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Grenzfall: Bucanero de Cumpleaños
Schwieriger Einstieg

Der Morgen begann fürchterlich. Wir stellten fest, dass uns über Nacht US-$ 100 abhanden gekommen waren. Natürlich traf niemanden die Schuld: weder Hotelbesitzer noch Zimmermädchen noch sonst jemanden. Unterschiedliche Erklärungen kursierten, und ich überließ die Gesprächsführung der Latina an meiner Seite. Dies traf die Kubaner unvorbereitet. Sie waren dem Verhör nicht gewachsen und so verließen wir das Hotel mit unserem verloren geglaubten Geld. Und wieder stellte ich fest, dass uns eine Menge Völker in Geldangelegenheiten weit überlegen sind.

170 Kilometer entfernt und 3 Stunden später versuchte ich meine Zigarette an der Kerze eines Orisha Altars zu entzünden, den ich leider erst auf den zweiten Blick als solchen erkannte. Die erboste etwa 70-jährige Besitzerin dieser Ansammlung unterschiedlicher mit blinkenden Lichterkerzen geschmückten Gottheiten konnte mich gerade noch stoppen. Kein Feuer, keine Zigarette!

Ich brauchte ein Bier, und es war klar, dass ich es nicht in einer der vielen für den Tourismus zugänglich gemachten unterirdischen Höhlen bekommen würde. Aber weit gefehlt. Es gibt solche und solche, Höhlen meine ich.

Vorbei an den Hinweisschildern für Kultur begeisterte Devisenverteiler stießen wir auf eine in den Fels gehauene Bar mit für den einheimischen Animateur zusammen gezimmerten Bühne. Und hier ging die Post ab. Vier Altkubaner mixten sich eine Cuba Libre (99 % Rum und der Rest Tropi Kola), ein leicht übergewichtiger Papa salsta mit seiner 4-jährigen Tochter (beide behänder als jeder Europäer) und der Entertainer brillierte auf der Bühne unter Zuhilfenahme seiner 2 Perücken.

Da mein geliebtes Cristal nicht anwesend war, fiel meine Wahl das erste Mal auf Bucanero, eines der einheimischen Starkbiere (mit 5,4 % muy fuerte). Die dunkelbraune Dose mit dem ähnlichfarbigem Etikett spiegelten mein aufkommende Depression wider. Schlechter Start in den Tag, kein Feuer, kein anständiges Bier.


Ich genehmigte mir den ersten Schluck. Glücksgefühl! Ich leerte die Dose und bestellte nach. Nach der fünften Einheit (ich hatte gleichgezogen mit den betagten Herren am Nebentisch) dominierte in meinem Kopf die Stereoanlage: die Menge raste, tobte auf der mittlerweile zur Tanzfläche umfunktionierten Bühne. Noch drei Bucaneros weiter traf es mich dann aus heiterem Himmel. Ich wusste, womit ich all dieses verspätete Glück verdient hatte. Die Uhr zeigte 20 Uhr (soweit ich das erkennen konnte) und den 20. Oktober und ich hatte Geburtstag; schon den ganzen Tag. Ich lehnte mich zurück und gönnte mir an diesem Tag das erste

Bucanero de Cumpleaños!

Text + Fotos: Sönke Schönauer Druckversion    

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