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Argentinien: Rio de la Plata – Special, Teil II
Rundgang durch Buenos Aires – Von der Plaza de Mayo bis El Tigre

Wir folgen der Defensa durch San Telmo in Richtung Zentrum und kommen auf die Plaza de Mayo, dem Herzen Buenos Aires. Hier wurde die Stadt 1580 zum zweiten mal gegründet, diesmal von Juan de Garay. Wieder litten die Siedler unter den heftigen Angriffen der Indianer, doch dieses mal war ihnen das Schicksal gnädiger.

Allerdings konnte man nicht gerade behaupten, dass die Siedlung florierte. "Die ärmlichste Stadt ganz Westindiens" nannte man sie in Madrid. Der spanische Hof war an Gold und Silber interessiert, und damit konnte Buenos Aires, im Gegensatz zu den Städten Perus und Boliviens, nicht dienen.

Die Siedler selbst trauten sich aus Angst vor den Indianern kaum über die Stadtgrenzen hinaus, und auch vom Seehandel mit dem Mutterland war man abgeschnitten.


Um die zwischen den amerikanischen Kolonien und Spanien verkehrenden Schiffe vor Angriffen von Piraten und Schiffen feindlicher Nationen zu schützen, wurde vom spanischen Hof die Rute Cádiz – Havanna – Portobello als einzige legitime Atlantikpassage festgelegt. Für Buenos Aires blieben somit nur zwei Möglichkeiten zu überleben: die Viehzucht und der Schmuggelhandel mit Brasilien. Von Spanien fühlten sich die Porteños vollkommmen im Stich gelassen.

1810 nutzte man die Gelegenheit und sagte sich vom ungeliebten, durch die napoleonischen Kriege geschwächten, Spanien los. Der imposante Obelisk inmitten der Plaza de Mayo erinnert an jenen denkwürdigen 25 Mai. Um den Platz gruppieren sich einige der Sehenswürdigkeiten Buenos Aires: die Casa Rosada, Sitz der Regierung, die Banco de la Nación Argentina, die Kathedrale und der Palácio Municipal.

Hier spielten sich die dramatischen Szenen jener Krisenmonate des Jahres 2002 ab, in denen Argentinien in kürzester Zeit fünf verschiedene Präsidenten kommen und gehen sah.

Auch heute noch, mehr als ein Jahr nach dem Wahlsieg von Nestór Kirchner, der das Ende der Krise einläutete, geben die mit Parolen und Wahlplakaten zugekleisterten Häuserwände in den Nebenstraßen der Plaza de Mayo Zeugnis von dieser jüngsten und turbulenten Geschichte Argentiniens ab.

Unterhalb der Plaza de Mayo liegt Puerto Madero, der neueste Stadtteil Buenos Aires. Seinen Namen erhielt er durch den zweiten Hafen von Buenos Aires. Da die Hafenanlagen von La Boca dem steigenden Transportaufkommen nicht mehr gewachsen waren, wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Hafenanlagen von Puerto Madero errichtet.

Die insgesamt vier Hafenbecken sind untereinander durch schmale Öffnungen verbunden. Wenige Jahre nach seiner Eröffnung beschloss man, weiter flussaufwärts einen neuen Hafen zu bauen. So verfielen die Hafenanlagen von Puerto Madero zusehends. Anfang der 1990er Jahre begann man, Puerto Madero zu einem modernen Vergnügungszentrum auszubauen. Heute säumen teure Restaurants und Bars, zahlreiche Kinosäle und das schicke Hilton-Hotel die Uferpassagen. Die alten Lagerhallen haben sich in teure Appartements und Großraumdiskotheken verwandelt. Im Hafenbecken tummeln sich kleine Yachten neben zwei Fregatten der argentinischen Marine.

