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Brasilien: Vom Santuário Ecológico zum Morro da Boca

Es sind gerade mal acht Kilometer bis Praia da Pipa, Nach den letzten Häusern von Tibau führt die Straße am Rande der Klippen entlang, die gut 30 – 40 Meter zum Meer abfallen. Von den jeweiligen Aussichtspunkten haben wir einen weiten Blick über die "Enseada dos Golfinhos", die Bucht der Delphine, zu den roten Klippen, die die Bucht begrenzen bis hin zu dem Landvorsprung mit den Häusern von Praia da Pipa.

Als wir unser Ziel erreichen, beschließen wir Praia da Pipa zu Fuß zu erkunden. Auf der Hauptstraße reihen sich Geschäft an Geschäft, Bar an Bar, Restaurant an Restaurant. Obwohl wir uns in der Nebensaison befinden und es noch früh am Morgen ist, herrscht hier eine Menge Trubel. Wie mag es da erst in der Hauptsaison zugehen?

Vom ehemaligen Fischerdorf ist nur noch der Ortskern mit dem Kirchplatz und einer kleinen Kirche geblieben. Anstatt sich mühsam vom Fischfang zu ernähren, bilden heute Pousadas sowie Tauch- und Delphintouren die Haupteinnahmequellen der Dorfbewohner. Durch kleine Gässchen schlängeln wir uns zum Strand. Vom Atlantik her rollen mit einer langen Dünung die Wellenkämme heran; ein Paradies für Surfer. Diese herrliche Brandung lockte in den 70er Jahren die ersten Besucher in diesen damals noch völlig unbekannten Winkel des Bundesstaates Rio Grande do Norte. Und aus dem verschlafenen Fischernest ist in den vergangenen 30 Jahren ein Brasilien weit bekannter Treffpunkt geworden.

Wir stärken uns in einer kleinen Bar am Strand mit einem Cafezinho und erkundigen uns beim Wirt nach dem Zugang zu anderen, etwas entlegeneren Stränden. Wie er uns erklärt, sind die südlich von Praia da Pipa gelegenen Strände nur schwierig zu erreichen. Besser wäre der Zugang über Cunhaú.

Doch da es mittlerweile Mittag ist, verschieben wir die Fahrt und machen uns erst einmal wieder auf den Rückweg nach Tibau. Am Ortsausgang stoßen wir auf ein Schild mit der Aufschrift Santuário Ecológico da Pipa. Das erweckt unsere Neugier.



Wir folgen einer unbefestigten Straße, die durch dichten Buschwald steil nach unten führt. Nach einem knappen Kilometer erreichen wir einen schattigen Parkplatz an einem Teich. Gleich daneben befindet sich ein kleines Haus mit Informationen zum Santuário und einem kleinen Verkaufsstand, an dem Mineralwasser an müde Wanderer verkauft wird. Wir tanken zuerst einmal Wasser und informieren uns dann, was dieser kleine Naturpark, denn um einen solchen handelt es sich, alles zu bieten hat. Da gibt es elf Wanderwege verschiedener Schwierigkeitsgrade, die das 120 Hektar große Areal erschließen und Informationen über die ursprüngliche Fauna und Flora, die sich hier erhalten hat, vermitteln.

Aufgrund der Hitze wählen wir den direkten Weg zum Strand und kommen so über die Descida dos Piratas, den Abstieg der Piraten, zur Praia do Madeiro, einen Traumplatz: eine weit geschwungene Bucht mit einem feinsandigen, kilometerlangen Strand, begrenzt auf der einen Seite durch steile rote Felsklippen. Vor uns ein kleines Riff, das jetzt bei Ebbe zu Fuß begangen werden kann und in dem sich ein natürliches Aquarium gebildet hat. Hier tummeln sich Fische aller Art.

Hinter uns ragt die grüne Wand des Urwalds mit alten Bäumen und dichtem Unterholz empor. Wir suchen uns im Schatten der Bäume ein schönes Plätzchen, lassen uns von der steten Brise, die vom Meer her weht, langsam etwas abkühlen und genießen badend und faulenzend diesen wunderschönen Ort.


Als die Hitze am Nachmittag etwas nachgelassen hat, machen wir eine kleine Wanderung auf dem Passeio da Peroba mit seinem herrlichen Ausblick auf die Bucht der Delphine und kehren dann zurück zum Auto mit der Gewissheit, an diesen Ort zurück zu kehren.

Nachdem wir uns an der Bar unseres Hotels nach lohnenden Ausflugszielen im Landesinneren erkundigt haben, bekommen wir die Information, dass eine Fahrt zu einem Berg mit dem Namen Morro da Boca organisiert werden könnte, der in der Umgebung für seine Felsmalereien bekannt ist. Wir buchen die Tour gleich für den nächsten Tag.

Vierradgetrieben geht es in aller Herrgottsfrühe nach Westen. Bis Goianinha ist die Gegend dicht besiedelt und landwirtschaftlich genutzt. Nach Überschreiten der BR 101 verändert sich das Bild. Nur noch wenige Felder, dafür viel dürres, fast blattloses Strauchwerk, das gerade noch Nahrung für Ziegen bietet, und viele, viele kleine und große Kakteen. Ab und zu ist unter den wenigen Bäumen eine Hütte zu erkennen. Ob sie bewohnt ist, ist nicht auszumachen. Die wenigen Ortschaften, die wir passieren, sind langgezogene Straßendörfer, die bereits am Morgen wie ausgestorben wirken. Wir sind im Sertão, der Trockenzone im Nordosten Brasiliens.

