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Macht Laune: Pfandfrei

1986, Ciudad de Guatemala, Guatemala:

Mit großen Augen verfolge ich, wie der Inhalt meiner soeben erworbenen Coca-Cola, noch in den Händen des Verkäufers, seinen Weg aus der Flasche in eine gewöhnliche Plastiktüte à la Frühstücksbeutel findet. Einen Strohhalm gekonnt geknotet, erhalte ich meine Ware hygienisch einwandfrei und transportfähig verschlossen.

1994, Quito, Ecuador:
In den späten Abendstunden kaufe ich acht Bier am Kiosk. Konsequent lehnt der Verkäufer jeden von mir angebotenen Betrag als Pfand für seine Flaschen ab, und so nehmen die im Hotel wartenden Freunde ihr Bier in Plastiktüten verblüfft aber glücklich entgegen.

2003, diverse Haushalte, Deutschland:
Auf dem Küchentisch häuft sich ein kleiner Berg aus Pfand-Marken, -Aluminiumtalern, -Kassenbelegen und Plastikblättchen mit unterschiedlichen Pfand-Wertangaben (von 25 Cent bis 2,5 Euro). Der Versuch eine Tüte mit klebrigen und leicht müffelnden Dosen im Supermarkt zurückzugeben, bringt mir tiefste Verachtung seitens des Filialleiters ein, dem einzigen Dosen-Rücknahme-Berechtigten des Supermarktes.

Und auch mein Vergnügen hält sich in Grenzen, eine zum kurzen Durststillen zwischendurch erworbene Dose, aus der doch immer noch ein letzter Tropfen seinen Weg in den Rücksack findet, mit nach Hause zu tragen; diese dort nach den unterschiedlichen Kaufläden, Kiosken und Tankstellen zu sortieren und zu archivieren, bis an einem bestimmten Tag X ich mit Sicherheit sagen kann, meine Wege werden heute diesen oder jenen Dosen-Verkaufsmarkt kreuzen - und ich dann auch noch darauf achten muss, dass ich die korrekte Leere-Dose-Tüte mit den korrekten Pfandchips mit mir führe.

2003, Köln, Deutschland:
Mit großen Augen verfolgt der Filialleiter, wie der Inhalt meiner kurz vor der Erwerbung stehenden Coca-Cola, noch nicht auf dem Band liegend, seinen Weg aus der Einweg-25-Cent-Pfandflasche in eine gewöhnliche Plastiktüte à la Frühstücksbeutel findet. Einen Strohhalm gekonnt geknotet, packe ich meine Ware hygienisch einwandfrei und transportfähig verschlossen unter den Arm und zahle keinen Pfand.

Wieder einmal in der Gewissheit, dass uns Lateinamerika in einigen Dingen um Jahrzehnte voraus ist: Pfandfrei macht Laune!

Text + Foto: Dirk Klaiber Druckversion

Weitere Artikel zur Kolumne findet ihr im Archiv.




















 
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