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Costa Rica: Kneipentour durch San Jose


Ein Meer unzähliger Flaschen übersät den Tresen. Männer in Lederkluft stehen neben Anzugträgern. Je nachdem was die Musikbox hergibt, erklingen ihre wilden Luftgitarren. Status Quo, Doors und Kiss dröhnen aus den Lautsprechern und sausen über die beiden Bildschirme rechts oberhalb der mitgenommenen Che Guevara Flagge und links über dem Toilettenprovisorium an der Stirnseite der Bar.

Der Raum gleicht einem Löwenkäfig. Nur geschützt durch den Tresen versorgt die Crew die trinkfreudige Menge mit Imperial, der Nummer eins unter den Bieren Costa Ricas.

Die Crew besteht aus zwei Mädels, beide um die 20. Die dunkelhaarige, enge schwarze Klamotten, Silberring durch den Bauchnabel, Sonnentatoo auf dem Rücken hat den Laden im Griff: Neigt sich ein Imperial dem Ende zu, so fängt ihr fragender Blick den Bezwinger des Biers: "Noch eines?"

Die Blonde ist zurückhaltender. Ihr Umgang mit den gutgelaunten Gästen wirkt weniger abgeklärt. Den Versuchen der Löwen, ihre Zuneigung zu erhaschen, weiß sie sich kaum zu entziehen. Den beiden zur Seite steht ein gut 1,9 Meter großer Tico, der in spielerischer Liebesbeziehung zum Tresen steht und den Eindruck erweckt, er gehöre der Bar seit der ersten Stunde.

Gleiches gilt für den Kassierer und den DVD-DJ. Besonders der Mann des Geldes erweckt den Eindruck, als gehöre ihm der Laden. Meist lehnt er an Ches Fahne oder steht vor einer der beiden Eingangstüren. Erst der Pfiff eines der drei Bier-Verfütterer, erzeugt durch die seitlich zwischen Daumen und Zeigefinger gefaltete Unterlippe, holt ihn zurück an die Kasse.

Nur ungern trennen wir uns vom wilden Saufgelage, doch unser Programm ist straff gestaltet: 20 Kneipen, Discotheken und Nachtclubs schreibt der anhand von drei Reiseführern ausgetüftelte Plan vor. Als Joe Cocker das zweite Mal in Woodstock "With a little help from my friends" zum besten gibt, starten wir in die Nacht. Das Mainieri, unsere erste Station, war schließlich rein außerplanmäßig und allenfalls zum warm trinken angedacht.

Ganz oben auf der Liste stehen: Bar Risas und New Yesterday Bar. Und obwohl wir drei Mal um den Block streifen und alsbald feststellen, dass die beiden gesuchten Stationen auf unserem unfehlbaren Ritt durch die Nacht nicht mehr existent sind, ist unsere Euphorie ungetrübt.


Denn der dritte Anlaufpunkt ist ein echter Knaller: Ein piekfeines Kolonialhaus zwischen Sheraton und Hilton gelegen. Im Inneren abgetrennte Räume mit ausladenden Tresen, alle gleich gestaltet und noch unbevölkert. Obwohl klar ist, dass es teuer werden wird, bestellen wir zwei Bier, denn das Key Largo ist immerhin die erste existierende Kneipe auf unserer Liste. Der Antrunk scheint verhext, denn erst jetzt bemerken wir, dass wir nicht allein sind, sondern schmierige US-Boys ab 45 aufwärts in etwas dunkleren Ecken versuchen, bei jungen Latinas zu landen oder sich landen zu lassen. Mit dem zweiten Schluck erscheint ein gut Mitsiebziger auf der Pseudotanzfläche, ein Mädchen im zarten Alter von vielleicht 18 Jahren im Arm. Sechs Dollar gehen über den Tresen und wir sind von dannen.

Listenplatz Nummer vier, El Tunnel del Tiempo, ist das Costaricanische Pendant zu Tanzschule Breuer, Schneider oder Schmitz in einer durchschnittlichen deutschen Kleinstadt. Jungs mit Oberlippenflaum und Mädels mit Zahnspangen wackeln im Takt.

Wir bringen unser obligatorisches Imperial geschwind hinter uns und türmen. Der Mann hinterm Tresen brüllt uns hinterher, wir sollen es im Einkaufszentrum El Pueblo versuchen.

Bevor wir noch weitere Pleiten erleben, die in diversen Reisführen als Knüller avanciert sind, steigen wir ins Taxi und vertrauen dem einheimischen Wegweiser. Keine drei Kilometer weiter entfacht sich vor unserem ungläubigen, an das so verschlafene San Jose gewöhnte Auge ein Feuerwerk internationaler Kneipenkunst. Musikrichtungen aller Art auf dem Plattenteller reihen sich Kneipe an Kneipe und Disco an Disco. Mit dem Wechsel von Bier zu Cuba Libre stürzen wir uns ins Getümmel, schwingen das Tanzbein und sind solange glücklich, bis Stunden später der Zettel der To-Visit-Liste auftaucht, der den so liebevoll ausgetüftelten Plan beheimatet, was an diesem Abend zu besuchen wäre und wir ihm nochmals eine Chance geben.

So verlassen wir diesen Ort der gänzlich guten Laune und steigen in ein Taxi, dessen Fahrer mit den vorgegebenen Lokalitäten vertraut scheint. Doch was wir auch ansteuern, entweder ist es geschlossen oder kann schon von außen als zwiespältig identifiziert werden.

Mit zwei Six-Packs ausgestattet landen wir früher als geplant im Hotel und überbrücken so die Zeit bis zum Frühschoppen im Mainieri, zwischen Rockern und Anzugträgern, zwischen Joe Cocker und Janice Joplin; jedenfalls fern von irgendwelchen Reiseführer-Night-Life-Knüllern.

Text: Dirk Klaiber
Fotos: Torsten Müller
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Unsere Tipps:
Comercial El Pueblo: ohne Ende Kneipen und Diskotheken mit Musikrichtungen aller Art
Bar Mainieri, Vom Teatro National 100 Meter Richtung Süden, Música en Video: 60`s, 70`s, 80`s

Flaches aus diversen Reiseführern:
Live Musik
Bar O.Key (Av. C./ C.17-19), neben Cine Bellavista

Bars
Bar Risas (Av.C.-1/C.1), 3 Stockwerke (oben Disko), Mindestkonsum 3 $
New Yesterday Bar (Av.3/C.7) - beide nicht mehr existent
Key Largo 8av.3/C.7), Parque Morazan, Eintritt 2 $ - alte US-Boys

Discos
Disco Salsa 54 (Av.1-3/C.3), Musica Latina
El Tunnel del Tiempo (Av.C/C.7-9), Musica Latina (Eintritt 2$)
El Iman (Av.C.-2/C.2), Eintritt 4 $

Nachtclubs
Cheri´s (Av.1/C.9)
Alcasar (Av.7/C.C)
Olympus (Av.5-7/C.C)
Josephine´s (Av.9/C.2-4)







 
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