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caiman.de 06. ausgabe - köln, juni 2001
portugal

Portugiesen zur See

Saudade – Sehnsucht, auf der Suche nach dem portugiesischen Lebensgefühl.

Portugiesen stehen unter dem Verdacht, ein wehmütiges Volk zu sein, das, verstärkt durch die geographische Lage am westlichsten Rand Europas, den Blick auf das weite Meer und die glorreiche Vergangenheit wirft. Im Gegensatz zu ihren spanischen Nachbarn frönen sie weniger lautstark der „pasión y vida“ und bevorzugen eher die leisen Töne. Vielleicht hat das Saudade-Gefühl, diese Mischung aus Sehnsucht, Einsamkeit, Melancholie und Wehmut die Portugiesen schon immer beherrscht. Denn noch heute nähren sich die Träume Portugals von den vergangenen Heldentaten großer Männer aus der ruhmreichen Entdecker-Ära.


Padrão dos Descobrimentos

Heinrich dem Seefahrer beispielsweise wurde noch zu Salazars Zeiten ein imposantes Denkmal am Tejo Ufer gebaut. Es trägt den Namen Padrão dos Descobrimentos und steht neben der Torre de Bélem, dem Wahrzeichen der Stadt Lissabon, Symbol einer ruhmreichen Seefahrernation. 1960 wurde es anlässlich des 500. Todestages von Heinrich dem Seefahrer eingeweiht.

In den Tejo hinein schiebt sich der Bug eines Schiffes - einer Karavelle - auf dem der Gründer diverser Seefahrtsschulen dargestellt wird, gefolgt von weiteren Helden aus dem Zeitalter der Entdeckungen: Manuel I., Vasco da Gama und Luis de Camões.

Wer war Heinrich der Seefahrer und was bleibt vom Mythos um seine Person?
Heinrich (1394 – 1460) war ein moderner Mensch, der sich vom mittelalterlichen Denken löste und letztendlich mit seinem Entdeckungswillen verantwortlich war für den Aufstieg Portugals zur Seemacht.
Geprägt von einem unheimlichen Wissensdrang, griff er ohne religiöse Bedenken auch auf arabische Quellen zurück.

Er bewies mit seinen durch ihn veranlassten Entdeckungs-
fahrten, dass das "Meer der Finsternis" südlich des Kap Bojador nur im Aberglauben der Leute bestand.

Torre de Bélem

Und dass die Welt dort weder aufhörte, noch Höllenglut und Seeungeheuer in diesen Breitengraden ihr Unwesen trieben.
So war es Heinrich zu verdanken, dass die mittelalterlichen Vorstellungen über Bord geworfen wurden - eine für die damalige Zeit herausragende Leistung. Sein langfristiges Ziel war es, einen Seeweg nach Indien und den Fernen Osten zu finden, um dort Handelsverbindungen aufzubauen, die nicht durch arabische Händler kontrolliert wurden. Diese zogen Nutzen aus ihrer geographischen Lage, indem sie alle Waren, die durch ihr Gebiet transportiert wurden mussten, mit Steuern belegten. Zudem nahmen die religiösen Spannungen im Mittleren Osten zu, nachdem die letzten islamischen Außenposten von der Iberischen Halbinsel vertrieben worden waren.

Das stilisierte Idealbild Heinrichs als uneigennütziger Forscher und Seefahrer ist heute etwas in Wanken geraten.


einstige Pracht
Als oberster Verwalter des Ordens der Christusritter (Nachfolger des Templerordens) finanzierte Heinrich seine Forschungen weniger aus eigener Schatulle als durch Mittel des Ordens und Steuergeldern, die er von den einfachen Leuten aus der Provinz eintrieb.

Zusätzlich profitierte er von den "Forschungsreisen" seiner Schiffe. 1444 hatte er in Lagos die monopolistische „Companhia de Lagos“ gegründet, über die der kontrollierte Handel mit Afrika abgewickelt wurde.

Beginn der Entdeckungsfahrten
Von Sagres aus begannen die Portugiesen Ende des 13. Jahrhunderts die unbekannten Meere südlich der Halbinsel zu erforschen. Sie entdeckten Madeira und die Azoren wieder, erreichten das Kap Bojador und landeten auf den Kapverden. So weit gen Süden war bis zu dieser Zeit keine Seefahrernation vorgedrungen.

Heinrichs Tod bedeutete nicht das Ende der portugiesischen Ambitionen. Vielmehr segelte man entlang der afrikanischen Küste nach Süden, von Guinea bis zum Kap der Guten Hoffnung und drang immer weiter in den Fernen Osten vor; bis Malakka und China. Mitte des 16. Jahrhunderts landeten die ersten Portugiesen in Japan.
Der Traum Heinrichs war Wirklichkeit geworden. Der Entdeckungsdrang führte die Portugiesen aber auch in westliche Gefilde.

Im Jahre 1500 betrat Pedro Álvares Cabral erstmals brasil-
ianischen Boden.

Surfer:
wahre Eroberer der Weltmeere

Doch Heinrichs Wirken war für Portugal Fluch und Segen zugleich: Weder Erdbeben noch Pest, sondern der Aufstieg zur Weltmacht überforderte das kleine Land. Und noch heute scheint das Volk unter der damaligen Auszehrung zu leiden und träumt von der einstigen Pracht und Größe.

Zumindest teilweise, denn die Jugend genießt vielmehr die exponierte Lage Portugals mit seiner ewig langen Küste und den begehrten hohen Wellen des Atlantiks. Heute sind die wahren Eroberer der Weltmeere die Wellenreiter und Surfer, die sich eher für Windstärke und Wassertemperatur als für Handelswege nach Asien interessieren.


Tipp:
Wer genaueres über Wellenhöhe und Wassertemperatur wissen erfahrt ihr unter:
http://www.infopraias.com/
http://portal.netc.pt/canais/Praias/webcam/

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