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Brasilien: Ein Besuch auf der Honiginsel


Zwei Tage lang hat uns schon die "Frente fria", die Schlechtwetterfront, die aus Argentinien bis hierher nach Paraná vorgedrungen ist, mit Landregen im Haus festgehalten. Selbst die täglichen Strandspaziergänge sind dem Wetter zum Opfer gefallen.

Heute Nacht ist das Geräusch des Regens langsam schwächer geworden und als wir jetzt frühmorgens aus dem Fenster schauen, scheint das Gröbste vorüber zu sein. Über der Serra do Mar im Westen hängen zwar noch dicke Wolkenbänke, aber im Osten, über dem Meer, ist schon ein großer Streifen blauen Himmels zu sehen. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. Eine knappe Stunde später sind wir schon unterwegs in Richtung Pontal do Sul. Unser Ziel ist die Ilha do Mel, die Honiginsel, die mitten in der Einfahrt zur Bucht von Paranaguá liegt.

Und der einfachste und schnellste Weg auf die Insel führt über Pontal do Sul, von wo aus Boote die Insel stündlich anfahren. Trotz ihrer Nähe zur Hafenstadt Paranaguá, über die ein Großteil der brasilianischen Exporte landwirtschaftlicher Produkte aus den Agrargebieten von Mato Grosso, Mato Grosso do Sul und Paraná abgewickelt wird, des damit zwangsläufig verbundenen starken Schiffsverkehrs und der wachsenden Zahl der Besucher aus Paranaguá und Curitiba, hat sich die Insel ihre Unberührtheit und landschaftliche Schönheit erhalten können.

Der Grund dafür liegt in einer guten Umweltschutzpolitik und einer konsequenten Durchführung und Überwachung der dafür notwendigen Maßnahmen. Der größte Teil der Insel ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen, das nicht betreten werden darf. Es existieren keine Straßen, sondern nur Wege, die die einzigen vier kleinen Dörfer miteinander verbinden und den Zugang zu den Stränden erschließen. Elektrizität ist nicht vorhanden und zur Erzeugung von Warmwasser werden Solarzellen verwendet. Der Bau neuer Gebäude wird streng überwacht und für Leute von außerhalb gibt es keine Möglichkeit, Grund und Boden zu erwerben.

Als wir in Pontal do Sul ankommen, ist die Sonne durch die Wolken gebrochen. Außer uns haben nur wenige weitere Besucher so früh am Tag den Weg hierher gefunden und wir haben noch eine gute halbe Stunde Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Bootes. So können wir in aller Ruhe unser Auto an einem schattigen Platz parken, die Tickets besorgen und haben anschliessend immer noch Zeit für ein verspätetes Frühstück in Form eines Cafezinho und mehrer Stücke "Pao de Queijo" (Käsegebäck).

Als wir mit dem Boot den Hafen verlassen, setzt gerade die Ebbe ein. Der Tidenhub in der Bucht von Paranaguá und in den angrenzenden Küstenbereichen beträgt fast zwei Meter. Als Konsequenz daraus verursacht das ablaufende Wasser eine starke Strömung, die unser Boot fast ohne eigene Motorleistung hinaus in den Kanal zwischen Festland und Insel trägt.

Im Kanal selbst verursacht das Zusammentreffen der Strömung mit der Dünung des Atlantiks ein starkes Schaukeln und Krängen des Bootes. Einige der Fahrgäste werden dabei etwas blass im Gesicht und richten ihren Blick starr geradeaus auf die sich langsam nähernde Insel.

Aber nach einer guten halben Stunde ist alles überstanden und vor uns liegt der Landungssteg von Nova Brasilia. Hier befindet sich der Ausgangspunkt der kleinen Wanderung, die wir unternehmen möchten. Ein Sandweg führt vom Landungssteg ins Dorf. Wir schlendern vorbei an verschiedenen kleinen Bars, Restaurants und Pousadas (kleinen, einfachen Hotels) und suchen die Wegmarkierung, die uns nach Südosten führen soll. Unser Ziel ist das Dorf Encantadas, das sich im äußersten Süden befindet.

Nachdem ein Einheimischer uns die Richtung gewiesen hat, durchqueren wir einen lichten Buschwald. Wir bewundern die Vielzahl der unterschiedlichsten Bromelien, die sich am Boden, in Astgabeln oder auf toten Baumstämmen angesiedelt haben - ein Paradies für Blumenliebhaber. Aber wie es eben so ist auf Erden - jedes Paradies hat seine Schattenseiten. Hier sind es die Moskitos, vor allem aber die Borrachudos (eine Art Kriebelmücke), die heimtückisch und penetrant jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um dem harmlosen Wanderer einen Stich zu versetzen. Gott sei Dank haben wir an Repelente (Insektenschutzmittel) gedacht.

Nach gut einer halben Stunde steigt der Weg langsam an und wir erreichen einen Höhenrücken, von dem sich aus uns ein wunderbarer Ausblick bietet: zum einen auf den Kanal zwischen Insel und Festland sowie auf die Bergkette der Serra do Mar, die sich hinter Paranaguá auftürmt und in der immer noch die Wolkenfetzen des gestrigen Schlechtwetters hängen.

Zum anderen auf den herrlichen Sandstrand der Praia do Miguel, an dem sich eine starke Brandung bricht. Der Weg nach Encantadas zieht sich, wir haben einen weiteren Höhenrücken zu überwinden. Doch dann sehen wir die ersten Häuser vor uns liegen. Jetzt haben wir uns eine längere Rast verdient, denn schließlich sind wir seit mehr als zwei Stunden unterwegs und die Sonne hat uns auf dem letzten Stück ganz schön geröstet.

