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[kol_4] Pancho: Beseelt frischer Neustart
Ich dreh durch, es ist schon Juli
Mann, was für ein Kampf gegen die Depression. Die erste Jahreshälfte stellte die Gemüter auf eine schier seelezerreißende Probe. Jetzt aber hat sich die Sonne doch noch zur Durchsetzung entschlossen.
Mit der wetterwandelnden Wonne verlangt des Panchos Schneide nach Sonnengereiftem. Und so hat unser Koch den Einkaufswagen mit Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Knobi, roten Paprika, Koriander, kleinen roten Chilischoten, Olivenöl, Salz, Pfeffer, Baguette und unzähligen Limetten bepackt.
Am Schnappsladen ein weiterer Stopp: Tequila, Triple Sec (Orangenliqueur) und zwei Sixpacks 0,5er Wasser-Plastikflaschen. Noch grüble ich, wie sich das Silber der Azteken mit dem frischen Gemüse vereinen wird, da hat Pancho den Mixer bereits mit 1,2 Teilen Tequila, 1 Teil Triple Sec, 1 Teil frisch gepresstem Limettensaft und 3 Teilen Eis gefüllt und crusht und mixt. In der Zwischenzeit stürzt er den Inhalt der Plastikflaschen in sich hinein und fordert mich auf, es ihm gleich zu tun. Ich drehe die Musik auf, um den Nebengeräuschen zuvor zukommen.
Die Gläser schmückt Pancho mit einem Salzrand (die Limette den Glasrand entlang führen und umgedreht in Salz baden). Um 12 Uhr minus Viertel sind die Tomaten gewaschen, das Weißbrot gewässert, die Gurken und Zwiebeln geschält, die Paprika entkernt, der Koriander geschnitten, die Chili von den Stilen getrennt und die dritte, die Sinne weitende Margarita verköstigt. Wir trinken die klassische Variante, was sich im Verlaufe der Gemüseverarbeitungssession auch nicht ändern wird.
So startet Pancho dann auch mit der Zubereitung eines klassischen Gazpachos, einer kalten Gemüsesuppe aus Andalusien. Von den präparierten Zutaten werden eine Paprika, eine Gurke, eine kleine Zwiebel, ein knappes Kilo Tomaten, ein Schuss Olivenöl, ein geweichtes Stück Weißbrot, in der Größe eines Brötchens, ein gehäufter Esslöffel Salz und der Saft einer halben Limette in den Mixer gegeben, cremig gerührt, in die ersten drei Plastikflaschen gefüllt, mit "klassisch" beschriftet und in den Kühlschrank gelegt.
Pancho wiederholt nun das Prozedere: Erst Margarita mixen, verkosten und dann den Mixer mit den Gazpacho-Klassikzutaten befüllen. Hinzu gibt er vier ganze unentkernte Chilischoten und eine handvoll des kräftig duftenden Korianders. Er füllt weitere Plastikflaschen, tauft sie "teuflisch" und platziert sie neben den klassischen in der Kühlung.
Für den letzten Mix-Gang weicht er insofern von der klassischen Variante ab, als dass er auf nur sehr wenig Gurke, dafür mehr Zwiebel, Paprika und Tomaten zurückgreift. Hinzu kommen eine Chilischote und drei Knoblauchzehen. Die gefüllten Plastikflaschen beschriftet er mit "für die Pasta".
In den Mixer gibt er nun den restlichen Tequila und in etwa gleiche Anteile von Limettensaft und Triple Sec und gießt uns zwei gewaltige Gläser voll und verkündet: "Danach Siesta". Sechs Stunden später kommen die Gäste, die kaum frischer aussehen als wir und stärken sich entweder an "klassisch" oder "teuflisch" und natürlich dem Bier der Heimat, dem Kölsch der Kölschen, dem Kölsch. Es folgen Spaghetti, deren Zubereitung Pancho ganze zwei Minuten aus der Mitte seiner Gäste entreißt. Die Salsa "für die Pasta" macht er kurz heiß, den Zeitpunkt des richtigen Abgießens hat er im Blut, Parmigiano steht auf dem Tisch, zugreifen darf jeder selbst.
Der Dank gilt der Kraft der späten Sonne. Hat Pancho der eisigen, grauen Depression erst einmal getrotzt, dann rettet er mit seinen spontanen Fiestas auf der Dachterrasse die wintergeschundenen Seelen.
Text + Fotos: Dirk Klaiber
[druckversion ed 07/2010] / [druckversion artikel] / [archiv: pancho] |
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