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[kol_2] Traubiges: Riojano Irresistible
La Rioja Alta 'Gran Reserva 890'
 
Warum soll man nicht mal über einen Kultwein schreiben? Einen, der Weinliebhaber, -kenner und -kritiker gleichermaßen um den Verstand bringt. Einen, der zwar schon ziemlich ins Geld geht, aber im Vergleich zu den vielen höchstpreisigen französischen Gewächsen doch eher wie ein Schnäppchen daherkommt. Einen, den man ohne Weiteres mit solchen Begriffen wie Grandseigneur der Gran Reservas oder als Rioja-Rakete betiteln kann – oder auch ganz sinnlich als Verführer.

Aber von vorne: Es war im Jahr 1890 als fünf baskische Weinbauern mit Wurzeln in der Rioja ein Weingut gründeten und damit das Fundament für großartige Gewächse legten. Sie hatten von Anfang an das Ziel, in der höchsten Liga der Weinwelt mitzuspielen und engagierten daher sogar einen französischen Önologen. Schon damals wurden alle Fässer in der bodega-eigenen Küferei hergestellt. Qualität war nicht nur die Maxime im Weinberg, sondern auch im Weinkeller. Zwei lange Jahre gab und gibt man dem aus Amerika importierten Holz Zeit zu trocknen, bevor es zu Fässern verarbeitet wird. Heute gehört das Weingut, das übrigens "Rioja Alta" heißt, zu den Klassikern der Rioja.

Der edelste Wein der Bodega, sozusagen das Flagschiff von Rioja Alta, ist die ‚Gran Reserva 890’, die so heißt, weil sie im Jahr 1890 zum ersten Mal vinifiziert wurde. Der Hauptanteil dieser Cuvée besteht aus Tempranillo, außerdem noch ein wenig Graciano und noch weniger Mazuelo von den besten Weinlagen der Rioja Alta. Sage und schreibe 72 Monate, also sechs Jahre, reift der Wein in den hausgemachten Barriques aus amerikanischer Weißeiche, und noch einmal mindestens 72 Monate in der Flasche, bevor er in den Handel kommt. Jeder ,Gran Reserva 890’ wird so gemacht – ganz so wie im Jahr 1890. Dieser Aufwand ist selbst für einen Wein in dieser Preisklasse einzigartig.

Aber er lohnt sich! Und er hat diesen Wein (und mit ihm die Bodega) berühmt gemacht: "Bester Rioja" oder aber "einer der zehn besten Weine Spaniens" lauten derzeit die Beurteilungen für den Jahrgang 1998 dieses Weins. Aber was bedeuten schon Superlative? Was dem eenen sin Uul, is dem andere sin Nachtijall. Trotzdem ist es nicht weit hergeholt, diesen Wein als Gentleman oder eben sogar als Verführer zu bezeichnen. Denn sein Reiz beginnt schon beim Öffnen der Flasche: Sobald er mit all seiner Intensität ins Glas fließt, offenbart er sein intensives Kaminrot, das im Kern immer dunkler wird, aber am Rand schon fast ziegelfarben schillert. Sein Bukett ist kraftvoll und ausdrucksstark – aber auch elegant und überhaupt nicht aufdringlich.

Reife dunkle Früchte und Konfitürenoten gepaart mit Tabak, Gewürzen, Leder, Vanille und Zimt steigen zur Nase auf. Dann der erste Schluck: Geschmeidig, vollmundig und charaktervoll legt er sich über den Gaumen. Noble Aromen edler Schokolade, schwarzer Waldbeeren und frischer Muskatnuss umspülen die Zunge. Seine geschmolzenen Tannine sind samtweich und im Hintergrund dominieren zarte Eukalyptusanklänge. Sein Abgang ist genau so, wie er sein soll: extrem lang, außerdem geprägt von Frucht und Gewürzen, mit einem Hauch Barrique. Absolut unwiderstehlich!

Text: Lars Borchert

Über den Autor: Lars Borchert ist Journalist und schreibt seit einigen Jahren über Weine aus Ländern und Anbauregionen, die in Deutschland weitestgehend unbekannt sind. Diese Nische würdigt er mit seinem Webjournal wein-vagabund.net. Auf caiman.de berichtet er jeden Monat über unbekannte Weine aus der Iberischen Halbinsel und Lateinamerika.

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