeitung "Sur" in Málaga zu schicken, die diese am 22. April 1959 veröffentlichte.
|
Dann ging alles Schlag auf Schlag. Die "Delegation archäologischer Ausgrabungen" in Málaga wurde aufmerksam. In Zusammenarbeit mit dem damaligen Bürgermeister Sr. Millon führte man eine Inspektion der Höhle durch und erkannte ihre wissenschaftliche Bedeutung. Im Gegensatz zu den meisten anderen Höhlen war der Zugang hier seit 3.000 Jahren verschüttet und somit vor "Schatzsuchern" verschont geblieben. Die Forscher stießen auf eine Fülle von wissenschaftlich wertvollen Funden. Die "Stiftung der Höhle von Nerja" wurde ins Leben gerufen, mit der Aufgabe, die wissenschaftliche Erforschung der Höhle zu sichern und Möglichkeiten der touristischen Nutzung zu entwickeln. Aus Anlass der Eröffnung der Höhle ließ sich die Stiftung etwas besonderes einfallen.
|
Tschaikowskis Schwanensee wurde von der französischen Ballettgruppe "La Tour de Paris" im Inneren der Höhle aufgeführt. Die Akustik und das natürliche, kathedrale Ambiente kamen bei Publikum und Kritikern so gut an, dass die Stiftung beschloss, Vorführungen dieser Art in Form eines jährlich stattfindenden Festivals durchzuführen.
Jahre später, die Höhle war bereits für den Publikumsverkehr geöffnet, wurde in einem schwer zugänglichen Bereich der Zugang zu einer weiteren, noch viel größeren Höhle entdeckt. Die Vielzahl an Höhlenmalereien und prähistorischen Funden lässt die Forscher vermuten, dass es einst einen inzwischen verschütteten Haupteingang gegeben haben muss. Ein Indiz dafür ist, dass der jetzige Zugang durch den vorderen Teil der Höhle viel zu lang und kompliziert gewesen wäre. Doch bis heute ist dieser nicht gefunden.
Besucher gelangen heute über einen künstlich geschaffenen Eingang ins Innere. Entlang der Wurzeln eines Sedebaumes trieb man von außen einen Schacht in das Erdreich, der heute einen bequemen Zugang ermöglicht. Am Ende des Tunnels gelangt man in dem "Veranstaltungssaal" der Höhle. |
|
Über 200 Meter reicht der Blick über eine fantastische Stalaktitenlandschaft. Eine Metallkonstruktion, die versetzt in dem Fels verankert ist, bietet 600 Besuchern Platz und eine gute Aussicht auf die Bühne am Boden der natürlichen Halle. Über einen Besucherweg gelangt man tiefer in die Höhle. Zunächst passiert man den "Saal der Gespenster", mit seinen 25 Meter hohen Stalaktitensäulen, und erreicht über zum Teil massiv in den Fels gehauene Stufen den "Saal der Kataklysmen"; den wohl beeindruckendsten Teil der Höhle. Von einem Vorsprung aus bietet sich ein grandioses Panorama. In der Mitte des Saales erhebt sich eine gigantische Säule aus Stalagmiten und Stalaktiten, 60 Meter hoch und 18 Meter breit. 15.000 Jahre sind seit ihrer Entstehung vergangen. Auf einigen heruntergefallenen Blöcken befinden sich Malereien von Menschen, die sich in prähistorischer Zeit bis in diesen entlegenen Teil der Höhle vorgewagt haben.
Das Tageslicht wirkt nach dem über einstündigen Rundgang durch die Höhle besonders intensiv. Das quirlige Leben empfängt einen in Form eines Andenkenfoto-Verkäufers und einer eintreffenden Schulklasse. Einige Minuten dauert es noch, sich von der Faszination und Atmosphäre der Höhlenwelt zu befreien - der Welt unserer Urahnen.
Text + Fotos: Jon F. Heitmann
Weitere Artikel zu Spanien findet ihr im Archiv.
|