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Amor: Flamenco und Tango
Leidenschaft zwischen Guadalquivir und Rio de la Plata


"Flamenco, Jazz und Tango, die Ufer eines Stromes" lautet der Titel eines Buches des andalusischen Dichters José Luis Salinas. In der Reihe Weltmusik des Palmyra-Verlags ist nun zu beiden Musikstilen ein Buch erschienen. Tango und Flamenco verbindet nicht nur die Leidenschaft, mit der sie gespielt und getanzt werden, es gibt in Spanien auch einen tango-flamenco, der allerdings mit dem Flamenco viel und dem Tango wenig gemein hat. Michel Plisson, französischer Musikethnologe und Tango-Experte wählt für sein Buch einen musik-wissenschaftlich-soziologischen Ansatz, um sich dem Phänomen Tango zu nähern. Schließlich ist die Geschichte des Tango nicht von der gesellschaftlichen Entwicklung Argentiniens zu trennen. Der französische Originaltitel Tango: "du noir a blanc" gibt insofern die Entwicklung dieses Tanzes und dieser Musik prägnant wider: Von der traditionellen Musik und den Tänzen der Schwarzen (candombe, milonga) hin zu den Tanzsalons und Konzerthäusern der Weißen.

Das Buch beginnt denn auch mit einem kurzen Überblick zur (Besiedlungs-) Geschichte Argentiniens bzw. des Großraumes Buenos Aires/Montevideo, in dem der Tango vor rund 100 Jahren seinen Ursprung hatte. Es folgt eine ausführliche Erläuterung zu den verschiedenen Bedeutungen, die das Wort Tango hatte, bevor es zum Synonym für die hier behandelte Musik und den Tanz wurde. Faktenreich fährt der Autor fort: Plisson berichtet über die Guarda Vieja, Carlos Gardel und die musikalische Revolution von Julio de Caro ebenso wie über den Umweg, den der Tango über Paris nahm, um erst dann in Argentinien die volle soziale Anerkennung zu erlangen.

Es folgen die goldenen Jahre des Tango zwischen 1940-1955, die nicht unwesentlich der Machtergreifung Juan Domingo Peróns zu verdanken waren, die Modernisierung durch Astor Piazzolla und kurze Information zum Tango im Rest der Welt, so zum Beispiel in der Türkei oder in Finnland, wo alljährlich über 100.000 Besucher zum Tangofestival nach Seinäjoki pilgern.. Viele Anekdoten lockern die Lektüre auf.

100 Jahre später ist Tango eine Welt für sich geworden, die nicht nur aus Musik und Tanz besteht, sondern auch aus Literatur, Poesie, Philosophie und Malerei. Der Leser "findet einen verlässlichen Leitfaden zu Geschichte, Epochen, Stilrichtungen...", schreibt Horacio Ferrer, Wegbegleiter Astor Piazzollas und Präsident der argentinischen Tango-Akademie, in seinem Vorwort. Das charakterisiert die 130 Seiten Text sehr gut. 16 Seiten mit historischen und aktuellen Fotos/Abbildungen, ein Glossar, eine Biblio- und Diskographie sowie ein Serviceteil mit Tango-Adressen im deutschsprachigen Raum runden das Buch ab. Auf der beiliegenden CD finden sich vornehmlich historische Aufnahmen der Jahre 1909 bis 1964. Sieben der 21 Stücke stammen aus den 80er und 90er Jahren, u.a. die beiden berühmten Tangos "Adiós nonino" und "Vuelvo al Sur" von Astor Piazzolla.

Bernard Leblon baut sein Flamenco-Buch ähnlich auf: Nach einer etymologischen Betrachtung des Begriffes Flamenco steigt der Autor in die Diskussion um die Herkunft des Flamenco ein: Hat er arabische, jüdische oder sogar byzantinische Wurzeln? Kenntnisreich analysiert er die verschiedenen Theorien, um schließlich bei den gitanos zu landen, den Urvätern dieser von Touristen für typisch spanisch gehaltenen Musik. Ihre Wanderung von Indien ins heutige Spanien wird ausführlich beschrieben.

