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[art_2] Spanien: Rot, weiß oder gold?
Jerez sucht seine Zukunft
 
Als die sagenumwobenen Piraten Hawkins und Drake im Auftrag der englischen Königin Elizabeth I. vor Cádiz beinahe dreihundert Fässer andalusischen Weines von den Spaniern erbeuteten und sie nach London schifften, wurde das flüssige Gold dort zu Höchstpreisen gehandelt. William Shakespeare war so angetan von diesem Wein, der schon damals Kultstatus hatte, dass er ihn in seinem "König Heinrich der Vierte" (2. Teil, 4. Aufzug, 3. Szene) verewigte und seinen lebensfrohen Falstaff ausrufen ließ: "Wenn ich tausend Söhne hätte, der erste menschliche Grundsatz, den ich sie lehren wollte, sollte sein, fader Getränke abzuschwören und sich dem Sherry zu ergeben."

Schon viele Jahrhunderte zuvor und auch danach hat der aromatische Wein aus dem südspanischen Städtedreieck Jerez de la Frontera, Sanlucar de Barrameda und Puerto de Santa Maria noch Millionen andere Menschen ähnlich verzückt. Dabei ist Jerez – die bekannteste der drei Städte – zu so etwas wie einem Synonym für Sherry geworden.

Vor mehr als 3.000 Jahren gegründet von den Phöniziern, hieß sie noch Cera, was so viel wie ‚heiß’ bedeutet und auf das Klima anspielt. Später gaben ihr die jeweiligen Eroberer noch andere, ähnliche Namen: Die Griechen nannten sie Xera, die Römer Seritium bzw. Ceret und die Mauren dann Sherish – woraus die Engländer später das Wort Sherry machten. Erst nach der Rückeroberung durch die Spanier erhielt die Stadt um 1380 ihren heutigen Namen.

Die speziellen klimatischen Bedingungen in dem 20.000 Hektar großen Städtedreieck tragen besonders in Verbindung mit den kalk- und kreidereichen Böden an Berghängen zur Ausprägung des typischen intensiven Aromas bei.

In den "barros", den lehmreicheren Böden der Täler und den eher sandigen "arenas" rund um Jerez, gedeihen Rebstöcke ebenfalls außerordentlich gut und liefern stattliche Erträge. Nicht nur die Spanier, auch die Engländer, verfielen dem aromatischen Wein – und zwar so sehr, dass sie nach erwähnter illegaler Konfiszierung durch ihre Piraten vor 400 Jahren dazu übergingen, sich in der Region niederzulassen und selbst Sherry für ihre Insel zu produzieren. Sie exportierten ihn auch in all ihre Kolonien. Dieser Boom setzte sich über Jahrhunderte fort bis in die 1980er / 1990er Jahre.

Die Legende lüften
Aber: Es wurde nicht immer Sherry in dieser Region hergestellt. In der Zeit der Phönizier, Griechen und Römer wurden zahlreiche Rebsorten – rote und weiße – eingeführt und angebaut. Ihre erst große Blüte erlebten diese Weine ab dem 4. Jahrhundert unter den Westgoten. Sie züchteten neue Rebsorten und verfeinerten die Weinherstellung. Das Ergebnis war überaus bekömmlich – und die Weine nun weit über die Grenzen Spaniens hinaus berühmt. Doch das war kein Sherry.

Erst die Mauren – denen eigentlich per Koran der Genuss von Alkohol verboten war – lehrten die Menschen nach ihrer Herrschaftsübernahme die verfeinerte Kunst der Sherryherstellung. Jetzt florierte das Weingeschäft richtig.

Rund eintausend Jahre später, im Jahr 1835, machte auch Manuel María González eine Bodega in Jerez auf. Das Weingut war bald so erfolgreich, dass er zwanzig Jahre später seinen britischen Handelsvertreter Robert Blake Byass zu seinem Geschäftspartner machte: der heute weltweit größte Sherry-Produzent González Byass war geboren. Mit "Tío Pepe" brachte das Unternehmen einen der bekanntesten Sherrys der Welt in den Handel. Außerdem kreierten die Weinmacher von González Byass eine weitere Spezialität: Jahrgangssherrys. Sie werden aus den Weinen eines bestimmten Jahrgangs bereitet, was in der gesamten Sherry-Region noch immer eine Seltenheit ist.

