logo caiman
caiman.de archiv
 

Mittelamerika: Keine Nachhaltigkeit ohne Entwicklung
Erneuerbare Energien in Zentralamerika

Erneuerbare Energien, also Wind- und Wasserkraft, Erdwärme, Biomasse, Solarenergie u.a. hatten im Jahr 2000 einen Anteil von 13,8 Prozent an der gesamten global verbrauchten Energie. Auf Biomasse und brennbaren Abfall entfielen davon 11 Prozent, auf Solarenergie beispielsweise nur 0,039 Prozent. Auf der "Internationalen Konferenz für erneuerbare Energien – Renewables 2004" trafen sich im Juni in Bonn rund 3.000 Vertreter aus 150 Ländern, um über die Möglichkeiten zu diskutieren diesen Anteil zu steigern.

Es gab regionale Vorbereitungstreffen für diese Konferenz, so auch für Lateinamerika im Oktober 2003 in Brasilia. In der Abschlusserklärung sprachen sich die Teilnehmer dafür aus, den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix auf ihrem Kontinent bis 2010 auf zehn Prozent zu steigern.


Trotzdem war die Teilnahme der lateinamerikanischen und karibischen Staaten an der Bonner Konferenz insgesamt eher dürftig: Aus manchen Ländern kamen überhaupt keine Delegierten (Argentinien, Belize, El Salvador, Kuba, Paraguay, Venezuela), andere schickten nur einen einzigen Vertreter (Bolivien und Kolumbien), nur Brasilien und Mexiko entsandten große Delegationen (22 bzw. 32 Teilnehmer). (Vize)Minister verirrten sich nur rund zehn an den Rhein, davon vier aus Zentralamerika und zwei aus der Karibik.

In Lateinamerika haben nach Angaben des deutschen Entwicklungshilfeministeriums (BMZ) 56 Mio. Menschen keinen Zugang zu elektrischem Strom und 96 Mio. Menschen sind ausschließlich auf traditionelle Biomasse zum Heizen und Kochen angewiesen. Letzteres bedeutet meistens den unwiederbringlichen Verlust von Flora und Fauna im betroffenen Gebiet. Der Kontinent deckt 70 seines Strombedarfs (nicht Energiebedarf) aus Wasserkraft. Dieser Strom ist kostengünstig. Allerdings müssen beim Bau von Kraftwerken heute viele Sozial- und Umweltkriterien beachtet werden, die bei den Megastaudämmen der 60er und 70er Jahre keine Rolle spielten, so dass deren Bau mit großen negativen Folgen für die lokale Bevölkerung und die Umwelt einherging (z.B. Tucuri in Brasilien).

Das Thema der erneuerbaren Energien hängt eng mit Verschuldungsfragen zusammen: Einerseits wird es ohne Beseitigung der Armut keinen Schutz der natürlichen Ressourcen geben, andererseits verhindert die Staatsverschuldung, dass Förderprogramme gestartet bzw. neue Technologien entwickelt oder importiert werden.

Die überkommene Förderung fossiler Energieausbeutung durch die Weltbank ist ein weiterer Kritikpunkt. Klar ist aber auch, dass eine erfolgreiche Beseitigung der Armut den Energiebedarf erhöhen wird, so dass sie Hand in Hand gehen muss mit einer nachhaltigen Energiepolitik.

Erneuerbare Energien sind ihrer Struktur nach eher dezentral, weswegen eine zentralistische Politik hinderlich für die Umsetzung solcher Konzepte ist. Der Anschluss entlegener Siedlungen an ein nationales Stromnetz ist außerdem häufig sehr teuer und somit wenig sinnvoll. Daher sind lokale Kleinkraftwerke auf Basis regenerativer Energien die Lösung für eine dezentrale Energieversorgung. Wie zum Beispiel Klein-Wasserkraftwerke, die die Nachteile der o.g. Großprojekte – Überflutung riesiger Siedlungs- und Ackerbaugebiete, Wassermangel am Unterlauf der Flüsse, hohe Verdunstung am Stausee - größtenteils vermeiden.

Kleinprojekte haben Zukunft
In Zentralamerika ist der Energieverbrauch in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich angestiegen, in den meisten Ländern ist er heute doppelt so hoch wie 1980 (vgl. Tab. 1).

Land/Jahr
1980
1990
1995
1999
2000
Belize
372
561
808
634
675
Costa Rica
977
1216
1401
1709
1841
El Salvador
322
450
593
653
676
Guatemala
223
266
346
449
469
Honduras
250
407
499
566
611
Nikaragua
380
382
403
447
474
Panama
1001
1203
1351
1684
1680
Gesamt
6426
Deutschland
6080

Ein Umweltbewusstsein entwickelte sich in diesen Ländern sehr spät und immer noch sehr langsam – mit Ausnahme von Costa Rica, wo schon früh der Ökotourismus als Einnahmequelle erkannt wurde. Gründe dafür, sind Armut, Analphabetismus, fehlende Ausbildung und Kriege ebenso kriminelle Energie und Ignoranz. Umweltministerien und –behörden müssen mit geringen Mitteln haushalten und ihre Belange werden meist den anderen Politikfeldern untergeordnet. Internationale Kooperation und Projekte kompensieren diesen Zustand zum Teil, sind aber auch nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Auch die Energie-Gesetzgebung kommt erst langsam in Schwung: Honduras schuf 1998 mit dem Dekret 267-98 einen Anreiz für kleine erneuerbare Energie-Projekte, die Einkommenssteuer- und Zollerleichterungen erhalten, Guatemala erließ 2003 ebenfalls ein Gesetz für solche Projekte, das ebenfalls Steuerbefreiungen vorsieht.

