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Peru: Estilo Mestizo in Vulkangestein gemeißelt:
Das Kloster Santa Catalina in Arequipa

Die Aura, die von diesem einzigartigen Architekturensemble, seinen Kammern, engen Gassen, nach Blumen duftenden Patios und winzigen Plätzen ausgeht, beflügelt die menschliche Phantasie und verführt die Besucher dazu, sich bei jedem Schritt Szenen aus dem Alltagsleben der unzähligen Nonnen vorzustellen, die während der vergangenen vier Jahrhunderte in dieser "Stadt Gottes" gelebt haben. Denn in der Tat umgrenzen die Klostermauern eine Stadt innerhalb der Stadt Arequipa.

Das Kloster Santa Catalina ist das größte und beeindruckendste sakrale Monument im architektonischen Mischstil der Kolonialepoche, das die Spanier in Peru errichteten. Die Schönheit seiner Architektur ist umrahmt von den Blüten der subtropischen Vegetation eines angenehmen Klimas. Die Temperaturen liegen stets zwischen 10° und 28° Celsius. Das ganze Jahr über scheint die Sonne aus fast wolkenlosem Himmel. Santa Catalina ist die steinerne Krone der Stadt Arequipa, die in 2300 Meter Höhe in den Gebirgsausläufern der südlichen Anden Perus liegt.



wie eine arabische
Medida: die Gassen
von Santa Catalina

Die Eigentümlichkeit jener Epoche der Entstehung, jener mystische Drang nach dem Sakralen, machte es möglich, dass im Jahre 1579 der spanische Vizekönig von Peru, Francisco de Toledo, die Erlaubnis zur Gründung und zum Bau des riesigen Gebäudekomplexes erteilte. Der heiligen Katharina von Siena geweiht, umfasst dieser 20.426 Quadratmeter. Das gewaltige Klausurkloster blieb fast vier Jahrhunderte lang versiegelt vor den Augen der Welt – bis zum Jahre 1970, als die wenigen übrig gebliebenen Nonnen (meist junge Mestizinnen, Indígenas und Kreolinnen), die sich im viel zu groß gewordenen Klosterlabyrinth fast verirrten, in ein modernes und sehr viel kleineres Kloster umzogen. Danach wurde Santa Catalina endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und seitdem kann man dieses Juwel des sogenannten Kolonialstils ausgiebig bewundern.


im Orangenhof
Die Erbauer Santa Catalinas verfügten über ein besonderes Material: den so genannten "Sillar", Quader aus Vulkangestein mit poröser, weicher Oberfläche, reichlich vorhanden in der Berglandschaft in unmittelbarer Umgebung der Stadt, wo sich zahlreiche Vulkankegel erheben, wie z. B. der Misti (5821 Meter), der Chachani (6075 Meter) oder der Pichupichu (5425 Meter). Da dieses Baumaterial leicht zu bearbeiten ist, wurde eine pompöse Fassadengestaltung mit Einmeißelung sehr schöner Dekorationsdetails ermöglicht. Diese sind geprägt durch den "Estilo Mestizo", den spanisch- (bzw. andalusisch-) indigenen Mischstil, der während der Kolonialepoche die Kunst und Architektur auf dem gesamten amerikanischen Kontinent prägte und eine ganz neue, eigenwillige und mestizische Identität schuf.

In Arequipa und besonders im Kloster Santa Catalina kann man beobachten, dass die Fusion von spanischen und indigenen Elementen einen unverwechselbaren Eigencharakter entwickelte. Diese Vermischung ist der Beweis für kulturelle Begegnung, Akkulturation und Aufbruch zu neuem künstlerischen Ausdruck.

Die verschiedenen Merkmale der Architektur des 16. und 17. Jahrhunderts sind nahezu intakt erhalten. Die engen, oft tunnelartig überdachten Gassen, unterbrochen durch winzige Plätze und Patios, führen den arabischen Einfluss vor Augen, den die andalusischen Konquistadoren aus ihrer Heimat mitbrachten.