Stadteinwärts ragt die Skyline des Zentrums mit ihren Banken und Einkaufsgalerien zum Himmel auf. Die berühmteste Einkaufsmeile ist wohl die Calle Florida mit ihren über 700 Geschäften und 20 Galerien. Seit 1971 ist sie für den Autoverkehr gesperrt. Alle paar Meter findet sich ein Tango-Paar, das sich zur verzerrten Musik aus einem kleinen Kassettenrekorder aneinander schmiegt. Wirklich beeindruckende Geschäfte hat die Calle Florida jedoch nicht zu bieten, und so machen wir uns auf in Richtung Recoleta.

Wir begegnen dem Mann mit der 2 Meter-Schlange, den wir bereits auf der Defensa getroffen haben, an einem sonnigen Sonntagnachmittag vor dem Friedhof von Recoleta, Buenos Aires elegantestem Stadtteil.


Inmitten der Souvenir- und Imbissstände vor der Basílica de Nuestra Señora del Pilar aus dem Jahre 1731 bietet er den Vorbeikommenden an, sich für 5 Pesos mit der Schlange um den Hals fotografieren zulassen. Wir wählen die günstigere Alternative und lassen uns mit dem Robotermann fotografieren, der mit allerlei Plastikteilen behängt zu 80er Jahre Wavemusik tanzt. Mit seinen weitläufigen Parks, feinen Restaurants, teuren Straßencafés und imposanten Gebäuden erinnert Recoleta an ein wenig an Paris.

Hier wohnt nicht nur Buenos Aires Aristokratie, hier lässt man sich auch in der Familiengruft auf dem noblen Recoleta-Friedhof bestatten.

Angeblich soll es teurer sein, in Recoleta zu sterben als zu leben. Glücklicherweise bleibt uns diese Erfahrung erspart, und so reihen wir uns ein in die Menschentraube vor Evita Perons Grabesgruft, deren Fenster und Türen mit Bittschriften und Liebeserklärungen geschmückt sind, so als ob die 1952 gestorbene ehemalige First Lady regelmäßig ihre Gruft verlassen würde, um die Wünsche ihrer treuen Anhänger zu erfüllen.

Rund um den Friedhof haben sich schicke Restaurants, irische Pubs und ein Shopping-Center mit einem Dutzend Kinosälen angesiedelt. Hier vergnügt sich die wohlbetuchte Jugend von Buenos Aires. Ein Tipp für die Liebhaber exquisiter Süßigkeiten sind die Cafés "Havanna", die an fast jeder Straßenecke zu finden sind.

Sie verkaufen "Alfajores", kleine gefüllte Plätzchen, die zum besten gehören, was man sich darunter wohl vorstellen kann. In sechs verschiedenen Geschmacksrichtungen sind diese kleinen Kalorienlieferanten zu haben.


Zwischen Recoleta und dem Rio de la Plata liegt Retiro mit seinen großflächigen Parkanlagen. Jogger und professionelle Hundeausführer tummeln sich hier. Mit bis zu zwölf Hunden gleichzeitig durchqueren sie die Parkanlagen, während der Autoverkehr auf sechs Spuren Richtung Palermo die Avenida Del Libertador hinunterfließt. Im Herzen Palermos liegt die Plaza Itália. An sie grenzen der Jardín Botánico, der Botanische Garten, und der Jardín Zoológico, der Zoo von Buenos Aires. Der Botanische Garten, 1892 von Carlos Thays erschaffen, ist der perfekte Ort, um dem hektischen Großstadttreiben zu entfliehen.

Mehr als 5.000 Pflanzen aus der ganzen Welt sind hier versammelt. Ein guter Platz, um es sich auf einer der vielen Parkbänke gemütlich zu machen oder aber das Museum des Botanischen Gartens zu besuchen. Sehr lohnenswert ist auch der Besuch des Zoos, der dem botanischen Garten gegenüber liegt. Auf mehr als 18 Hektar sind 2.000 verschiedene Tierarten zu bestaunen.

