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[kol_3] Grenzfall: Tapas, Tinto, Tradition - Teil 1
Zwei Wochen mit dem PKW durch Andalusien

"Wo bitte geht’s zur Pension Las Palomas?" Stolz versuche ich meine spanischen Anfängerkenntnisse in die Praxis umzusetzen und werde abrupt eines Besseren belehrt. Der alte Mann aus Jerez grinst durch seine Zahnlücke und fragt zurück: "La Paloma?" In der Ahnung, er habe mich nicht verstanden, frage ich noch einmal. Wieder bekomme ich die gleiche Antwort. Zum Glück ist Verena dabei, sonst hätten wir das Fragespiel vermutlich noch zwei Stunden fortgeführt. Sie erklärt mir, dass der Andalusier seit jeher das "s" gerne weg lässt.

Ein Dialekt also, der mich nicht weiter an meinen kargen Spanischkenntnissen zweifeln lässt. In den nächsten zwei Wochen sollte ich mich daran gewöhnen: mucha gracia anstatt muchas gracias oder adió anstatt adiós.


Jerez de la Frontera
Ausgangspunkt unserer Reise durch den spanischen Süden ist Jerez de la Frontera, berühmt für seine Sherryproduktion. Wenn wir richtig gezählt haben, beherbergt die Stadt sechs große Bodegas, so die offizielle Bezeichnung. Auf eine Führung mit Verkostung müssen wir aber leider verzichten, denn es ist Sonntag. Am nächsten Tag wollen wir bereits weiterreisen und belassen es bei einem kleinen Bummel durch die Altstadt. Nachmittags, in einer typisch andalusischen Bar, in der es natürlich auch die berühmten Tapas gibt, lassen wir gemütlich den ersten Tag ausklingen. An den lauten Fernseher im Hintergrund gewöhnen wir uns schnell und stellen voller Stolz fest, dass hier hauptsächlich Einheimische die Siesta-Zeit überbrücken. Nicht nur das Ambiente, sondern auch der Preis stimmen hier. 12 Euro zahlen wir für mehrere Tapas und einige Gläser vino tinto de la casa.

Osuna
Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Osuna in der Provinz Sevilla. Wir haben uns das kleine Landstädtchen aufgrund seiner Nähe zur Provinzhauptstadt ausgesucht, die wir auf jeden Fall besuchen möchten. Unterwegs rasten wir und genießen ein typisch spanisches Frühstück: einen café con leche (Kaffee mit viel Milch im Glas) und eine tostada (geröstete Weißbrotscheibe mit Olivenöl und Tomaten). Das ist morgens um 11 Uhr bei bereits über 30 Grad völlig ausreichend. Überhaupt wird in Andalusien eher schlicht gekocht, ein Resultat der sommerlichen Hitze und auch durchaus nachvollziehbar. Wir durchqueren eine weite, endlose Felderlandschaft. Der sandige Boden reflektiert die gleißende Sonne, die auf diesem Fleckchen Erde viel heller und intensiver zu strahlen scheint. Obwohl ich eine Sonnenbrille trage, brennen mir abends wegen der Überdosis UV-Licht die Augen. Wir kommen in Osuna zur größten Mittagshitze an. Eine Region, die zu den heißesten Spaniens zählt. Den Konversationsschreck des ersten Tages habe ich überwunden und buche uns eine Pension für zwei Nächte. Zum Glück besitzt das Zimmer eine Klimaanlage.

Sevilla
Nach Sevilla mit dem PKW? Nein, danke. Es gibt einige Faktoren, die dagegen sprechen: Zum einen der immense Stadtverkehr.

Die 700.000 Einwohner zählende Metropole platzt tagsüber aus allen Nähten und wenn man sich sowieso erst einmal an die spanische Verkehrsführung gewöhnen muss, soweit diese überhaupt existiert, ist die Stadt am Rio Guadalquivir nicht gerade der ideale Übungsplatz.

Darüber hinaus ist es fast unmöglich, in der Innenstadt einen Parkplatz zu bekommen und Parkhäuser sind nicht gerade billig. Zudem gilt die Provinzhauptstadt als Hochburg für Autoaufbrüche, so dass unser Mietwagen am nächsten Tag Pause hat und wir uns im vollklimatisierten Linienbus auf den Weg machen. Diese Art des Reisens in größere Städte Andalusiens ist übrigens sehr zu empfehlen. Kein Stress am Steuer und teuer ist es allemal nicht. Pro Person kostet die Strecke Osuna-Sevilla hin und zurück gerade einmal 12 Euro. "Wer Sevilla nicht gesehen hat, der hat noch kein Wunder gesehen", so lautet ein selbstbewusster Spruch seiner Einwohner. Wir finden unser privates Wunder im romantischen Bilderbuchviertel Santa Cruz. Kleine, verwunschene Gässchen, ein nicht enden wollendes Labyrinth voller Romantik und Charme. Hier, in der Wiege des Flamenco, finden sich auch zahlreiche Geschäfte, deren Angebot die Herzen der Liebhaber des traditionellen Tanzes höher schlagen lässt: Flamencokleider, Fächer, Ohrringe, Haarschmuck, alles in hervorragender Qualität. Und immer wieder ist man umgeben von der reizenden islamischen Architektur der Gebäude. Fast 700 Jahre Maurenherrschaft haben eben ihre Spuren hinterlassen. Verlaufen kann man sich in der Altstadt Sevillas trotzdem nur schwer. Die Giralda, der hohe Glockenturm der berühmten Kathedrale Santa Maria, gibt im Gassengewirr eine hilfreiche Orientierung.

Wir stillen unseren Hunger in einer kleinen und ausschließlich von Sevillanern besuchten Tapas-Bar, bei der die Bauarbeiter von nebenan ihr Mittagsbier abholen. Wenn unser Reiseführer von sevillanischer Lebensart spricht, wissen wir spätestens jetzt, was damit gemeint ist.


Zurück in Osuna lassen wir unseren Sightseeingtag in einer cervecería in aller Ruhe ausklingen. Doch mit der Ruhe ist das hier so eine Sache. Die Plaza Mayor, der Hauptplatz des Städtchens, erwacht gegen 21 Uhr erst richtig zum Leben und wird zur Bühne eines sich immer wiederholenden Schauspiels: junge Spanier umkreisen den Platz auf ihren knatternden Mopeds und vollbringen artistische Kunststücke. Wir finden heraus, dass dies so etwas wie ein Balzakt ist, um Eindruck bei den chicas, ihren Angebeteten, zu schinden. Bei einem erfrischenden tinto de verano – Rotwein, gemixt mit süsser Zitronenlimonade auf Eis und im Sommer ideal - lässt sich dieses Szenario genüsslich verfolgen.

Text: David Wolf
Fotos: Mona Stenzel