Zurück zu den Wurzeln
González Byass hat aber auch früh genug erkannt, dass die weit mehr als ein Jahrtausend anhaltende Erfolgskurve des Sherrys in den letzten Jahrzehnten einen ziemlichen Knick erfahren hat. Die Sherry trinkenden Generationen sterben langsam aus und nur sehr viel weniger junge Menschen finden Zugang zum aromatischen Wein. So hat das Unternehmen bereits vor einigen Jahrzehnten begonnen, Weingüter im Penedès und der Rioja zu erwerben, um sich für die Zukunft breiter aufzustellen und ist in der Sherry-Stammregion zum Pionier für die Produktion von Rotweinen geworden: Im Jahr 2000 kaufte González Byass die Bodega Finca Moncloa, malerisch gelegen inmitten eines 42 Hektar großen Weinbergs am Rande von Arcos de la Frontera, eine knappe halbe Stunde außerhalb von Jerez de la Frontera.

"Der kalkhaltige Boden dieser Gegend ist nicht nur für Sherry geeignet ", erzählt der González Byass-Weinmacher José Manuel Pinedo bei einem Spaziergang durch den Weinberg.

"Genauso wie vor dem Einzug der Mauren gedeihen hier auch heute lebendige Rot- und Weißweine prächtig."

Arcos de la Frontera habe er wegen seiner vielfältigen Bodenformationen und der erhöhten Lage ausgewählt, erklärt er weiter. "Außerdem bieten die starken Unterschiede von Tag- und Nachttemperaturen beste Voraussetzungen für die kontrollierte Reife unserer Trauben." In diesem Zusammenspiel von Höhe, Hanglage und ganzjährigem Sonnenschein erbringen die Reben aromatisch konzentriertes Lesegut mit wunderschön gereiftem Tannin. Und mit 900 Millimetern jährlich fällt auch genügend Niederschlag. "Das erspart uns die künstliche Bewässerung – absolut beachtenswert in diesem Teil Spaniens."

Pinedo baut verschiedene Rebsorten an, darunter Syrah, Cabernet Sauvignon, Tempranillo, Tintilla de Rota, Merlot und Petit Verdot. Schon mit den ersten Jahrgängen lieferte er eine solch beeindruckende Qualität, dass zahlreiche seiner Finca Moncloa-Cuveés bei nationalen und internationalen Wettbewerben ausgezeichnet wurden. "

Alle Trauben für unsere Cuvées lesen wir von Hand, bringen sie unverzüglich in die Kellerei, wo wir sie sanft pressen und dann nach Rebsorten getrennt vinifizieren", hebt Pinedo die hochwertige Machart hervor. Nach der Maischegärung im Edelstahltank werden die Weine dann in neuen und gebrauchten Fässern aus französischer und amerikanischer Eiche ausgebaut. "Hier durchlaufen sie ihren biologischen Säureabbau, bevor ich sie dann erst kurz vor der Flaschenabfüllung im Juli zu den Cuveés komponiere, die wir den Menschen anbieten möchten."

Einer von Pinedos am meisten beachteten Weinen ist der Finca Moncloa Cabernet Sauvignon & Syrah 2006. Diese Cuvée aus 51% Cabernet Sauvignon, 38% Syrah, 12% Merlot und 1% Tempranillo ist auch einer seiner meist prämierten Weine. (Zur Verkostung siehe Traubiges: Finca Moncloa Cabernet Sauvignon & Syrah 2006)

Die außergewöhnliche Qualität dieses Tintos und sein vielschichtiges Genusserlebnis verbinden ihn mit seinen goldenen Brüdern. Doch während Sherrys heutzutage unter ihrem Image des "old ladies’ drink" leiden, ist er ein Referenzwein für den neuen Stil des spanischen Südens.

Text: Lars Borchert
Fotos: Lars Borchert + González Byass

Über den Autor: Lars Borchert ist Journalist und schreibt seit einigen Jahren über Weine aus Ländern und Anbauregionen, die in Deutschland weitestgehend unbekannt sind. Diese Nische würdigt er nun mit seinem Webjournal wein-vagabund.net. Auf caiman.de wird er ab jetzt jeden Monat über unbekannte Weine aus der Iberischen Halbinsel und Lateinamerika berichten.

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