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Spanien: Beleckte Brote im Statü

Manchmal überkommt mich bei der Lektüre der heilige Zorn. Selbst bei Tageszeitungen mit internationalem Prestige wie El País gilt allzu häufig die Faustregel: ein deutsches Wort, zwei Rechtschreibfehler. Mittlerweile hat es sich zwar herum gesprochen, wie der aktuelle Bundeskanzler geschrieben wird, anfangs jedoch wurde das so überflüssig erscheinende "h" in Schröder wild im Wort herum gewürfelt. Mensch, denkt man da, ist doch nicht so schwierig! Von den in Spanien üblichen kleinen Bettel-Zetteln, auf denen der Verteiler wahlweise als taubstumm, blind oder vertrieben ausgewiesen wird, will man ja schweigen. Aber bei Speisekarten in Küstenstädten, in denen die deutsche Präsenz schon beinahe unangenehm ist, scheint es doch ein Leichtes, eine einigermaßen vernünftige Übersetzung zu erhalten, oder?

Den Vogel schoss allerdings vor einiger Zeit ein lokaler Brotbeleger ab. Nichtsahnend auf dem Weg zur Arbeit fiel mir dessen Werbespruch auf: Die besten beleckten Brote im Statü. Der Morgen war natürlich versaut: noch am Abend vorher hatte ich nämlich eines dieser so behandelten Brote verzehrt. Die Vorstellung, dass sie das Annoncierte mit meinem Sandwich gemacht hatten, drehte mir den Magen um.

Erst am Nachmittag vermochte ich das Komische der Situation zu erkennen. Es war wohl die Vision, eine entsprechende Stellenanzeige in der Zeitung zu finden, die mir das Lachen zurück brachte. Brotbelecker gesucht!

Voraussetzungen:
- Höchstalter 25 Jahre
- Führerschein Klasse III
- Widerstandsfähige Zunge

Ich habe natürlich davon abgesehen, das Personal des Ladens von ihrem Fehler zu informieren. Einmal gelacht, immer wieder gelacht. Und so wie ich müssen viele meiner Landsleute gedacht haben, denn besagte Aufschrift prangte wohl ein halbes Jahr am Ladenfenster. Leider habe ich aufgrund meiner Schadenfreude nie erfahren, was es wohl mit dem wundersamen Wort "Statü" auf sich hat.

Aber zurück zu Orthographiefragen. Wenn ich mich gegenüber meinen spanischen Freunden darüber auslasse, ernte ich normalerweise betroffene Gesichter, aber von Zeit zu Zeit auch ein spitzbübisches Grinsen: wieso sollte man béisbol baseball schreiben oder Clark Gable nicht genauso aussprechen wie er geschrieben wird?

Von deutschen Freunden kommt auch meist ein Lächeln: das allerdings ist eher mitleidig. Was soll man schon von einem Land erwarten, das scheinbar gerade erst der Dritten Welt enthüpft ist? Wie immer wäre auch hier Bescheidenheit eine Zier: In Mallorca Paella essen (beides mit deutlichem Doppel-l) ist vielleicht ein wenig zu stereotyp, aber wer kann schon von sich behaupten Moskau richtig auszusprechen oder das End-s bei Paris elegant unter den Tisch fallen zu lassen? Don Quichotte, der sich mit einem kehligen "j" und nur einem "t" schreibt, ist ein weiteres Beispiel, um gar nicht erst von dem einstigen Gewerkschaftsführer und späteren Präsidenten Polens zu sprechen. Ist es da nicht konsequenter gleich alles orthografisch anzupassen? Jänki? Wolliboll? Maskwa?

Das ändert natürlich nichts an den beleckten Broten oder anderen lustigen Sachen, die man auf Speisekarten und Webseiten findet (man achte einmal auf die kreativen Variationen des Wortes Bratwurst). Und noch weniger an den Scrhöders, Mulers, Baden Wurtëmbargs oder anderen Lustigkeiten in renommierten Tageszeitungen. Dagegen hilft ausschließlich kulturelle Bescheidenheit und die Fähigkeit, aus heiligem Zorn ein amüsiertes Lächeln zu machen.

Text + Fotos: Nil Thraby Druckversion  

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