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[kol_2] Amor: Nicht für Geld im Ausland kicken
Leben und spielen im schönsten Land der Welt


Lucio, Zé Roberto und Roque Junior bei Bayern und Miquelis für München. Brasilianer und Argentinier verzaubern Fußball-Deutschland. Jeder einzelne Spielername der südamerikanischen Spitzen-Nationalteams ist dem Leder-Narr während der Tage des gerade beendeten Confederation Cups geläufig. Denn nur ein einziger Brasilianer der Seleção kickt in seiner Heimat, in der argentinischen Elf sind es immerhin 3 zu Hause Spielende. Alle anderen suchen ihr Glück in Europa, wobei Geld und Ruhm nicht selten die Tränen der Kälte des Winters, der jenseits von Weißwurst und Maß fehlenden Leidenschaft und der sprachlichen Barriere trocknen müssen. So verlängern Stars ohne Ankündigung und Rückmeldung gerne mal den Heimaturlaub in der Winterpause. Was kümmern sie Geldstrafen, wenn Mama den kleinen Weltenbummler auffordert, noch ein paar Tage zu bleiben, damit sie ihn wieder aufpäppeln kann. Auf völliges Unverständnis seitens der Arbeitgeber stoßen sodann die kleinen Fettpolster links und rechts der Hüfte, die Sportfans im disziplinierten Deutschland nur von Sympathieträger Jan Ullrich aus dem Radsport kennen.

In Europa verbreiten die ballgewandten Lateinamerikaner aber nicht nur Freude, sondern sie lernen auch etwas - und zwar Disziplin. Alle elf Spieler inklusive Torwart der brasilianischen Auswahl, so wissen Beckmann und Kerner während der Übertragungen in ARD und ZDF zu berichten, würden am Liebsten auf Teufel komm raus stürmen. Abwehrspieler gäbe es im ewigen Samba-, Tanga- und Fußball-Fieber gefangenen Brasilien nur auf dem Papier. Erst durch das Erlernen der europäischen Disziplin hätten sich etwa Roque Junior und Lucio zu echten Abwehrrecken gemausert, wenn es ihnen auch nach wie vor schwer fällt, die Mittellinie nicht zu überschreiten. Denn so ergreife gerade Lucio, läuft es bei den Bayern mal nicht rund, die Initiative und stürmt die Gegner in Grund und Boden.

Und da war er wieder der Antritt des brasilianisch-bayrischen Abwehrchefs mit den Stelzenbeinen. Dieses mal jedoch nicht für die Münchner, sondern für die Nationalmannschaft des aktuellen Weltmeisters im zweiten Gruppenspiel des Cups und darüber hinaus vergeblich, obwohl die einzelnen Spieler des Gegners in Deutschland, wie auch dem übrigen Europa fast gänzlich unbekannt sind. "Méjico, Méjico ga-na-rá!" Dass aber sollte sich nach dem Spiel in der Vorrunde gegen die Brasilianer ändern, denn es verzauberten in erster Linie die Mexikaner.



Allen voran zu tiefst entzückt zeigte sich Günter Netzer, der die perfekte Interpretation der europäischen Diszipliniertheit im Abwehrverhalten und die übernatürliche Energielaufleistung gepaart mit der Eleganz in der Ballführung, der Spielfreude und dem effektiven Zusammenagieren vor des Gegners Tor bis über den Klee lobte. Was darüber hinaus die Zuschauer vor dem Fernseher wie im Stadion in Euphorie und Raserei versetzte, waren Showeinlagen, wie der Hackentrick des Abwehrspielers Osorio. Dieser unterlief scheinbar unbeteiligt den Ball, der nach einem Abpraller in hohem Bogen auf ihn zukam, anstatt sich mit den bereit stehenden Brasilianern um diesen zu streiten. Kurz vor des Balles Aufprall auf die Erde aber hob er die Hacke des rechten Fußes im Knie im neunzig Grad Winkel genickt nach hinten und nahm so den Ball mit einer nicht zu übertreffenden Lässigkeit mit, indem er ihn im kleinen Bogen wieder über den eigenen Körper nach vorne bugsierte. Angesichts der Unverfrorenheit und Brillanz in der Ausführung vermochte Osorios direkter Gegenspieler Zé Roberto seinen Mund gar nicht mehr zu schließen.

Im Viertelfinale traf Mexiko, das Brasilien nicht zuletzt durch die Paraden ihres Keepers Sanchez mit 1:0 besiegte, dann auf die Nummer Eins der Welt, auf Argentinien. Und sie fanden in den Männern der durch unzählige Parrillas gefestigten Ausdauer, um es vorweg zu nehmen, nach 120 Minuten Spielzeit und 5 verwandelten Elfmetern ihren Meister. Bis zu diesem Zeitpunkt aber waren die vom aztekischen Gott der Spielerbetreuung Ixtlilton protegierten Mexikaner Argentinien ebenbürtig. Besonders begeisterten sie durch präzise Pässe. Ob kurz gespielt oder über den halben Platz, jeder Ball fand Fuß oder Brust des anvisierten Spielers.

Spätestens nach diesem Auftritt sollten die deutschen Vereine aufmerksam geworden sein und ihre Späher aus Argentinien und Brasilien hin und wieder gen Norden schicken, in der Hoffnung in dem fast legionärlosen Mexiko fündig zu werden und die Bundesliga mit Sanchez, Borgetti oder Salcido zu bereichern. Doch in den Verhandlungen mit den mexikanischen Spielern wird Fingerspitzengefühl gefragt sein, denn nur mit Geld lassen sich die Spieler nicht der Heimat entlocken. Zum einen sind sie mit den eigenen Gefilden verbunden und verdienen in Mexiko gutes Geld zum anderen leben sie in einem der schönsten und vielseitigsten Länder der Welt, das darüber hinaus in der kulinarischen Weltrangliste zusammen mit Thailand und Italien einen der ersten drei Plätze dauerbelegt.

Text + Fotos: Dirk Klaiber