Beispel für "Estilo Mestizo":
Kupel der Jesuiten Kirche
in Arequipa

Viele Elemente einer arabisch geprägten andalusischen "Medina" kann man im verwinkelten Innern von Santa Catalina entdecken. Die Gassen in der Klosterstadt tragen Namen wie "Córdova" oder "Sevilla" und dokumentieren damit den speziell andalusischen Einfluss. Andererseits verraten viele Details der Dekoration aus mythischer Tierwelt, einheimischen Pflanzen und Früchten wie Bartnelken und Chirimoyas die indianische Herkunft der Künstler und Baumeister.

Das äußere Erscheinungsbild des Komplexes gleicht dem einer Festung oder Zitadelle. Im Innern ist besonders die aus Klosterbeständen neu eingerichtete Pinakothek hervorzuheben, die vorrangig Künstler und Gemälde der so genannten "Escuela Cuzqueña", der barocken Malerschule von Cuzco, vorstellt. Die hier ausgestellten vorrangig religiösen Barockgemälde waren vormals über die ganze Klosteranlage verstreut. Die Ölgemälde entstanden im Peru des 17. und 18. Jahrhunderts als künstlerischer Ausdruck einer Vermischung von Wertvorstellungen der inkaischen und spanischen Kultur. Zu ihren besonderen Merkmalen gehören kräftige Farben wie intensive Rot- und Blautöne, "Naturdekoration" in Form von Blattwerk und Vögeln als Umrahmung, Hervorhebung von Hauptpersonen durch Verschiebung der Größendarstellung und die fast ikonenhafte Verwendung von Goldgrund. Immerhin 400 Exponate dieser mestizischen Malerschule werden hier ausgestellt.

In der Klosterfestung befindet sich zudem ein Orangenhof, der an den Innenhof einer Moschee erinnert und mit Schatten spendenden Orangenbäumen gesäumt ist, die die drei Holzkreuze im Zentrum des Platzes überragen. Dieser schöne Kreuzgang wird umgrenzt von einem Säulengang aus in tiefem Himmelblau gestrichenen Vulkangestein. Außer der Pinakothek und dem Orangenhof sind noch der größte Kreuzgang des Klosters, der "Patio des Schweigens" und der Zocodover-Platz hervorzuheben, auf dem sich in früheren Zeiten die Nonnen jeden Sonntag nach der Messe versammelten, um mit selbst hergestellten Gegenständen Tauschhandel zu treiben.


Blick von der
"Calle Sevilla" auf
die Hauptkirche
Daher kommt der arabische Name, der an den Marktplatz von Toledo erinnert.

Die Gassen Córdova und Sevilla, der zentrale Waschraum, die große Klosterküche und die Hauptkirche stellen die "architektonische Wirbelsäule" von Santa Catalina dar, um die alle anderen Gebäude links und rechts gruppiert sind. Die Kirche wurde aus naturbelassenen, perlmuttfarben schimmernden Steinquadern erbaut und mit einer schönen Kuppel in Form einer "Halborange" (media naranja) bekrönt. Ihr Hochaltar im Neo-Barockstil und aus getriebenem Silber geformt ist der selig gesprochenen Nonne Ana de los Ángeles geweiht.


Zu Beginn unseres neuen Jahrtausends wurde die Altstadt von Arequipa und insbesondere das Kloster Santa Catalina von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Die offizielle Begründung: Santa Catalina repräsentiert in grandioser Weise die innovative Integration von architektonischen und künstlerischen Wesenszügen, die europäische und einheimische Elemente gekonnt kombiniert. Damit ist dieses Kloster ein fundamentales Beispiel der kulturellen Identität der Andenregion.

Die Architektur von Arequipa, seine freundlichen Bewohner und die schöne Umgebung können den Besucher so sehr in ihren Bann ziehen, dass die Stadt jedes mal neu den ursprünglichen Sinn ihres Namens wahr werden lässt: "Are-que-pay!" – "Hier will ich bleiben!"

Text + Fotos: Juan Carlos Castro Díaz

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Wir trauern um Juan Carlos Castro Dáiz, der kurz vor Heiligabend letzten Jahres bei einem Raubüberfall in Cuenca/Ecuador getötet wurde.

Tipps und Links:
Monasterio de Santa Catalina
Arequipa – Perú
Historisches Zentrum
Einlass von 9:00 bis 16:00 Uhr
Geöffnet bis 17:00 Uhr

Preis: S./ 25:00 (US$. 7,5)

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