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Brasilien: Sete Cidades: Zu verwunschenen Städten und Grotten

Die Hitze trifft uns wie ein Keulenschlag als wir die Gangway hinuntergehen. 38 Grad zeigt das Thermometer, in Sao Paulo waren es satte 13 Grad weniger. Nicht umsonst ist Teresina, die Hauptstadt von Piauí, mit einer mittleren Jahrestemperatur von 28°C als eine der heißesten Städte Brasiliens. Wir flüchten rasch ins klimatisierte Büro der "Locadora", der Autovermietung, erledigen den notwendigen Papierkrieg und düsen dann mit weit geöffneten Fenstern zu unserem Hotel.

Am späten Nachmittag kommt ein leichter Wind auf, die Hitze wird erträglicher und wir machen uns auf zu einer Stadtbesichtigung. Teresina wurde am Reißbrett geplant: breite, von Bäumen gesäumte Avenidas, Straßen, die sich exakt im rechten Winkel kreuzen und große Plätze. Die Orientierung fällt leicht. Wir parken in der Nähe der Praça da Liberdade und besichtigen als erstes die in einem dem Barock nachempfundenen Stil erbaute Igreja de São Benedito und anschließend den Palácio de Karnak, ein Gebäude in einfachen, schlichten, fast klassizistischen Formen. Der besonders schöne Garten, der den Regierungssitz umgibt, wurde vom bekannten brasilianischen Landschaftsarchitekten Burle Marx gestaltet.

Dann schlendern wir zum Museu de Piauí, das an der Praça Marechal Deodoro de Fonseca liegt und in einem historischen Gebäude aus dem Jahre 1859 untergebracht ist.


Es beherbergt eine etwas ungeordnete, aber deswegen nicht weniger interessante Sammlung: Fossilienfunde aus der Chapada de Araripe (Grenze zu Pernambuco), archäologische Funde aus dem Süden Piauís, Trachten und Uniformen aus dem vergangenen Jahrhundert und weitere Sammelstücke piauensischer Folklore sowie lederne Arbeitskleidung der Vaqueiros (Viehhirten). Der Bau selbst ist mit seinen hohen Decken und großen Öffnungen für eine optimale Luftführung ein gutes Beispiel für die gelungene Anpassung an die klimatischen Bedingungen im Norden Brasiliens.

Solche Plätze lieben natürlich auch die Fledermäuse. Wir sehen einige, die kopfüber an Balken hängend die Dunkelheit erwarten, um auf Insektenjagd zu gehen. Eine hat sich wohl in der Zeit vertan und flattert bereits bei Tageslicht in einem der Räume herum. Das missfällt einer Aufseherin und die Fledermaus bekommt ihre "Chinelas" (Pantoffeln) zu spüren.

Anschließend besuchen wir noch die Praça Dom Pedro II., bewundern die schöne Fassade des aus dem Jahre 1894 stammenden Theaters und die Ausstellung auf der anderen Seite des Platzes, die einen guten Überblick über das Kunsthandwerk in Piauí bietet: Figuren von Heiligen und Propheten aus Holz, lebensgroße Tonfiguren, eine Vielzahl von gewobenen und geflochtenen Decken, Tischtüchern und Hängematten aus Baumwolle oder den Fasern der Buriti-Palme. Am meisten gefallen uns die zum Teil realistischen, zum Teil abstrakten aus Eisenteilen und Blechen geschweißten Figuren – leider sind sie zu schwer zum Mitnehmen.

Am Abend genießen wir die Köstlichkeiten der regionalen Küche und verspeisen einen "Capote" (Perlhuhn mit Reis und Gemüse), dazu als Beilage "Maria Izabel" (in kleine Stücke geschnittenes "Carne seca", eine Art Bündner Fleisch, mit Reis). Eine etwas eigene Kombination aber äußerst wohlschmeckend.

Schon früh am nächsten Morgen sind wir unterwegs in Richtung Piripiri. Die ersten 80 Kilometer auf der "Transpiauí", die Teresina mit Fortaleza verbindet, sind angenehm zu fahren. Aber ab Campo Maior ändert sich das schlagartig und wir brauchen fast zwei Stunden, um die folgenden 42 Kilometer zu bewältigen. Schlagloch reiht sich an Schlagloch und wir benötigen manchmal die ganze Fahrbahnbreite, um uns an besonders tiefen Kratern vorbeizumogeln.

In Cocal de Telha wird dann die Straße wieder besser. Zur Mittagszeit erreichen wir schließlich Piripiri und kurz darauf die Abzweigung zum Parque Nacional de Sete Cidades. Unsere Bleibe, die Fazenda Sete Cidades (sieben Städte), liegt direkt am Eingang des Nationalparks.

Wir sind von der Hitze und der Fahrt etwas geschafft und verbringen deshalb den Nachmittag am Pool.

