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[art_1] Brasilien: Kino mit Lula
Premiere des Films "Lula, o Filho do Brasil"
 
Großes Gedränge auf dem Gelände der Vera Cruz Filmstudios in São Bernardo do Campo, der Stadt in der alles begann. Hier stieg der Metaller Luiz Inacio Lula da Silva in den 70er Jahren zum Gewerkschafts- und Streikführer auf. Und hier trotzten die Metaller unter Lulas Führung den Schlagstöcken der Diktatur.


Viele, die damals dabei waren, drängelten sich an den Eingängen zu den Filmstudios. Geladen musste man sein, wollte man der Premiere des Films "Lula, o Filho do Brasil" (Lula, der Sohn Brasiliens) beiwohnen. Alte Gewerkschaftskempen, Angehörige der katholischen Kirche, Gründungsmitglieder von Lulas Arbeiterpartei PT, Angehörige der Präsidentenfamilie und die unvermeidlichen Promis der Welt von TV Globo waren anwesend. Während für die VIPs Schnittchen und wohltemperiertes Mineralwasser aufgefahren wurde, frönten die Normalsterblichen Popcorn und Colarausch.

Bereitwillig ließ sich im VIP-Bereich Brasiliens TV-Mama Gloria Pires mit den Fans ablichten. Sie spielt die eigentliche Heldin des Films, Lulas Mutter Dona Lindu.


Foto: Gloria Pires + Thomas Milz

Der Film beginnt mit Lulas Geburt 1945 im ärmlichen Nordosten des Landes, als siebtes von acht Kindern. Vom Vater verlassen schlägt sich die Familie mehr schlecht als recht durchs Leben. Jahre später zieht sie nach Santos, wo es ein Wiedersehen mit dem gewalttätigen Vater gibt.

Zum Wohle ihrer Kinder beschließt Dona Lindu schließlich dem Vater endgültig den Laufpass zu geben und mit ihren Kindern nach São Paulo zu ziehen. Dort wird aus dem Orangenverkäufer und Schuhputzer Lula auf Drängen von Dona Lindu ein Metallarbeiter. Eine bis dahin typische und millionenfach gehörte Geschichte eines "Sohnes Brasiliens". Wobei Brasilien seine Söhne und Töchter in der Regel nicht gerade gut behandelt.

Nach dem Tod seiner ersten Frau, die bei der Geburt des gemeinsamen Kindes stirbt, verändert sich Lulas Leben grundlegend. Er heiratet ein zweites Mal und beginnt sich in der Metallgewerkschaft von São Bernardo do Campo zu engagieren, zu deren Präsident er später gewählt werden wird.


Bei den Ende der 70er Jahren einsetzenden Metallerstreiks steigt Lula zur nationalen Symbolfigur auf, von den einen als Kommunist beschimpft, von anderen als Held der Arbeiterklasse gefeiert und von den Militärs ins Gefängnis geworfen.

Das Gefängnis verlassen darf er lediglich für ein paar Stunden um an Dona Lindus Beerdigung teilzunehmen. Hier endet der Film nach zwei ermüdenden Stunden. Wie die Geschichte weitergeht, wissen ja sowieso alle.

In der ersten Reihe sitzend rührte der Film Lula derart zu Tränen, dass er anschließend nicht wie angekündigt vor die wartende Presse trat. Gerührt zeigte sich auch ein Großteil der mehr als 2.000 Premierenzuschauer. Besonders jüngere Lula-Fans bekundeten ihr Erstaunen über die ihnen bis dahin unbekannte Lebensgeschichte ihres Präsidenten.


Doch auch kritische Töne waren zu hören. So sei Lulas eigentliche Lebensgeschichte um einiges schöner als der für 16 Millionen Reais von Luiz Carlos Barreto produzierte Film.

Ein riesiger Erfolg wird der ab dem 1. Januar 2010 landesweit in die Kinos kommende Film aber wohl trotzdem werden. Immerhin liegt Lulas Beliebtheitswert derzeit bei runden 80% der Bevölkerung. Niemals zuvor hat es in der Geschichte Brasiliens einen beliebteren Präsidenten gegeben. Und so werden wohl Millionen Zuschauer in die Kinos strömen um die ersten 35 Lebensjahre ihres Präsidenten kennen zu lernen. Ob der Film dabei auch künstlerisch ein großer Wurf ist oder nicht, spielt hierbei keine Rolle.

Lula wird derweil wohl von einer noch größeren Sympathiewelle als der aktuellen in den Ruhestand getragen werden. Ende 2010 reicht er das Präsidentenamt an seinen Nachfolger weiter. Oder wohl eher an seine Nachfolgerin. Denn zu seiner Rechten saß bei der Filmpremiere Dilma Rousseff, Lulas Kandidatin für seine Nachfolge. Weder in Sachen Persönlichkeit noch in der Rubrik "Volksnähe" reiche sie an Lula heran, meinen viele.


Foto: Offizielles Filmplakat

Foto: Filmproduzent Luiz Carlos Barreto

Aber das könnte egal sein. "Egal, wen Lula als seinen Nachfolger ins Rennen schickt, wir werden ihn wählen", hörte man die Menschen auf dem Nachhauseweg sagen.

Text + Fotos: Thomas Milz

Filmtrailer:


Offizielle Webpage des Films:
http://www.lulaofilhodobrasil.com.br/

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