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Der ewige Lula

Zum vierten mal stellt sich nun Luiz Inácio Lula (Tintenfisch) da Silva, Kandidat des Partido dos Trabalhadores, als Präsidentschaftskandidat zur Wahl, und wie schon bei den letzten drei Wahlen führt er die Meinungsumfragen an. Zunächst liegt er saftig in Führung, um dann im im zweiten und entscheidenden Wahlgang zu verlieren.

Bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen nach der Militärdiktatur Ende der 80er Jahre wurde er auf der Zielgeraden von Fernando Collor abgefangen, dem größten Desaster der brasilianischen Präsidentschaftsgeschichte überhaupt.

1994 und 1998 verlor er dann jeweils gegen Fernando Henrique Cardoso, dessen Wunschnachfolger José (Motorsäge) Serra zurzeit bei ca. 20% liegt, während Lula eine doppelt so hohe Zustimmung verbuchen kann. Dieses mal, so sind sich die Anhänger Lulas sicher, kann er wirklich gewinnen. Er scheint nicht mehr der kommunistische Bürgerschreck der späten Achtziger zu sein, dem man nachsagte, dass er jedem wohlhabenden Hausbesitzer ein paar arme Nordestinos ins Wohnzimmer setzen wollte.

Das glauben zwar immer noch einige ängstliche Mittelklassebürger, die übrigens auch der Meinung sind, dass es kein Arbeitsunfall war, sondern dass man dem Dieb Lula seine Finger abgeschnitten habe, weil er ständig brave Bürger beklaut haben soll.

zwischen den stühlen

In den Medien wird eher das Bild des gemäßigten, in Opposition ergrauten Lula gezeigt.

Allerdings scheint die internationale Finanzwelt einen Pakt gegen Lula geschlossen zu haben. Der nordamerikanische Finanzdienstleister J. P. Morgan hat nach Lulas steilem Aufstieg in den Meinungsumfragen gleich einmal den Risikoindex für Investitionen in Brasilien kräftig hoch gesetzt und damit ein mittelschweres Erdbeben in der brasilianischen Wirtschaft verursacht. So liegt das westlich-demokratisch-friedliebende Brasilien jetzt am Boden und auf Platz zwei in der Weltdivision der riskantesten Anlage-Länder, gleich nach Argentinien. Auf diesem Weg hilft man den "sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiungen" dabei, sich auch wirklich zu erfüllen.

Die Botschaft ist klar: lieber in einer afrikanischen Schurkendiktatur oder bei asiatischen Kommunisten sein Geld anlegen als in einem von der Arbeiterpartei regierten Brasilien. So schnell ändern sich die Dinge in unserer schönen blau-globalisierten Welt.

Das gängigste Argument gegen Lula ist jenes, dass er niemals einen öffentlichen Posten inne hatte, also keinerlei Erfahrung beim Klauen und Regieren aufweist. Überhaupt sieht es der kleine Mann auf der Straße nicht gerne, wenn einer aus seinen Reihen plötzlich "ganz oben" ankommt: "Der ist doch genau so blöd wie ich, warum werde ich dann nicht auch Präsident?". Da ist es einfacher, die ewige Ordnung zu akzeptieren und jemanden mit einem Doktortitel oder einem adeligen Namen zu wählen. Oder jemanden, der bereits mit dem ungenierten Griff in die Staatskasse vertraut ist. "Der weiss wenigstens, wie man reich wird, und er hat schon für sich selber so viel geklaut, dass für uns auch noch was übrig bleibt."


auf dem präsentierteller
Wer wird also dieses mal für Lula stimmen? Eine sichere Bank sind die Studenten, Kinder aus der Mittelschicht, die ihre Eltern schocken wollen, indem sie einen PT-Aufkleber auf den von Papa bezahlten VW Golf kleben. Aber wird das reichen?

Einig sind sich jedoch fast alle Brasilianer in der Überzeugung, dass der lispelnde Lula nicht gerade der klügste ist. Im Gegensatz zu dem Weltbürger Fernando Henrique Cardoso, der jede Sprache dieser Welt fließend spricht und an Universitäten in 150 Ländern studiert und gelehrt hat, ringt Lula immer noch verzweifelt mit der eigenen Muttersprache. Lula, der ewige Zweite, lieb gewonnenes Symbol all derer, die es nie schaffen werden.

Und so lachen sie alle fleißig über Luiz Inácio Lula da Silva; die ganz unten, um von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken, die ganz oben, weil für sie alles beim alten bleiben wird. Nur bei der ewig ängstlichen Mittelklasse meint man ein nervöses Hüsteln zwischen den Lachsalven zu erhaschen: Ob nicht doch eines Tages die Nordestinos ihre Zelte im heimischen Vorgarten aufschlagen werden?

Text + Foto: Thomas Milz

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