Wenn man den ganzen Tag im Zoo verbracht hat, kann man sich in einem der gemütlichen Cafés von Palermo Viejo ausruhen. Die Porteños scheinen Kaffe zu lieben. So gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Nachmittagskaffee zu zelebrieren. Wer einen "cortado" bestellt, bekommt einen Kaffee mit ein wenig Milch. Hinter einer "Lágrima", einer Träne, verbirgt sich eine Tasse Milch mit ein wenig (einer Träne) Kaffee. Wer ein "Submarino", also ein "U-Boot", bestellt hat, den erwartet eine Tasse heiße Milch, auf deren Grund ein Riegel Schokolade darauf wartet, zu schmelzen. Zu dieser Köstlichkeit gibt man eine Prise Zimt und etwas Zucker.

Wer nach soviel Großstadtstress Natur pur erleben möchte, der sollte sich auf eine gemütliche Bootstour durch das Delta des Rio Paraná einlassen. Alle 10 Minuten verlässt ein Zug mit dem Ziel El Tigre die Station San Martin an der Plaza gleichen Namens im Zentrum von Buenos Aires. Nach etwa 40 Minuten rumpeliger Fahrt steigt man an der Endstation der Linie aus. Der Stadtteil El Tigre bietet neben einem Obst- und Gemüsemarkt, auf dem man allerlei exotische Früchte kaufen kann, auch ein Spielcasino mit über 1.500 Möglichkeiten, sein Geld zu verlieren. Daran an schließt sich ein kleiner Vergnügungspark.


Die wahre Attraktion von El Tigre ist jedoch das Flussdelta des Rio Paraná de las Palmas, der, von Brasilien kommend, hier mit dem Rio Uruguay zusammen fließt und den Rio de la Plata formt. Das Delta bildet eine 1.200 Quadratkilometer große, von der UNESCO zum Naturschutzgebiet erklärte Wasserlandschaft mit zahllosen kleinen Nebenflüssen und romantischen Inseln, eingeschlossen von den braunen Fluten der beiden mächtigen Ströme.

Von El Tigre aus kann man verschiedene Bootstouren unternehmen. Wer nach Uruguay übersetzen möchte, hat die Möglichkeit, eine Fähre nach Carmelo, einem kleinen historischen Schmuckstück, zu nehmen. Zudem werden zahlreiche Touren durch das Delta angeboten, die mal ein Mittagessen auf einer Flussinsel beinhalten oder einfach die verschlungenen Nebenflüsse des Paraná entlangschippern. Wir folgen auf einem kleinen Passagierboot dem Rio Carapachay, an dessen Ufern sich ein Wochenendhaus an das andere reiht. Dazwischen haben kleine Bars ihre Fahnen gehisst und laden zu einem kalten Quilmes ein.

Ab und zu hält unser Boot an einem der in den Fluss ragenden Stege, um Post oder Milch auszuliefern. Einer alten Frau entgleiten die Münzen, mit denen sie eine Tüte Brötchen bezahlen will, und das Geld landet im Fluss.

Nach dreistündiger Fahrt öffnet sich plötzlich der schmale Kanal des Rio Carapachay und eine kräftige Welle trifft uns. Wir erblicken den mächtigen Paraná, und unser Boot tut sich schwer, gegen seine Strömung anzukommen. Aber auch größere Schiffe müssen sich quälen, um flussaufwärts ein paar Meter gut zu machen. Nach 15 Minuten haben wir es geschafft und verschwinden wieder in einem der ruhigen Nebenflüsse des Paraná.

Die Überquerung des Rio de la Plata steht uns noch bevor. Doch dazu mehr in der nächsten Ausgabe des Caiman-Specials über den Rio de la Plata.

Text + Fotos: Thomas Milz druckversion   

Hier kommt Ihr zum ersten Teil:.
Rundgang durch Buenos Aires - La Boca und San Telmo


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