Chancen bestehen einerseits in der regionalen Integration, die politisch zwar ins Stocken geraten ist, aber auf einzelnen Gebieten durchaus funktioniert: so gibt es zum Beispiel einen regionalen Energiemarkt, über den Engpässe schnell aufgefangen werden können sowie eine regionale Energiebehörde CCAD (Comisión Centroamericana de Ambiente y Desarollo), die sich auch mit Energiefragen beschäftigt. Im Februar 2005 findet in San Pedro de Sula, Honduras, die "II. Zentralamerikanische Konferenz über Erneuerbare Energien" statt.

Andererseits liegt ein großes Potential in den vorhanden Quellen erneuerbarer Energie, hauptsächlich in der Geothermie und der Wasserkraft. Costa Rica zum Beispiel deckt 80 Prozent seines Energiebedarfs aus Wasserkraft. Seit der Lockerung des staatlichen Stromerzeugungsmonopols Mitte der 90er Jahre dürfen auch private Betreiber Kraftwerke bauen. So entstanden mit deutscher Hilfe im Norden des Landes zwei kleinere Wasserkraftwerke, die zusammen 30 Megawatt (MW) Strom erzeugen und so etwa 120.000 Haushalte in der Region versorgen.

Die Geothermie kann aufgrund des vulkanischen Ursprungs des Isthmus in Zukunft stark zur Energieversorgung genutzt werden. Zwei Verfahren unterscheidet man: Die hydrothermale Geothermie nutzt Heißwasservorkommen zum Heizen und manchmal auch zur Stromerzeugung. Das "Hot-dry-rock-Verfahren" nutzt die Erdwärme trockenen Gesteins, an dem vorbei unter hohem Druck Wasser geleitet wird, dass dann erhitzt wieder an die Oberfläche gelangt und wie beim ersten Verfahren genutzt wird. Allerdings sind die Investitionskosten wegen der teuren Probebohrungen sehr hoch, so dass die zentralamerikanischen Länder hier internationale Unterstützung benötigen.


Wichtiger ist es jedoch, jeden Einzelnen in die neuen umwelt- und energiepolitischen Konzepte einzubeziehen, um schnelle Erfolge zu erzielen. In Guatemala gibt es zum Beispiel einige Projekte zur Optimierung der häuslichen Energienutzung durch verbesserte Öfen. In vielen Gebieten hat dort die Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität, 2/3 der Gesamtbevölkerung sind auf die Nutzung von Brennholz bzw. Holzkohle angewiesen, wobei letztere zwar eine höhere Energiedichte und somit geringere Transportkosten hat, aber bei ihrer Herstellung enorm viel Primärenergie verloren geht. Laut der guatemaltekischen Regierung beträgt der Anteil an Holz und Holzkohle am Gesamtenergieverbrauch der Haushalte 90 Prozent (Elektrizität 3,5 Prozent), wofür jährlich rund 2.500 ha Wald vernichtet werden. Um diesen Anteil zu verringern,, wurde versucht, "Brennholz sparende Herde" den Menschen schmackhaft zu machen. Dadurch dass diese geschlossen sind und aus wärmespeichernden Materialien bestehen, können bis zu 50 Prozent Einsparungen beim Holzverbrauch erzielt werden. Außerdem verhindern sie die freie Rauchentwicklung in Räumen und tragen so zur Reduzierung der hohen Anzahl der Atemwegsschädigungen vor allem bei Kindern bei.

Ein Herd kostet zwischen US-$ 50 und 100. Es gibt verschiedene Finanzierungsmodelle, wobei es am erfolgreichsten ist, wenn die Menschen ihren Herd zumindest zum Teil selbst bezahlen. Eine Finanzierung durch Mikrofinanzierungsinstitute nach dem Vorbild der "Grameen Bank" in Bangladesch, wie es in Bolivien schon gemacht wird, wäre denkbar.

In den Industrieländern kann man sich nicht vorstellen, was es für ein Dorf bedeuten kann, nach Sonnenuntergang über elektrisches Licht zu verfügen: Die Gesundheitsversorgung funktioniert länger, Erwachsenenbildung am Abend wird erleichtert, Straßenbeleuchtung ermöglicht es, abends auszugehen, gemeinschaftliche Aktivitäten – Tanz, Fernsehen, Sport - können so erst stattfinden. Die Lebensqualität steigt enorm.

Text: Torsten Eßer
Fotos: caiman.de
druckversion  

In der Novemberausgabe findet ihr eine Reihe von Interviews, die Torsten Eßer auf der "Renewables 2004" mit Verantwortlichen aus Honduras und Guatemala geführt hat.

Weitere Artikel zu Guatemala findet ihr im Archiv.







 
Archiv
nach




© caiman.de - impressum - disclaimer - datenschutz pa´rriba