Wir sehen den leuchtend grünen Eidechsen, die hier häufig anzutreffen sind, bei der Jagd auf Insekten zu und beobachten eine "Iguana" (Leguan), die in den großen alten Bäumen auf der Suche nach Vogelnestern ist.

Als der Park am nächsten Morgen pünktlich um 8 Uhr öffnet, stehen wir schon erwartungsvoll vor dem Tor. Am "Centro das Visitantes" (Besucherzentrum) erkundigen wir uns nach einem Führer. Der Besuch des Nationalparks wäre zwar auch ohne Begleitung möglich, aber wir möchten auf die Ortskenntnis und die Informationen eines Ortsansässigen nicht verzichten.

Statt die "Sieben Städte" zu Fuß zu erkunden, wählen wir die Faulenzervariante und legen die Strecken zwischen den einzelnen Städten mit dem Auto zurück. Bei den so genannten Städten handelt es sich um Felsformationen aus Sandstein, die durch Wind, Sonne und den seltenen Regen im Verlauf der Jahrhunderte stark erodiert sind und dadurch phantastische Formen angenommen haben. Da gibt es einen Schildkrötenfelsen (Pedra de Tartaruga), einen Elefantenfelsen (Pedra de Elefante), einen Kanonenfelsen (Pedra dos Canhões), den Kopf Dom Pedro I., ein Schloss (Castelo), eine Landkarte Brasiliens (Mapa do Brasil) und vieles andere mehr.

Wir beginnen unseren Besuch mit der 6. Stadt, in der sich die Pedra da Tartaruga und die Pedra de Elefante befinden. Die Ähnlichkeit der Felsformationen mit den genannten Tieren ist unverkennbar. Die Gesteinsoberflächen und Farben unterstützen die Assoziation.

Wir betreten die 2. Stadt durch ein Felsentor, genannt "Arco de Triunfo" (Triumphbogen). Und nur wenige Schritte dahinter treffen wir an einer überhängenden Felswand auf die ersten Felszeichnungen. Es sind in der Mehrzahl abstrakte Darstellungen: Punkte, Kreise, Linien, Doppellinien in Form einer Leiter und Schlangenlinien. Daneben finden sich auch Abbildungen von Händen und stilisierte Darstellungen von Vögeln und Eidechsen. Wir verschießen fast einen ganzen Film, bevor wir uns auf den Weg zur "Biblioteca" und zum Aussichtspunkt machen. Er führt uns vorbei am "Paredão de Bromélias", einer Felswand, die von oben bis unten vollständig mit Bromelien bewachsen ist.

Die Biblioteca, ein langes Felsenband, das die Erosion aus einem Felsblock heraus gemeißelt hat, bietet einen schattigen und luftigen Rastplatz. Wir laben uns an lauwarmem Mineralwasser und steigen dann zum Aussichtspunkt auf.


Der Weg hat sich gelohnt. Vor uns liegt der gesamte Park, fünf Städte sind darin zu erkennen, und über die Grenzen des Parks hinweg schweift der Blick nach Osten bis zum Gebirgszug, der die Grenze zu Ceará bildet.

Weiter geht es zu den nächsten Städten und jede bietet eine Überraschung. Da ist in der 5. Stadt die "Furna do Indio", eine kleine Grotte mit prähistorischen Zeichnungen, die aber auch bis vor kurzem als Unterschlupf und Versteck für Leute diente, welche sich oder etwas zu verbergen hatten.

In der 4. Stadt finden wir die" Mapa do Brasil", einen Felsdurchbruch – filigran herausgearbeitet - der in seiner Form ziemlich genau dem Umriss Brasiliens entspricht.

Die 3. Stadt beeindruckt sogar mit zwei Felsformationen: dem Kopf von Pedro I. und dem Finger Gottes (Dedo de Deus). Zudem findet sich hier das "Furo Solsticial" (Sonnwendloch), eine Öffnung in einer Felswand, durch die am 21. Juni (Wintersonnenwende in Brasilien) bei Sonnenaufgang die ersten Lichtstrahlen fallen.

Aber am meisten überrascht uns das Naturschwimmbad der 1. Stadt, das selbst bei extremer Dürre nicht austrocknet. Der poröse Sandstein trägt das wenige Regenwasser zu einer undurchlässigen Schicht, die das Wasser zu zwei Quellen weiterleitet, die diese "Piscina" speisen.

Mittlerweile geht es auf Mittag zu und es ist kräftig warm geworden. Auch der leichte Wind bietet keine Kühlung mehr. Wir erholen uns ein bisschen im Schatten der Bäume, die das Wasserloch begrenzen, und machen uns dann auf den Rückweg zur Fazenda Sete Cidades.


Text + Fotos: Dieter Hauguth
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