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Spanien: Granadinos zwischen Siesta und Fiesta

Wer sich auf Reisen gerne dem Rhythmus der Einheimischen hingibt, dem sei in Granada auf jeden Fall dazu geraten, auszuschlafen. Es ist ein ganz besonderes Gefühl von Lifestyle, erst in den ruhigen Stunden des frühen Nachmittags langsam in den Tag zu starten. In der Siesta findet sich zu einem guten Buch das passende Straßenlokal, und wenn in dieser Zeit jemand zügigen Schritts über den Campo del Principe läuft, dann grenzt das schon an eine kleine Sensation.

Der Granadino ist dafür bekannt, dass er durchaus gerne ruht. Und man wird es ihm bei dieser Hitze sicherlich nicht übel nehmen, spart er seine Kraft doch für den Abend auf; und überhaupt: wer spricht hier schon von "Hitze"? Schön warm ist es in Granada an über 300 Sonnentagen im Jahr! – Das ist auch so eine Sache, die man in Andalusien sehr schnell lernt: Die Dinge positiv zu nehmen.

Zum zweiten Frühstück darf es neben leckeren Kleinigkeiten (Tapas) dann durchaus schon das erste Bierchen (Cerveza) sein, auf dass der Übergang von Siesta zu Fiesta auch an diesem schönen Tag geruhsam und fließend vor sich gehen wird. Alles eine Frage des Rhythmus, bei dem man gerne mit muss. In Granada wohnt man nicht, hier wird gelebt...


Das wirkliche Nachtleben beginnt erst gegen eins, und meistens ist man ganz automatisch mit dabei. Wie sollte man diesem Charme auch widerstehen? Im legendären Höhlenviertel Sacromonte wird der Flamenco zelebriert wie eh und je, aber auch sonst scheint es in der ganzen Stadt keine Bewegung zu geben, die sich den feurigen Rhythmen entziehen könnte. 50.000 bestens gelaunte Studenten, chicas und chicos aus aller Welt, feiern in den alten Gassen Albaycins. Knapp die Hälfte Spanier, der Rest Deutsche, Marokkaner, Engländer, Amerikaner, Japaner, Australier, Skandinavier... Alle Erdteile sind vertreten. Partykultur kann hier kein Schimpfwort sein; es ist die Realität! Und es gibt ein Wort dafür: La Fiesta, was reichlich frei übersetzt soviel bedeutet, wie "auch dieser Tag endet im Morgengrauen!"

Aber Granada hat noch viel mehr zu bieten als seine beiden Tageszeiten Fiesta und Siesta: Allen Attraktionen voran die Sagen umwobene Festung Alhambra (arabisch: die Rote), von der die Leute hier behaupten, sie wäre nach dem Vatikan die zweitmeistbesuchte Sehenswürdigkeit der Welt. Im 13. und 14. Jahrhundert erbaut, ist sie größtes Zeugnis maurischer Hochkultur auf der iberischen Halbinsel.


Als letzte Enklave des 800-jährigen Kalifen-Reiches Al-Andalus, war die Alhambra für die christliche Reconquista über Jahrzehnte uneinnehmbar, und die Weitsicht des letzten Nasriden-Königs Boabdil stimmt gerade aus heutigem Blickwinkel nachdenklich: 1492 übergab er die Stadtschlüssel kampflos der schönen Isabella Católica, auf dass dieser Traum aus Tausendundeinernacht nicht beschädigt und der Nachwelt in voller Pracht auf alle Zeit erhalten bleibt.

Die Siesta neigt sich dem Ende zu. Langsam kommt leben in die Stadt. Wir sind inzwischen vom Straßencafé in einen schattigen Park gewechselt und genießen das Ambiente. In kaum 30 Kilometer Entfernung steht die Sierra Nevada mit ihren bis zu 3500 Metern hohen Gipfeln. Ein Naturschauspiel, und der Gedanke, dass es sich bei Granada zu alledem auch noch um einen Wintersportort handelt, kann einen fast schon neidisch werden lassen: Man möchte sich um die Olympischen Spiele 2010 bewerben. Es scheint, als ob diese Stadt alles hätte. Europa zeigt sich hier von seiner besten Seite.

"Es gibt im Leben keine schlimmere Strafe, als ein Blinder in Granada zu sein."
(Alarcón y Cano)

Text + Fotos: Peter Oefele Druckversion  

Tipp: Fiesta, Ramadan und tote Helden. - Unterwegs in Frankreich, Spanien, Marokko und Portugal. (ISBN: 3-937034-00-5)
Der 29-jähriger Jurist und Autor Peter Oefele schreibt über das "Unterwegssein" als Zustand, durchaus im kerouac`schen Sinne, Andalusien, seinen persönlichen 11. September und den Alltag der Menschen eines Landes der arabischen Welt in der Zeit direkt danach. Er schreibt vom politischen Selbstverständnis der planetarischen Jugend, über eine Begegnung mit dem Musiker Manu Chao in Granada, das "alte" und neue Europa, hohe Berge, Andalusien, Islam, Koran und die Situation der Frauen in Marokko. Über Jimmy Hendrix, Jim Morrison und die Beats in Tanger ...

Ausstattung: 200 Seiten, 12 Fotos, 4 Landkarten – Anhänge: günstige Unterkünfte, Sehenswürdiges, Links & Literatur – Preis: 13,9 Euro

Auszüge findet ihr unter:
http://www.peter-oefele.de

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