Nach gut einer Stunde Fahrt zeichnet sich am Horizont eine Gebirgskette ab. Das ist unser Ziel, die Serra de São Bento. Im Näherkommen erkennen wir auch den Berg des Mundes, wie die Übersetzung von "Morro da Boca" lautet – ein unwahrscheinlicher Anblick, diese in einer liegenden Felswand Halbhöhle, als wäre sie künstlich angelegt worden.


Wahrscheinlich handelt es sich um einen seit je her bevorzugten Siedlungsplatz, der Schutz vor der Witterung und wegen seiner Lage auch Schutz vor Feinden bot.

Zuerst auf Karrenwegen und dann querfeldein nähern wir uns dem Berg. Zu Fuß quälen wir uns den letzten steilen Hang hinauf. Und dann stehen wir am Eingang. Gigantisch der gewaltige Felsüberhang, gigantisch auch der Ausblick. In einer Felsnische findet sich ein Altar und gleich daneben die prähistorischen Felszeichnungen. Unser Fahrer und Führer erzählt uns, dass dieser Altar regelmäßig Ziel einer kleinen Wallfahrt von Leuten aus der Umgebung ist. Wie lange schon mögen an diesem Platz die Menschen zu ihrem Gott beten? Neugierig kratze ich im Gesteinsschutt am Ausgang der Höhle ein bisschen herum, in der Hoffnung, vielleicht ein Steinwerkzeug oder einen Abschlag einer Werkzeugbearbeitung zu finden. Leider vergeblich. Doch ich bin mir sicher, dass man bei einer kleinen Grabung rasch fündig werden würde.

Auf dem Weg zurück zur Straße stoßen wir auf ein Farmhaus, in dessen Nebengebäude eine ganze Familie damit beschäftigt ist, Farinha de Mandioca (Maniokmehl) herzustellen. Es ist eine mühsame Arbeit – das Zerkleinern der Wurzeln, das Waschen und das anschließende Auspressen, der erste Trockengang mit Feinmahlung und schlussendlich der letzte Trockengang – alles Handarbeit, nur mit wenigen mechanischen Hilfsmitteln.

Irgendwo hat unser Fahrer eine Abzweigung übersehen und jetzt sind wir "in the middle of nowhere". Aber das ist uns gerade recht, denn so bekommen wir einen intensiven Eindruck von der herben Schönheit und unendlichen Weite des Sertão. Nach fast zwei Stunden Fahrt auf Schotterpisten und Karrenwegen erreichen wir dann wieder die Zivilisation in Form einer asphaltierten Straße.

Mittlerweile ist es früher Nachmittag und uns knurrt gehörig der Magen, denn seit dem Frühstück haben wir uns nur an Wasser gelabt. Im nächsten Dorf finden wir ein Wirtshaus. Es muss eins mit guter Küche sein, denn eine ganze Reihe von Autos und Lastwagen parkt davor. Also nichts wie rein.

Zur Entspannung nach der doch anstrengenden Fahrt und zum Anwärmen des Magens bestellen wir uns eine Caipirinha. Was dann kommt ist eine "Dose dupla" (ein Zweistöckiger), der den sagenhaften Preis von 1 R$ kostet. Caipirinha scheint hier an Stelle von Wasser getrunken zu werden, denn die Flasche Mineralwasser kostet schon 1,50 R$.

Speisekarte gibt es keine, folglich sind wir auf die Hilfsdienste unseres Fahrers und die Erklärungsversuche der "Moça", der Bedienung, angewiesen, die uns erklären, was die Küche zu bieten hat. "Carne de Sol" (luftgetrocknetes Fleisch) ist uns ein Begriff, Arroz (Reis) auch, Feijão (Bohnen) ebenfalls, aber was sich hinter Speisen wie Pacoca, Macaxeira, Baião de Dois verbirgt, können wir trotz aller Bemühungen und intensivstem Nachfragen nicht ermitteln.

Wir ordern Carne de Sol, Reis, Salat und bitten um einen "Probierteller" mit jeweils einer kleinen Kostprobe der uns unbekannten Speisen. Vorsichtshalber fragen wir noch, ob eine Portion für zwei Personen ausreicht. Nach einem prüfenden Blick bestätigt uns dies die Bedienung. Als dann das Essen aufgetragen wird, reicht der Tisch, der für sechs Personen ausgelegt ist, gerade aus, um die Vielzahl der Speisen zu fassen. Bei den Speisen handelt es sich um Cozinha caipira sertaneja (Hausmannskost aus dem Sertão), köstlich, gut gewürzt und reichlich.

Nachdem wir die stolze Rechnung von 30 R$ beglichen haben, machen wir uns auf den Weg zurück zur Küste. Die Sonne wirft schon lange Schatten, wir werden also relativ spät im Hotel ankommen. Aber das stört uns nicht im Geringsten, denn das heutige Abendessen wird sowieso wegen "Überfüllung" ausfallen.

Text + Fotos: Dieter Hauguth Druckversion  

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Companhia Nacional de Ecoturism

Die Website brasilnatur.com ist die deutsche Website der brasilianischen Reiseagentur Companhia Nacional de Ecoturismo, Rua Sena Madureira, 515 – Vila Mariana – Sao Paulo – SP – CEP 04021 – 051, Telefon 0055 – 11 – 5571 – 2525, Telefax 0055 – 11 – 5571 – 8114 mit der brasilianischen Website ciaecoturismo.com.br und der Email-Adresse comercial@ciaecoturismo.com.br

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