caiman.denullausgabe-köln 01.12.1999
verkehrschaos

In San Salvador herrscht derzeit ein unglaubliches Chaos. Da im im Mai 1999 Präsidentschaftswahlen anstanden, versuchte sich die Regierung, mit welchen finanziellen Mitteln auch immer, des Volkes Gunst durch verstärkte infrastrukturelle Baumaßnahmen und Stadtsanierungen zu sichern.
Das Maximalziel wurde erreicht, die Partei gewann die Wahlen, obwohl die Bauprojekte in großem Rahmen nicht abgeschlossen werden konnten, will sagen: "Es geht voran, aber selbstverständlich tranquilo, tranquilo, tranquilo."
Allgemeine Straßenverkehrsordnungen (sehr schönes Wort) scheint es nicht zu geben; der mit der lateinamerikanischen Fahrweise sowieso schon überforderte "gringo" gerät angesichts der von drei verschiedenen Seiten auf eine Fahrspur drängenden Fahrzeuge vollends aus dem Gleichgewicht. Selbst der eigentlich ortskundige Salvadoreño ist überfordert angesichts der täglich fahrtrichtungstechnisch wechselnden Einbahnstraßen und Vollsperrungen.
Die Alternative wären somit öffentliche Verkehrsmittel, sprich: Busse!
Und...es ist nicht etwa so, daß "Bushaltestellen" nicht als solche zu erkennen wären, was demjenigen, der es bis hierhin geschafft hat doch einen Ausruf des Entzückens entlocken sollte. Das Unternehmen "Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels in Salvador" scheint reibungs- und gefahrlos in Angriff genommen werden zu können.
Jedoch es trügt der Schein! Und zwar sobald das öffentliche Verkehrsmittel sich der Haltestelle nähert, seine Fahrt verlangsamt, um dann gemächlich und mit geöffneter Hintertür an den Wartenden vorbei-zuziehen. Der aufmerksame Beobachter wird nun in Windeseile sein Gepäck schultern und den schon in leichten Trab gefallenen Salvadoreños folgend versuchen, auf das Gefährt aufzuspringen.
Früher US-amerikanische Schulbusse... Allerdings ist der Erfolg abhängig von Sprungkraft und dem bereits genutzten Grad der dem Bus zur Verfügung stehenden Kapazität.
Nun sollten gerade weibliche Akteure nicht darauf hoffen, daß die wenigen Vorteile des Machismo (zum Beispiel: Zuvorkommenheit) ihnen in einer solchen Situation tatsächlich mal zugute kämen.
Beim Busfahren hört selbst für die Salvadoreños der Spaß auf.
Lediglich wenn die Fortbewegung in einem privaten Kraftfahrzeug erfolgt, kann sich die holde Weiblichkeit der Vorzüge des Beifahrerdaseins erfreuen. Kein auch nur einigermaßen wohlerzogener Latino, der etwas auf sich hält, würde seine weibliche Begleitung einer solchen Tortur wie der des Selberfahrens aussetzen.
Die einzige Gefahr für die beifahrende Person besteht lediglich im Alkoholgehalt des Fahrers, wobei das Überfahren roter Ampeln bei Nacht übrigens kein Kriterium für die Beurteilung des Promillewertes bilden sollte.
Anderseits bildet die einzige Bedrohung für den (selbstverständlich) nüchtern fahrenden "gringo" seine weibliche Beifahrerin, sofern sie allerdings waschechte trinkfeste Salvadoreña ist.
Der zwangsläufig aus dieser Konstellation resultierende Disput auf dem Nachhauseweg könnte beispielsweise so oder so ähnlich lauten:
Sie (erstaunt): "Wieso halten wir?"
Er (erstaunt über die Frage): "Weil die Ampel auf rot steht."
Sie (fassungslos): "Aber es kommt doch gar keiner!"
Mitunter sollte dann der Fahrer den Lautstärkeregler der im Gefährt befindlichen Musikanlage bedienen.

Andererseits: Lang leben die kulturellen Unterschiede!
Für mehr Info kontaktiert: soenke@caiman.de (Sönke Schönauer)