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Ausflug nach Penedo

Wir stehen an der Fährstelle am Rio São Francisco und warten auf die „Balsa“ (Fähre), die uns von Neópolis im Bundesstaat Sergipe nach Penedo im Bundesstaat Alagoas bringen soll. In den vergangenen 3 Stunden Fahrt von Aracaju her haben wir unseren Durst nur mit abgestandenem Mineralwasser stillen können. Da lockt natürlich das Angebot des Straßenverkäufers, der frisch gepressten Zuckerrohrsaft – vor Ort in einer kleinen Saftpresse hergestellt – an durstige Seelen wie uns verkaufen will. Zuerst sind wir etwas unentschlossen – wie sauber sind eigentlich diese Saftpressen ? - aber als wir sehen, wie er seine kleine Maschine ständig mit Wasser reinigt, jedem Kunden einen frischen Becher gibt und die benutzten ordentlich in einem Müllsack sammelt, sind unsere Bedenken verflogen. Wir bestellen deshalb freudig zwei Becher.

Während wir den köstlichen Saft schlürfen, sehen wir uns ein bisschen um. Stromaufwärts baden Pferde im Fluss, nicht weit weg davon wird Wäsche gewaschen. Und eine ganze Horde Kinder tummelt sich an der Anlegestelle im Wasser. Später dann stehen wir an der Reling unserer Fähre und genießen den Blick auf Sergipe.

Und was sehen wir da? Unser Zuckerwasserverkäufer, der alles so schön sauber hält, kommt mit einem Eimer zum Ufer, schöpft an der Anlegestelle Wasser aus dem Fluss und reinigt damit gründlich sein Arbeitsgerät – bem limpinho, wie die Brasilianer zu sagen pflegen. Jetzt wissen wir, was wir in Penedo als Erstes brauchen – mindestens eine Caiprinha für die innere Desinfektion zur Vermeidung irgendwelcher Folgeschäden.

Nachdem wir das Sanitärprogramm rasch und erfolgreich in der nächsten Bar hinter uns gebracht haben, ist Kunst und Kultur angesagt.

Penedo kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Gegründet wurde Penedo bereits kurz nach der Entdeckung Brasiliens durch Cabral, über das genaue Jahr – 1535 oder 1560 – sind sich die Gelehrten jedoch uneins.

An strategisch günstiger Stelle auf einem Hügel am Nordufer des Rio São Francisco gelegen, galt Penedo als wichtiger Stützpunkt bei der Erschließung und Verwaltung der Capitania des Jorge d‘ Albuquerque, die die heutigen Staaten Alagoas und Sergipe umfasste. Aus dieser frühen Phase sind leider keine Gebäude mehr erhalten. Als dann die Holländer 1630 in Pernambuco Fuss fassten und später ihren Einflussbereich auf Rio Grande do Norte, Sergipe und Alagoas ausdehnten, avancierte Penedo zum holländischen Stützpunkt. Davon zeugen noch die Überreste des Forts.

1653 wurden die Holländer durch die Portugiesen vertrieben, welche erneut die Macht übernahmen. Sie fokussierten ihre Anstrengungen auf die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens. Davon profitierten die Besitzer der „Engenhos de Açúcar“, der Zuckerrohrplantagen und Zuckerfabriken und mit ihnen die Stadt Penedo als Mittelpunkt eines großen Zuckerrohranbaugebiets. Aus der Zeit zwischen dem ausgehenden 17. Jahrhundert und dem Ende des 18. Jahrhunderts stammt die Mehrzahl der Baudenkmäler, die Penedo auch den Namen eines „Ouro Preto de Nordeste“ eingetragen haben.

Wir beginnen unseren Rundgang an der Flusspromenade nahe Kirche Nossa Senhora da Corrente. Im Barockstil erbaut, birgt sie im Inneren einen Hochaltar in Rokoko und Seitenaltäre, die bereits dem Klassizismus zuzuordnen sind. An den Wänden des Kirchenschiffs finden sich portugiesische Kachelbilder mit Szenen aus dem Leben Marias.

Dass Altäre in der damaligen Zeit nicht nur für den Gottesdienst genutzt wurden, zeigt das Versteck für entlaufene Sklaven, das sich direkt neben dem Hochaltar befindet.

Den Mittelpunkt der Stadt stellen das Franziskanerkloster und die Kirche Nossa Senhora dos Anjos dar. Der Bau letzterer begann zum Ende des 17.Jahrhunderts, wobei Erweiterungs- und Umbauten Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts durchgeführt wurden. Die Vorhalle der Kirche und die dem vorgelagerten Platz zugewandte Fassade zeigen sich im Stil des Spätbarock. In der Kirche entdecken wir ein Muttergottesbildnis in Wolkenaureole und einen reich geschmückten, vergoldeten Hochaltar; daneben die Sakristei und die darüber befindliche Bibliothek. Der Kreuzgang mit den Zellen der Mönche schließt sich unmittelbar an die Kirche an.