Im 19. Jahrhundert schließlich wird zum ersten Mal der Begriff Flamenco für eine Musik der gitanos verwendet, aber erst gegen Ende des cJahrhunderts, durch die Eröffnung so genannter cafés cantantes in Sevilla, wurde er populär. Mit seiner Entdeckung trat auch der kommerzielle Erfolg ein und sein Weg spaltete sich für viele Kritiker in den "wahren", weil ursprünglichen, und den "kommerziellen", weil folkloristischen, Flamenco auf. Erst durch seinen internationalen Erfolg ab den 80er Jahren durch Stars wie Paco de Lucia, Camarón de la Isla und Antonio Gades näherten sich beide Wege wieder einander an. Ab den 70er Jahren und vor allem in den 90er Jahren kam es durch Interpreten wie Chano Domínguez, Pata Negra, Ketama, Ojos de Brujo etc. zu vielfältigen Fusionen des Flamenco mit anderen Musikrichtungen wie Jazz, HipHop oder Rock. Diese Entwicklung wird leider zu knapp abgehandelt.

Paco de Lucia, dessen Rolle bei der Modernisierung und Fusion des Flamenco mit anderen Musikrichtungen, vor allem dem Jazz, im Buch von Bernard Leblon eindeutig zu kurz kommt, schreibt im Vorwort: "Meine Leidenschaft, meine Form, mich auszudrücken, ist der Flamenco - ich bin Flamenco."

Auch dieses Buch wird durch Fotos, Glossar, Biblio- und Diskographie sowie einen Serviceteil mit Adressen ergänzt. Die CD hat sehr hohen Dokumentationswert und ergänzt den Text sehr gut. Die Aufnahmen aus Leblons Privatarchiv sind von ihrer Tonqualität aber so schlecht, dass man sie nicht als Hörgenuss bezeichnen kann. Eine schöne optische Ergänzung zu den beiden Büchern aus dem Palmyra-Verlag stellen die beiden Fotobände zum Flamenco und Tango im ars vivendi-Verlag dar: Die beiden Fotografen Tina Deininger und Gerhard Jaugstetter haben sich auf den Weg gemacht, um in Schwarz-Weiß Fotografien die authentischen Momente der beiden Musikstile festzuhalten.

In Flamenco - Rhythmus Andalusiens tauchen sie ein in die Welt des Flamenco und porträtieren Szenen in Bars, Flamencoschulen und bei den berühmten peñas (Sängertreffen), aber auch in Instrumentenwerkstätten oder auf öffentlichen Plätzen. Sevilla, Jerez und Granada haben sie besucht und dort ihre ausdrucksstarken Bilder gemacht, die im Buch durch Liedverse und Gedichtstrophen ergänzt werden, u.a. von Federico García Lorca. Ein Ausschnitt seines Essays über den cante jondo beschließt das Buch.

In Buenos Aires beginnt die Reise im seit 1858 bestehenden Café Tortoni und in der Confitería Ideal. Historische Plätze für den Tango und seine Verehrer, die immer noch in Scharen die angegliederten Tanz- und Konzertsäle füllen. Weiter geht es zu anderen Plätzen, an denen Tango getanzt wird: In Tanzschulen, Bars oder auf der Straße. Entstanden ist der Tango in den Vorstädten und im Hafen von Buenos Aires. Darum führt uns die fotografische Reise auch ins Viertel La Boca, das ehemalige Hafenviertel. Sie endet bei verschiedenen Konzertveranstaltungen und einem Text des großen argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges, der schrieb: "Musikalisch dürfte der Tango unbedeutend sein; seine einzige Bedeutung ist die, welche wir ihm verleihen."

Text: Torsten Eßer Druckversion    

Buchtipps:
M. Plisson: Tango. Aus dem Franz. von Konstanze Fischer. Heidelberg, Palmyra-Verlag, 2002. 192 Seiten +CD. 22 Euro.

B. Leblon: Flamenco. Aus dem Franz. von M. Vogel. Heidelberg, Palmyra-Verlag, 2001. 212 Seiten +CD. 22 Euro.

T. Deininger/G. Jaugstetter: Tango - Leidenschaft in Buenos Aires. Cadolzburg, ars vivendi, 1999. 120 Seiten. 35 Euro.

T. Deininger/G. Jaugstetter: Flamenco - Rhythmus Andalusiens. Cadolzburg, ars vivendi, 2002. 122 Seiten. 35 Euro.

Weitere Artikel zur Kolumne findet ihr im Archiv.







 
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