Portugal: 36 Stunden Lissabon
Der Plan war gut. Das Angebot der TAP Air Portugal, auf dem Weg nach Brasilien einen Zwischenstop in Lissabon einzulegen und mal endlich den weißen Fleck auf der persönlichen Europakarte auszutilgen, sollte es möglich machen. Die zwei mit Geschenken für Freunde und Bekannte in Brasilien randgefüllten Koffer an der Gepäckaufbewahrung abgegeben, den kleinen Rucksack mit all den Dingen, die man für einen Kurzaufenthalt braucht, auf den Rücken geschnallt und ab sollte die Erkundungstour gehen.
Doch die Realität holt einen spätestens an der Gepäckaufbewahrung am Lissabonner Flughafen
Lisboa Portela ein. "Aus Gründen der nationalen Sicherheit" sei die Gepäckaufbewahrung leider geschlossen, verkündet ein an das Kassenhäuschen geklebter Zettel. Man fürchtet in den Koffern versteckte Bomben, erklärt ein demnächst dann wohl arbeitsloser Bediensteter betroffen. Nun gut, von so was lässt man sich ja nicht direkt entmutigen, dann nimmt man die beiden Koffer zu je 32 Kilo halt mit.
Peace Concept heißt dieses Angebot in der Sprache der Airlines übrigens, 64 Kilo Gepäck, auf zwei Gepäckstücke verteilt, plus einem Stück Handgepäck, nicht schwerer als acht Kilo. Der an sich sehr schöne Friedensgedanke ist jedoch schon in der ersten Kurve, die der rasante Bus der Linie 91 Richtung Zentrum einschlägt, verflogen. Warum sollte man die Gepäckaufbewahrung in die Luft sprengen wollen, wenn man genauso gut seine Koffer durch Autobusse rutschen lassen kann (Dafür ist der Bus für TAP-Reisende übrigens kostenlos!).
Morgenstimmung auf der
Praça da Figueira
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Immerhin verdanke ich dem Busfahrer den Tipp, in der Umgebung des Rossio und der daran angrenzenden Praça da Figueira nach einer günstigen Übernachtungsmöglichkeit Ausschau zu halten. Zu meinem eigenen Erstaunen schaffe ich es sogar, mit meinem gesamten Gepäck bis zu 30 Meter am Stück zurückzulegen, bevor ich die nächste Verschnaufpause einlegen muss.
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Am besten erst ein mal in Ruhe einen äußerst cremigen und starken Kaffee genießen, darauf warten, dass sich ein Ehepaar aus der Schweiz neben einen setzt und sich gerne bereit erklärt, auf die beiden Koffermonster aufzupassen ("wollen Sie auswandern?"), während man selber erleichtert auf die Pirsch nach einem Übernachtungsplätzchen gehen kann.
Der Rossio, der eigentlich
Praça Dom Pedro IV. heißt, ist der ideale Ausgangspunkt für eine Erkundung der Stadt. Von hier aus kann man die sich Richtung Tejo anschließende Unterstadt, die "Baixa", begehen.
Über die Rua Augusta, Lissabons berühmteste Straße voller Straßenkaffees, schicken Boutiquen und in Anzüge gekleideter Haschischverkäufer (wo gibt es so was heutzutage denn noch?) und durch einen beeindruckenden Triumphbogen kommt man auf die Praça do Comércio, wo früher der portugiesische König seinen Palast hatte, bis dieser dem Erdbeben von 1755 zum Opfer fiel.
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Praça do Comércio
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Das Tejoufer offenbart Lissabons Problem: wer sich auf romantische Spaziergänge am Tejo gefreut hat, wird von mehrspurigen Schnellstraßen, laut daherrasselnden Vorortzügen und recht unansehnlichen Hafenanlagen begrüßt. Die wirkliche Romantik Lissabons findet sich eher in den engen, hügeligen Straßenzügen von Stadtvierteln wie Alfama, Belém und dem Bairro Alto, wo man sich von den alten Straßenbahnen,
Eléctrico genannt, in anschaulichem Tempo durch die Gegend rumpeln lässt. Die Linie 28 durchquert alle wichtigen und schönen Plätze und Straßen.
Angeblich sollen die alten Bahnen schon lange nicht mehr rentabel sein, aber es traut sich wohl auch niemand, dieses Wahrzeichen Lissabons stillzulegen. Ähnlich den eisernen Aufzügen, die die Ober- mit der Unterstadt verbinden und vor allem von Touristen benutzt werden.
