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Brasilien: 7. Parada Gay in São Paulo

21 "Trio Elétricos", aus deren Lautsprechern wilde Rhythmen wabbern, mit dürftig bekleideten Tänzern bestückt, heizten eine Million begeisterte Zuschauer an. Die siebte Ausgabe der "Parada do Orgulho GLBT (gays, lésbicas, bissexuais e transgêneros)" verwandelte das Zentrum von São Paulo in eine regenbogenfarbene Open Air Disco.

"Construindo Políticas Homossexuais" (Schaffung einer Politik für und von Homosexuellen), war das offizielle Thema der diesjährigen "Parada", die den Abschluss zahlreicher Veranstaltungen zum Thema während des Monats Juni in São Paulo bildete.

"Alle Menschen werden frei und gleich in Rechten und Würde geboren!" Den ersten Artikel der Erklärung der Menschenrechte hatten sich die Veranstalter auf ihre Fahnen geschrieben, und zwischen 800.000 (Angaben der Polícia Militar) und 1,3 Millionen (Angaben der Veranstalter) Menschen folgten ihrem Aufruf, sich ihnen auf der 3,4 Kilometer langen Strecke von der Avenida Paulista bis zur Praça da República anzuschließen. Damit ist die "Parada", zusammen mit der in San Francisco und Toronto, die größte der Welt.

Die Menschenmenge war so groß, dass die Praça da República, wo gegen Abend die Abschlussveranstaltung zelebriert wurde, bereits nachmittags überfüllt war, während die letzten Festwagen sich immer noch durch die von tanzenden Massen verstopfte Avenida Paulista kämpften.


Auf der dazwischen liegenden Avenida da Consolação hatten es die zahlreichen Polizisten schwer, wenigstens eine der ursprünglich sechs Fahrspuren für den Verkehr freizuhalten.
Hier tummelten sich zahlreiche bunt ausstaffierten Dragqueens, die sich bereitwillig mit Familienvätern nebst Kleinkind auf dem Arm fotografieren ließen. Mit fast gar nichts bekleidete Travesties und als Seefahrer verkleidete Schwule vermischten sich mit Getränke- und Poppkornverkäufern, zuschauenden Omas und Opas und nach Karneval dürstenden Jugendlichen. Seit der ersten Veranstaltung vor sieben Jahren, an der gerade einmal 300 Aktivisten teilgenommen hatten, hat sich Parada Gay mittlerweile als buntes Volksfest etabliert.

Neben zahlreichen Szene-Clubs steuerte auch die Stadtverwaltung zum ersten Mal einen eigenen offiziellen Festwagen bei, auf dem die Oberbürgermeisterin Marta Suplicy und der Präsident der regierenden Arbeiterpartei PT, José Genoino, mitfuhren. Beide mussten sich später auf der Abschlussveranstaltung harsche Kritik anhören.

Es reiche nicht, im Wahlkampf bunte Reden zu schwingen und auf der Parade den Massen zuzuwinken, so der Tenor der Kritiker. Im Gegensatz zu José Genoino, der in seinem obligatorischen roten Sozialistenhemd gekleidet, konkrete Versprechungen machte, war Bürgermeisterin Marta Suplicy zu keinem Statement zu bewegen und verabschiedete sich dann auch schon vor dem offiziellen Abschluss, der von einem Auftritt der großen (alten) Dame der Música Popular Brasileira, Elza Soares, gekrönt wurde.

Die inzwischen um die 70 Jahre alte Elza, Exfrau von Brasiliens Fußballheld Garrincha (Torschützenkönig der WM 1962), durch zahlreiche Schönheitsoperationen gezeichnet, die man übrigens durch ihr durchsichtiges Kleid "bewundern" konnte, bekundete ihre Sympathie für die homosexuelle Bewegung.

Aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe habe auch sie in ihrem Leben Diskriminierung erleiden müssen. "A carne mais barata no mercado é a negra - das billigste Fleisch auf dem Markt ist das schwarze", lautete dann auch der Refrain ihres letzten Liedes.

Und so verabschiedete man sich nach einem etwas dürftigen Feuerwerk. "Bis zum nächsten Jahr," winkte eine bunt geschmückte Dragqueen ihren Fans zu, "und nicht vergessen: Camisinha sempre – niemals ohne Gummi."

Text +Fotos: Thomas Milz
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