ed 11/2008 : caiman.de

kultur- und reisemagazin für lateinamerika, spanien, portugal : [aktuelle ausgabe] / [startseite] / [forum] / [archiv]


[art_3] Brasilien: Blauweißer Bierrausch auf der Südhalbkugel
Oktoberfest in Blumenau

Pärchen im Trachtenlook, die fröhlich das Tanzbein zu bayrischer Volksmusik schwingen; die Kapelle in Lederhosen und Tirolerhut. Dazu ein im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte in der neuen Heimat zerknautschter rudimentärer teuto-brasilianischer Sprachwirrwarr. Ja, wo sammer denn hier gelandet? (Und um die Stimmung gleich mal so richtig anzuheizen: festzelt.mp3)



[zoom]


[zoom]

Rund um die Stadt ragt der Atlantische Regenwald, die Mata Atlántica, dicht, saftig und grün über die Berge und im Tal schlängeln sich die braunen Fluten des Itajaí-Flusses. Bayern ist gut 12.000 Kilometer weit weg, doch das stört nicht.

In Blumenau, im Bundesstaat Santa Catarina, der Hochburg des Deutschtums im Süden Brasiliens, schlägt der Lebensrhythmus germanisch-bayrisch. Schlachtplatte im Café Frohsinn, hoch in den Bergen über der Stadt gelegen. Himmelblau, Abendrot, mit Farben hat man’s in der Stadt. Die Fachwerkhausfassaden sind nicht echt, erfüllen aber ihren Zweck. Man soll sich wie im Alpenland fühlen. Sauber und aufgeräumt wie in der teutonischen Provinz ist’s auch.



[zoom]


[zoom]

"Ich war zwar noch nie in Deutschland, stelle mir aber vor, dass die Deutschen genauso fröhlich und gastfreundlich sind wie wir hier", sagt die 21-jährige Oktoberfestkönigin Michelly Elli Cisz. Immerhin insgesamt 700.000 Gäste tummeln sich an den 18 Festtagen in der Vila Germanica, einem Messekomplex mit drei Hallen und einem zusätzlichen Bierzelt. Damit ist man hinter dem Münchner Original das Oktoberfest Nummer 2 auf der Welt.

"Die Stimmung hier ist sogar viel besser als in München - die Leute singen vom ersten Ton an mit und man muss sie nicht wie in München erst in Stimmung bringen", meint Georg Mirwald, Chef der Deggendorfer Stadt-Musikanten, die zum dritten Mal in Blumenau dabei sind.

Von nachmittags bis um fünf Uhr in der Früh spielen brasilianische und deutsche Musikbands auf (festzelt1.mp3). - In München ist ja schon um Mitternacht Schicht.

[zoom]

Brasilianer haben anscheinend das größere Durchhaltevermögen. Dazu wird ausgelassen getanzt. In München hat man erst gar keine Tanzflächen in den Bierzelten aufkommen lassen, weshalb man dort auf Bänke und Tische steigen muss, sobald der Alkohol nach körperlicher Bewegung verlangt.

Bier gibt es in Blumenau auch, und sogar richtig gutes. Zwar ist ein brasilianischer Bierriese der offizielle Sponsor der Oktober-Sause, aber die lokalen Bierschmieden aus Blumenau und dem 40 Kilometer entfernten Pomerode stehlen ihm die Schau. "Zehn", "Das Bier", "Wunderbier", "Eisenbahn" und "Schornstein" heißen die kleinen Gerstensaftwerkstätten und sie liefern ihr Helles braufrisch an die Theken. Gut schmeckt’s vor allem auch deshalb, weil das Bier erst gar nicht pasteurisiert wurde. Wozu auch, lange halten muss es ja eh nicht.

Dazu verdrückt man riesige Würste, Sauerkraut und Schweinshaxen - auch wenn’s nicht ganz so gut schmeckt wie auf der Alm daheim.

[zoom]


Zu allem Überfluss sind die Blumenauer unschlagbar kreativ was den Heimbring-Service am Ausgang der Vila Germanica angeht.

Man kann sich freiwillig einem Alkoholtest unterziehen um zu sehen, ob man noch fahrtüchtig ist. Wenn nicht, gibt es einen kostenlosen Fahrservice: Freiwillige steuern dein Auto mit dir auf dem Rücksitz Richtung heimische Garage, dahinter folgt ein Motorradfahrer, der den Fahrer nach geleistetem Gratis-Service wieder zurück zum Festplatz bringt. Noch Fragen?



[zoom]


[zoom]

Und noch etwas hat man hier dem Original voraus: man feiert das Oktoberfest konsequent im Oktober und nicht schon im September. – In diesem Sinne ein Ausklang: festzelt2.mp3

Text + Fotos: Thomas Milz

[druckversion ed 11/2008] / [druckversion artikel] / [archiv: braslien]


© caiman.de: [impressum] / [disclaimer] / [datenschutz] / [kontakt]