Straßenbahn in der Oberstadt
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Aber richtige Entdecker gehen zu Fuß. Es sind vor allem drei Dinge, die auf den ersten Blick das Straßenbild bestimmen: die vor den Fenstern und damit mitten auf der Straße zum Trocknen aufgehangene Wäsche, die Unmenge deutschsprachiger Touristen (es ist die Woche vor Ostern und damit Ferienzeit) und die auf jedem freien Flecken geklebten Plakate mit Slogans gegen die von der portugiesischen Regierung unterstützte Irak-Politik der USA.
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Daneben bietet Lissabon Unmengen faszinierender Bauwerke und beeindruckender Plätze, die größtenteils nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 unter der Regentschaft des
Marquês de Pombal errichtet wurden. Zudem bieten zahlreiche Aussichtspunkte Gelegenheit, den schönen Ausblick mit einem kräftigen Espresso oder einem typischen Glas Rotwein zu begießen.
Ein unbedingtes Muss für jeden Lissabon-Besucher ist das westlich der "Brücke des 25 April" gelegene Stadtviertel Belém, welches das Erdbeben nahezu unbeschadet überstand und deshalb die beeindruckendsten Zeugnisse des "alten" Lissabon zu bieten hat.
Neben dem Amtssitz des Präsidenten, dem Palácio de Belém aus dem Jahre 1700, dem Torre de Belém von 1516, der sich einst weit draußen auf einer Insel im Tejo befand, doch durch Veränderungen des Flusslaufes mittlerweile am Ufer steht, finden wir hier auch das Mosteiro dos Jerónimos, das Hieronymuskloster, dessen Bau 1502 begonnen und erst 60 Jahre später beendet wurde.
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Turm von Belém aus dem Jahre 1516
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Daneben erstreckt sich das Marinemuseum, welches die außergewöhnliche Geschichte der portugiesischen Seefahrer erzählt. Am schnellstens gelangt man mit den Vorortzügen, die ab der "Estação Cais do Sodré" fahren, nach Belém. Aber aufgepasst, aus irgendeinem mir unergründlichen Mysterium heraus fahren die Züge im Linksverkehr, so dass man eigentlich immer auf der falschen Bahnsteigseite steht und dann seinem Zug nur noch hinterher gucken kann.
Wen der Hunger überkommt, der sollte in Lissabons
Restaurants vorsichtig sein. Denn wer denkt, dass all die netten Dinge, die man zwar nicht bestellt hat, die aber trotzdem vor einem aufgebaut werden, ein höfliches Willkommensgeschenk des Restaurants darstellen, der sieht sich spätestens im Angesicht der Rechnung eines besseren belehrt. Lapidar verweist der Kellner auf den in der Speisekarte mit 0,80 Euro ausgewiesenen Posten "Couvert" und erklärt dann ganz dreist: "0,80 Euro pro Stück, und Sie hatten ja fünf Stücke Brot, zwei Stücke Butter, zwei Stücke Käse...", und schon ist die Rechnung dreimal höher als gedacht. In diesem Fall gibt es nur wenige Möglichkeiten: bezahlen, weglaufen oder so lange mit dem Kellner diskutieren, bis der sich geschlagen gibt (hierbei sind Presseausweise, die man ihm vor die Nase halten kann, besonders zugkräftige Argumente!). Um solchen recht peinlichen Situationen von vorneherein aus dem Wege zu gehen, sollte man immer erst fragen, was im Preis inbegriffen ist und was extra kostet, bevor man es verschlingt.
Denkmal der Entdeckungen von 1960
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Aber schon beim zweiten mal ist man dann schlauer und lehnt Brot und Käse dankend ab. Dafür sitzt man dann 15 Minuten vor dem mit Reis und Pommes Frites gefüllten Beilagenteller und wartet auf das als Hauptgericht bestellte Stück Fleisch. Die verdutzten Blicke der Köchin und des Kellners versteht man spätestens in dem Augenblick, in dem man das mittlerweile kalte Stück Fleisch unter dem ebenfalls kalten Reis und den zu Fettstangen erstarrten Pommes findet.
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Aber ein frischgezapftes Bier spült auch dies hinunter. Ach ja das Bier! Neben der so nicht erwarteten Unfreundlichkeit der Kellner wohl die Überraschung eines Lissabonbesuchs und deshalb in dieser Caiman-Ausgabe unter "Hopfiges" ausführlicher behandelt.
Nach
36 Stunden Lissabon bleibt ein etwas schales Gefühl zurück.