An vielen gut erhaltenen Häuserfassaden im Kolonialstil entlang, die wir im Vorbeigehen bewundern, kommen wir zum „Teatro Sete de Setembro“, dem ersten Theater, das in Alagoas gebaut wurde. Anschließend besichtigen wir die „Casa do Penedo“, ein kleines, aber interessantes Museum, das mit Schriftstücken, Bild- und anderen Dokumenten die bewegte Geschichte der Stadt zeigt.

Am Ende unseres Rundgangs landen wir auf der Praça Barão de Penedo, wo sich in einem Gebäude aus dem Jahre 1782, das noch tadellos erhalten ist, die Prefeitura (Stadtverwaltung) und die Secretaria de Turismo (Fremdenverkehrsbüro) befinden. Die Zimmer im Obergeschoss bieten einen traumhaften Blick auf das Tal des „Velho Chico“, wie der Rio São Francisco liebevoll von seinen Anwohnern genannt wird.

Wir haben es mit unserem Besuchstermin gut getroffen, denn heute ist Markttag. Nach Kultur und Kunst stürzen wir uns nun ins Markttreiben. Hier findet man alles, was das Herz begehrt. Angefangen bei Gegenständen des täglichen Bedarfs bis zu den Obst-, Gemüse-, Fisch- und Fleischpaletten der Region. Uns interessiert vor allem die Keramik. Die kleine Gemeinde Santana do São Francisco ganz in der Naehe ist bekannt für ihre Töpferarbeiten: Vasen, Töpfe, Schalen, Krüge, Tierfiguren und vieles mehr. Und nur das Fassungsvermögen unseres Autos kann unsere Kauflust bremsen.

Am nächsten Tag steht eine Bootsfahrt auf dem Rio São Francisco auf dem Programm. Piaçabuçu, ein kleiner Fischerort ca. 30 km flussabwärts von Penedo, ist der Ausgangspunkt. Nach gut einer Stunden gemächlicher Fahrt, mehr geschoben von der Strömung des Flusses als aus eigener Kraft, erreichen wir Foz do Rio São Francisco. Eine ganze Flotte von Fischerbooten ist hier bereits versammelt, denn – bedingt durch das Zusammentreffen von Süß- und Salzwasser – ist die Mündung äußerst fischreich.

Zuerst erklimmen wir auf der Alagoas-Seite eine der Dünen. Ein grandioser Blick von hier oben – ein menschenleerer Strand, so weit das Auge reicht, dahinter Kokospalmen, vor uns der Atlantik, der mit hohen Wellen gegen die Küste brandet. Trotz des starken Windes vom Meer her ist die Hitze schier unerträglich. Wir flüchten daher rasch in eine der „Piscinas Naturais“ (Naturschwimmbecken), die sich in unmittelbarer Nähe befinden.

Dann setzen wir auf die Sergipe-Seite über. Hier finden wir in einem Kokospalmen-Dschungel Schatten, dafür freuen sich die Mücken an frischem Blut und attackieren uns heftig. Selbst im Schatten und dem vom Atlantik aufkommenden Wind ist es hier sehr warm. Nachdem wir schon die spärlichen Wasservorräte des Bootes vernichtet haben, versuchen wir in einem nahegelegenen Fischerort etwas Trinkbares zu finden. Im lokalen „Supermercado“ haben wir auch Erfolg und können uns danach an warmer Cola aus der Dose laben.

Unser Bootsmann drängt zum Aufbruch. Wie er uns erklärt, ist sein Motor nicht der Neueste und nicht der Stärkste, deshalb werden wir fuer die Rückfahrt gegen die Strömung wahrscheinlich die doppelte Zeit brauchen. Wir liegen gut in der Zeit und sind schon in Sichtweite von Piaçabuçu, als der Bootsdiesel schwächer wird und dann völlig seinen Geist aufgibt. Wir befürchten, wie Galeerensklaven rudernd den Rest des Weges zurücklegen zu müssen. Aber wir haben nicht mit dem Improvisationstalent und dem Mechanikergeschick unseres Bootsmannes gerechnet. Zuerst vertäut er das Boot im Ufergestrüpp und nach einer halben Stunde Arbeit und viel gutem Zureden tut es der Diesel wieder.

Und so machen uns im Anschluss auf den Weg nach Norden. Unser Ziel ist Pontal do Coruripe, ein kleines Küstendorf auf halbem Weg nach Maceió, wo unsere Freundin Ada uns bereits in ihrer Pousada gleichen Namens erwartet.

Text + Fotos: Dieter Hauguth

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