Nach einer kurzen Erholungsphase in Gesellschaft einer Portion Iscas de Peixe (gebackene Fischstückchen) und Cerveja sind wir bereit für den Rückweg und unseren nächsten Programmpunkt: die Gruta Encantada. Wir müssen uns erst wieder etwas einlaufen und brauchen deshalb etwas länger, aber nach gut zwanzig Minuten sind wir am Ziel. Das Meer hat aus einem Felsvorsprung eine gewaltige Höhlung gewaschen. Bei Flut reicht das Wasser bis in die Grotte. Jetzt bei Ebbe jedoch ist der Zugang möglich. Wir nutzen die Gelegenheit, um zu schauen, was alles in den natürlichen Schwimmbecken zu finden ist, die vom Meer gebildet wurden. Da wimmelt es von Lebewesen - ein natürliches Aquarium: Krebse, Seeanemonen, Fische in allen möglichen Farben, Mustern und Größen sowie eine erhebliche Anzahl Seeigel sind da zu finden. Wir verzichten deshalb auf die Idee, in dieser Piscina (Schwimmbecken) ein Bad zu nehmen.

Unser nächstes Ziel ist die Praia do Miguel, die wir auf dem Hinweg im wahrsten Sinn des Wortes links liegen gelassen haben. Mittlerweile haben sich ein paar weitere Wanderer eingefunden und wir sind nicht mehr allein. Aber der Strand ist groß genug, um sich gegenseitig nicht auf die Füße zu treten. Wir finden ein ruhiges Plätzchen zwischen den Felsen, dann geht es hinein in das kristallklare Wasser. Es ist ein Gedicht und wir genießen es ausgiebigst. Anschließend lassen wir uns auf den warmen Felsen in der Sonne und im Wind trocknen.

Weiter geht es zur Praia Grande. Wieder zieht sich der Weg in die Länge, denn wir müssen zurück auf den Höhenrücken und auf ihm ein Stück nach Norden wandern, bevor wir in die Bucht hinunter steigen können. Da die Wellen hier noch gewaltiger als an der Praia do Miguel sind, verzichten wir auf ein Bad und sehen dafür den Surfistas (Surfern) zu, die die Wogenkämme für ihre Kunststücke nutzen. Noch einmal müssen wir einen Felsvorsprung überwinden, dann sind wir am Strand vor dem Leuchtturm angekommen.

Hier baden wir in den ruhigen Wassern der Bucht bevor wir uns an den Aufstieg zum Leuchtturm Farol das Conchas machen. Er ist ein wichtiger Markierungspunkt für die Schiffahrt in diesem Bereich der brasilianischen Küste. Zwar wurde er bereits 1872 erbaut, ist aber sehr gut erhalten und seit seiner Erbauung ununterbrochen in Betrieb.

Der Rundblick ist gewaltig. Nach Osten geht der Blick hinaus auf die unendliche Weite des Atlantik, im Nordosten sehen wir die nahegelegene Inselgruppe das Palmas. Im Nordwesten erstreckt sich das Naturschutzgebiet. An seiner Ostseite sehen wir die Ruinen des portugiesischen Forts, das zum Schutz der Hafeneinfahrt von Paranaguá errichtet wurde. Nach Süden erblicken wir die Strände, die wir heute erwandert haben. Und über den Strand hinweg, der sich direkt unter uns befindet, schauen wir auf die Häuser von Nova Brasilia, auf die schmale Landzunge, die den Südteil der Insel mit dem Nordteil verbindet und darüber hinaus auf den Kanal und die Bucht von Paranaguá.

Nachdem wir uns sattgesehen haben, steigen wir hinunter zur Praia do Farol das Conchas und wandern auf ihm in Richtung Nova Brasilia. Mittlerweile ist es Nachmittag, wir sind müde, hungrig und durstig und freuen uns auf eine schöne Kneipe in Nova Brasilia.

Doch zuvor hat Poseidon, der Meergott, uns noch ein kleines Hindernis in den Weg gelegt. Mittlerweile herrscht nämlich nicht mehr Ebbe, sondern beginnende Flut. Als wir die Häuser des Ortes vor uns sehen, erkennen wir, dass sich zwischen Strand und Häusern ein kleiner Wasserdurchgang befindet, der das Meer mit einer weiter landeinwärts gelegenen Lagune verbindet. Durch diesen Wasserarm strömt bereits kräftig Wasser, eine Art kleiner, aber reissender Bach. Nach längerer Diskussion entscheiden wir uns für die Durchquerung. Rasch verstauen wir unsere Wanderkleidung, Schuhe und die Fotoausrüstung in unserem kleinen Rucksack.

Dann geht es hinein ins Wasser. Vorsichtshalber nehme ich den Rucksack hoch und halte ihn auf meinem Kopf fest. Und das ist gut so, denn bei jedem Schritt wird das Wasser tiefer, reicht uns schließlich bis zur Brust und wir haben Mühe, auf den Beinen zu bleiben und nicht weggeschwemmt zu werden.

Als wir auf der anderen Seite heraus klettern, atmen wir durch. Das ist noch einmal gut gegangen. Wie es der glückliche Zufall will, sind wir direkt neben der Terrasse eines Restaurants an Land gegangen. Wir suchen gar nicht mehr lange nach einer Alternative, sondern bleiben gleich hier. Genussvoll lassen wir uns ein köstliches Gericht aus gegrillten Camaroes (Langusten) schmecken, bevor wir uns wieder zur Rückfahrt nach Pontal do Sul einschiffen.

Ein farbenprächtiger, fast schon kitschiger Sonnenuntergang über der Serra do Mar beschließt diesen wunderschönen Tag.

Text + Fotos: Dieter Hauguth druckversion 

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